Mit einer persönlichen Rede hat sich Frank Stein vom Stadtrat verabschiedet, eine Bilanz seiner Amtszeit als Bürgermeister gezogen und seine Erfahrungen in den 36 Jahren im Dienst der kommunalen Selbstverwaltung auf den Punkt gebracht. Um dann seinem Nachfolger Bergisch Gladbachs Staffelstab übergeben.

Wir dokumentieren die Rede von Frank Stein im Wortlaut:

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Liebe Kolleginnen und Kollegen, 
meine sehr geehrten Damen und Herren,

in wenigen Minuten geht die letzte Sitzung des Rates der Stadt Bergisch Gladbach in dieser Wahlperiode zu Ende. Fünf Jahre gemeinsamer Arbeit für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt liegen hinter uns. Ich möchte diesen Moment nutzen, um mich ganz herzlich für diese gemeinsame Arbeit zu bedanken – und um einige wenige Gedanken mit Ihnen zu teilen, die für mich über den heutigen Tag hinaus Bedeutung haben.

Keine Sorge: Es folgt jetzt kein langer und detailreicher Fachvortrag – dergleichen habe ich in den letzten acht Jahren zuerst als Stadtkämmerer und danach als Bürgermeister bei den Haushaltsreden oft genug geliefert. Manche habe ich damit erfreut, andere wohl auch eher in ihrer Geduld strapaziert. Zumindest habe ich das immer aus den unterschiedlichen nonverbalen Reaktionen geschlossen. Aber das ist heute nicht meine Absicht.

Und auch gar nicht nötig. Einen Überblick über die wesentlichen Themen und Projekte der letzten fünf Jahre finden Sie in der kleinen Broschüre, die wir Ihnen heute vorgelegt haben. Sie kann natürlich nur eine kursorische Zusammenfassung sein – aber ich denke, sie zeigt doch eindrucksvoll, wie vielfältig die Aufgaben waren, die wir gemeinsam bewältigt haben. Und wieviel wir erreicht haben.

Für mich persönlich endet heute ein langer und zentraler Lebensabschnitt. Rechne ich die Zeit als sachkundiger Bürger, Ratsmitglied und zuletzt Fraktionsvorsitzender im Rat meiner alten Heimat Engelskirchen, meine Jahre als Beigeordneter und Stadtkämmerer in Leverkusen sowie schließlich als Beigeordneter, Kämmerer und Bürgermeister hier in Bergisch Gladbach zusammen, so komme ich auf 36 Jahre. 36 Jahre, in denen ich mich – haupt- wie ehrenamtlich – für die kommunale Selbstverwaltung eingesetzt habe.

Jahrzehnte, die mich geprägt und sicher auch als Mensch geformt haben. Allein ca. 180 Ratssitzungen müssen es gewesen sein- und eine nicht mehr nachvollziehbare Zahl von Fachausschüssen, Verwaltungsvorstandssitzungen und vielen weiteren Gremien. Da kommt schon eine Menge zusammen. 

Für mich waren das zentrale Lebenserfahrungen und ich freue mich über jede junge Frau und jeden jungen Mann, die sich auch auf diesen Weg für unser Gemeinwesen machen. Das ist das Herzblut unserer Demokratie und wir alle haben die Verpflichtung, junge Menschen beim Weg in die Kommunalpolitik zu unterstützen. Ihnen Türen öffnen und Verantwortung anzuvertrauen. Ich habe mich immer darum bemüht und es ist schön, zu sehen, wenn das Früchte trägt.

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Frank Stein ist der neue Kämmerer der Stadt. Wer jetzt im Kopf eine Schublade aufmacht, dem sei gesagt: Stein passt da nicht rein. Seine Leidenschaft gilt der Sozialpolitik, sein Herz hängt am Rheinland. Und er scheint ungern im Vordergrund zu stehen. Ein Porträt.

Diese drei Jahrzehnte waren zugleich immer auch ein kommunalpolitischer Spiegel der politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland und der Welt:

  • In den 80er Jahren die letzte Phase des Kalten Krieges; die gerade meine Generation damals sehr bewegende Friedens- und Anti-Atomkraftbewegung (als damals Wehrdienstleistender eine für mich persönlich nicht widerspruchsfreie Zeit), die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl,
  • der Zusammenbruch des Ostblocks 1989ff und das historische Glück der deutschen Wiedervereinigung, mit Euphorie, aber auch Ernüchterung,
  • mehrere große Flüchtlingsbewegungen in allen drei Jahrzehnten
  • die Agenda-Reformen in den 0er Jahren und ihre Umsetzung auf der kommunalen Ebene
  • danach mehrere Finanz- und Eurokrisen, aber auch lange Jahre wirtschaftlicher Prosperität
  • bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Infrastruktur, auf allen staatlichen Ebenen
  • die weltweite Disruption durch die Corona-Pandemie,
  • die sichtbaren negativen Folgen des Klimawandels auch hier bei uns vor Ort
  • und nicht zuletzt der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und der Verlust vieler vermeintlicher Gewissheiten, auf die wir lange gebaut haben. Billige fossile Energie, unendlich aufnahmefähige Exportmärkte in Fernost und Amerika, von den USA bezahlte und gewährleistete äußere Sicherheit: Diese drei Geschäftsgrundlagen unseres Wohlstands und unserer Demokratie sind weggefallen. 

