Richard Northcote, Lutz Urbach, Renaud Sassi und Pejman Norastehfar vor der Unterkunft in Paffrath

Richard Northcote, Lutz Urbach, Renaud Sassi und Pejman Norastehfar vor der Unterkunft in Paffrath

Die Containerunterkunft in Paffrath war am Mittwoch Schauplatz einer ungewöhnlichen Vertragsunterzeichnung: Der Konzern Covestro (früher: Bayer MaterialScience), der französische Fertighaushersteller Logelis und die Stadt Bergisch Gladbach vereinbarten den Bau eines Musterhauses für Flüchtlinge.

Dabei geht es nicht um irgendein Haus, sondern um das erste in Deutschland, dass mit einem ökologisch nachhaltigem Werkstoff sehr preiswert, schnell und einfach errichtet werden kann. Das Passivhaus ist aus selbsttragenden Fertigelementen mit einem Polyurethan-Kern gefertigt, ist so gut wie ein Kühlschrank isoliert und erfüllt die strengsten deutschen Normen. Und das bei einem Komplettpreis von 1000 Euro pro Quadratmeter.

Damit ist schon der Bau um bis zu 70 Prozent günstiger als konventionelle Fertighäuser, sagte Logelis-Präsident Renaud Sassi. Und angesichts einer sehr langen Lebensdauer wahrscheinlich auch günstiger als Container.

Die Stadt Bergisch Gladbach bekommt das Haus von Logelis geschenkt und muss nur das Grundstück und die Bodenplatte beisteuern. Das 70-Quadratmeter große Gebäude entsteht auf dem Gelände der Containerunterkunft an der IGP.

So soll das Musterhaus in Paffrath aussehen. Mitte Dezember ist die Einweihung geplant

So soll das Musterhaus in Paffrath aussehen. Mitte Dezember ist die Einweihung geplant

Familienzentrum oder Integrationstreffpunkt

Das DRK würde das Haus gerne nutzen, um dort Flüchtlings-Kinder und Familien zu betreuen. Zwar sind nur zehn der 150 Bewohner der Paffrather Unterkunft minderjährig; aber hier sollen ab Dezember auch Familien betreut werden, die in anderen Unterkünften oder eigenen Wohnungen leben.

Das ist nach Angaben der Stadtverwaltung aber noch nicht entschieden. Es gibt auch Überlegungen, hier einen „Integrationstreffpunkt” einzurichten. Über ein sogenanntes Integrationszentrum, angesiedelt im angemieteten Mehrfamilienhaus an der Bensberger Straße in Heidkampf, wird ebenfalls seit Monaten verwaltungsintern verhandelt. Der zuständige Fachbereich Soziales unter der Leitung von Beate Schlich wird in den nächsten Wochen mit dem DRK ein Konzept erarbeiten, heißt es jetzt.

Keine Pläne für weitere Gebäude

Nach Angaben von Bürgermeister Urbach hat die Stadt derzeit keine Pläne, weitere Häuser des neuen Typs zu erwerben. Für die in Bau befindliche Unterkunft in Lückerath komme das Projekt zu spät, schon im vergangenen Jahr hatte die Stadt einen Rahmenvertrag über die Lieferung einer großen Zahl von Containern abgeschlossen, die im Moment in Lückerath aufgestellt werden.

„Leider fehlte diese attraktive Lösung als wir im November 2015 den Rahmenvertrag für die Modulbauweise abgeschlossen haben“, bedauert Urbach. „Gerne hätten wir mehr Zeit gehabt, um die schnelle Schaffung von Wohnraum optimal zu lösen, doch der Zustrom der Menschen auf der Flucht von Juli 2015 bis Januar 2016 ließ das nicht zu.

Eine Alternative für den Fall der Fälle

Für den Fall, dass die Flüchtlingszahlen wieder anziehen, so Urbach, stelle das Logelis-Haus eine preiswerte und qualitativ hochwertige Alternative dar. „Die Stadt Bergisch Gladbach kann stolz sein, dass hier ein Gebäude entsteht, dass eine echte Alternative zu den von uns bisher verwendeten Schnellbauweisen ist“, sagte Urbach. Aktuell sinkt die Zahl der Flüchtlinge in Bergisch Gladbach jedoch; auch im September werden keine neuen Zuweisungen erwartet.

Ein Milliardenmarkt

Mit dem Bau derartiger Häuser haben sich die beteiligten Unternehmen einen Milliarden-Markt erschlossen. Covestro arbeitet bereits seit acht Jahren an dem Werkstoff, der als Dämmmaterial für die Passivhäuser eingesetzt wird. Dabei hat das Unternehmen aus der Bayer-Familie vor allem Länder in Südostasien im Blick, wo ein immenser Bedarf an preiswerten, ökologisch nachhaltigen, schnell und einfach aufzubauende Häuser besteht. Weitere Aktivitäten sind in Afrika und im Nahen Osten geplant.

Das Ziel: bis 2025 sollen weltweit zehn Millionen Menschen von dem Covestro-Angebot profitieren, kündigte Richard Northcote an, der bei dem Unternehmen für das Thema Nachhaltigkeit zuständig ist. Mit einem Umsatz von zwölf Milliarden Euro gehört Covestro zu den weltweit größten Polymer-Unternehmen und beschäftigt 15.800 Mitarbeiter.

Für den deutschen Markt hatte Covestro-Manager Pejman Norastehfar  bereits vor einem Jahr Kontakt zu Bergisch Gladbach aufgenommen hatte, zunächst nach einem geeigneten Partner suchen müssen, der in der Lage ist, die strengen deutschen Bauvorschriften einzuhalten. Was jetzt mit dem Unternehmen Logelis gelungen ist. Die Franzosen sind seit vier Jahren im Geschäft und bauen zum Beispiel im Irak bereits Flüchtlingshäuser mit diesen modernen Materialien auf.

Journalist, Volkswirt und Gründer des Bürgerportals. Mail: gwatzlawek@in-gl.de.

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