Ohne Kommunen gäbe es keine praktischen Lösungen, keinen sozialen Zusammenhalt, schlicht keine Zukunftsfähigkeit.FRank Stein

All dies haben wir nicht nur abstrakt „in den Nachrichten“ erlebt, sondern mussten auf der kommunalen Ebene ganz konkrete Antworten auf diese Fragen der Zeit geben: Mit unzähligen Maßnahmen und Projekten, mit Umsetzungsbeschlüssen und mit konkreten Entscheidungen, die unseren Alltag hier vor Ort geprägt haben.

Es hieße, Eulen nach Athen zu tragen, wenn ich das jetzt alles im Einzelnen beschreiben würde. Aber das muss ich ja auch gar nicht, denn Sie waren ja alle dabei. Wir in den Städten waren es, die durch konkrete praktische Politik  

  • Flüchtlingskrisen
  • Klimawandel und die Transformation unserer Infrastruktur in die nachfossile ZeitInvestitions- und Sanierungsstaus demographischen WandelArbeitsmarktreformen 
  • unzureichend refinanzierte, aber gesetzlich verbindliche Rechtsansprüche bei der frühkindlichen Bildung

– um einige wenige besonders wichtige Aufgaben zu nennen – zu bewältigen hatten. 

Eine Reise mit Frank Stein durch unser Foto-Archiv. Foto: Thomas Merkenich, Redaktion, Stadt GL

Und das auch erfolgreich getan haben. Nicht immer perfekt, nicht immer ohne Kontroversen. 

Aber gerade deswegen finde ich, dass wir es mit Karl Popper halten müssen: Nicht das unerreichbare Ideal, sondern das pragmatische Handeln Schritt für Schritt wird der Komplexität unseres Lebens gerecht. Und ermöglicht Demokratie und kommunale Selbstbestimmung.

Für mich ist die zentrale Lehre aus alledem eindeutig: Ohne die Städte und Gemeinden wäre unser Land nicht handlungsfähig. Wir sind es, die die Auswirkungen globaler Krisen und historischer Veränderungen in praktisches Handeln für die Menschen vor Ort konzeptionell übersetzen und praktisch umsetzen. Ohne Kommunen gäbe es keine praktischen Lösungen, keinen sozialen Zusammenhalt, schlicht keine Zukunftsfähigkeit.

Foto: Thomas Merkenich

Und wo ich schon beim Grundsätzlichen bin: So faszinierend die Ideenwelt von Carl Schmitt gewesen sein mag und sie erfährt ja aktuell erstaunlicherweise eine gewisse Renaissance: Das Freund/Feind-Schema als Grundprinzip des Politischen, verbunden mit der Zuweisung der Definitionsgewalt für den Ausnahmezustand an die Machtinhaber: Das kann und darf kein Modell für demokratische Politik sein, auf keiner staatlichen Ebene.

In unseren Räten dürfen keine Feinde sitzen. Hier sitzen politische Wettbewerber. FRank Stein

In unseren Räten dürfen keine Feinde sitzen. Hier sitzen politische Wettbewerber. Wir geben unsere Demokratie auf, wenn wir die jeweils anderen Fraktionen nicht immer auch als mögliche Partner verstehen. Oder um Wolfgang Bosbach zu zitieren: „Wir stehen für unterschiedliche Gewerke, aber arbeiten auf der gleichen Baustelle“.

Und das habe ich als Beigeordneter und als Bürgermeister in Bergisch Gladbach auch bei unzähligen Themen genauso erlebt. Dafür möchte ich Ihnen von ganzem Herzen danken. Dafür, dass Sie sich dieser großen Aufgabe immer wieder aufs Neue gestellt haben.

Ehrenamtlich, unter Zurückstellung anderer im Zweifel vergnüglicherer Dinge, die man auch tun könnte, statt in langen Sitzungen und Besprechungen um die richtigen Lösungen zu ringen. Und wohl wissend, dass man es nie alles recht machen kann. Aber dafür sehr viele meinen, es besser zu wissen, ohne sich aber jemals zu einem eigenen Engagement durchringen zu können.

Niemals nach einem Parteibuch fragen, sondern Persönlichkeit und Kompetenz entscheiden lassen.Frank stein

Es sind letztlich gerade mal 207 Menschen, die im Rat und seinen Gremien und Beiräten ehrenamtlich arbeiten. Das sind gerade mal knapp 0,2 % der Bevölkerung. Das nenne ich Verantwortung in der Demokratie zu tragen, dafür ist Ihnen diese Stadt zu großem Dank verpflichtet.

Und wenn ich jetzt die anwesenden Ratsmitglieder persönlich ansprechen kann, dann habe ich meine Gedanken gleichermaßen bei Michael Zalfen, Jörg Krell und Rolf-Dieter Schacht. Drei wunderbare Menschen, die ich heute hier sehr vermisse. Dass sie nicht mehr dabei sind, stimmt ich immer noch traurig und wehmütig.

Mein Dank gilt ebenso den Kolleginnen und Kollegen der Verwaltung. Über 1500 sachkundige und engagierte Menschen, die alle motiviert und kompetent ihren Job machen. Es war mir Ehre, der Chef dieser großen Organisation zu sein.

Die 10 FBL*innen waren dabei natürlich besonders wichtige Partner. Sie sind es, die mit großer Führungsspanne und beeindruckender Sachkompetenz das Rückgrat der Verwaltung sind. Fast alle wurden während meiner Amtszeit FBLer*innen. Konkret 9 von 10. Ich bin sehr gut damit gefahren, bei diesen wichtigen Personalentscheidungen niemals nach einem Parteibuch zu fragen, sondern Persönlichkeit und Kompetenz entscheiden zu lassen. Die Zugehörigkeit zu einer Partei hat niemals eine Rolle gespielt und das würde ich auch jedem anderen HVB empfehlen. 

Die Beigeordneten als Säulen des Verwaltungsvorstands sind anders als die FBLer*innen politische Beamte. Bei uns ein schwarzer, ein grüner und ein gelber. Und war das irgendwann einmal unter uns ein Thema, gar ein Problem? Keine Sekunde. Lieber Ragnar, lieber Thore, lieber Stephan, ich danke Euch von ganzem Herzen für Eure Kollegialität und Kameradschaft und Freundschaft.

Ich habe in vielen Verwaltungsvorständen mit einer großen Zahl von Wahlbeamten*innen zusammengearbeitet. Das waren alles gute Kollegien. Und dennoch: Ihr wart für mich der beste und freundschaftlichste Verwaltungsvorstand meiner Berufslaufbahn. Menschlich und fachlich gleichermaßen. Danke!

Mein Nachfolger übernimmt ein fachlich und menschlich hervorragendes Führungsteam. Das ist für mich eine Gewissheit, über die ich mich sehr freue.

Und genauso zu großem Dank verpflichtet bin ich dem Personalrat als dem Vertreter der Interessen der Kolleg*innen. 

Dass es in Mitbestimmungsfragen nicht immer eine Meinung zwischen Dienstherrn und Personalvertretung geben kann, ist völlig normal. Aber wir haben uns immer zu guten gemeinsamen Lösungen verständigen können. An einem Punkt waren wir einmal emotional sehr weit auseinander. Das war nicht einfach.

Aber was haben wir gemacht: Uns nicht eingebunkert, sondern geredet. Sehr offen, sehr ehrlich und mit dem wunderbaren Ergebnis, dass eine gute Lösung und keine Verletzungen oder Verhärtungen am Ende stand. Das war eine große Leistung, auch und gerade auf der zwischenmenschlichen Ebene. Dafür liebe Frau Pütz, von ganzem Herzen ein großes Dankeschön!

Und last not least, mein wunderbares Rathausteam! Andrea, Doris, Christian, Sascha, Robert, Daniela, Anne, Jana, um nur die zu nennen, mit denen ich wirklich praktisch jeden Tag zu tun hatte und die mir so unendlich vieles abgenommen haben. Und die ich stellvertretend für alle anderen Kolleg*innen nenne, denen sich ebenso zu großem Dank verpflichtet bin. Vielen, vielen Dank!

Zum Abschluss möchte ich zweierlei tun.

Zum einen unseren drei ehrenamtlichen Bürgermeister*innen in besonderer Weise Danke sagen. Liebe Annemie, lieber Josef, liebe Christine, Ihr wart fünf Jahre lang ein perfektes Team! Ihr habt unsere Stadt mit Würde, Herz, Humor und Verstand repräsentiert und dafür gesorgt, dass sich die Menschen in BGL mit unserer Stadt uneingeschränkt identifizieren können. Und darauf könnt Ihr stolz sein! Deshalb ein großes Dankeschön für Eure Freundschaft und Kameradschaft!

Frank Stein mit dem künftigen Bürgermeister Marcel Kreutz. Foto: Redaktion

Zum anderen möchte ich eine Tradition fortsetzen, die Lutz Urbach begründet hat. Als ich BM wurde, hat mir Lutz einen Staffelstab überreicht, der die Aufschrift „Lutz zu Frank“ eingraviert hatte. Das möchte ich heute auch tun, und zwar mit einem Staffelstab „Frank zu Marcel“. Diesen möchte ich Dir lieber Marcel jetzt überreichen. Ich wünsche Dir von ganzem Herzen eine glückliche Hand, möglichst keine weiteren neuen, sondern nur die bekannten Krisen und vor allem Gelassenheit und innere Zufriedenheit. Denn wer mit sich selbst im Reinen ist, kann Großes erreichen.  

Wir werden uns weiter begegnen. In anderen Formaten, mit anderen Rollen. Aber unverändert verbunden in der Liebe zu dieser wunderbaren Stadt und ihren wunderbaren Menschen.

des Bürgerportals. Kontakt: info@in-gl.de

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