Axel Becker, Vorsitzender des Partnerschaftsvereins

Vertreter der Partnerstädte weihen den Beit-Jala-Platz in Bergisch Gladbach ein

Der Städtepartnerschaftsverein Bergisch Gladbach – Beit Jala e. V: hat eine kleine Besuchergruppe aus Beit Jala nach Bergisch Gladbach eingeladen: Mohammed Fararje und Naim Muallem von Abrahams Herberge, zwei Mitglieder des Jugendstadtrats und zwei Studentinnen.

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Am 30. Mai berichten die Gäste im Gemeindesaal der Gnadenkirche „Engel am Dom“ über die Situation in der Partnerstadt im Heiligen Land. Im Vorfeld haben wir mit Axel Becker, dem Vorsitzenden des Partnerschaftsvereins gesprochen.

Herr Becker, was versprechen Sie sich von dem Treffen?

Axel Becker, Vorsitzender des Partnerschaftsvereins

Axel Becker: Ich freue mich darauf, Freunde und Bekannte wiederzusehen, die wir aus Beit Jala kennen und die zum Teil auch schon hier in Bergisch Gladbach zu Besuch waren. Dabei verspreche ich mir aktuelle Informationen zur Lage dort: Wie die Kommunalwahlen am 13. Mai verlaufen sind und wie es um den fortschreitenden Mauerbau und die Ausweitung der jüdischen Siedlung Gilo auf dem Territorium Beit Jalas steht. Weitere Themen sind die Perspektiven für Abrahams Herberge und Abrahams Zelt sowie künftige gemeinsamer Projekte im Rahmen der Städtepartnerschaft.  

Zwei Mitglieder des Jugendparlaments von Beit Jala sind mit dabei, darunter Jugendbürgermeister Georgeous Shaer. Auf welche Weise können junge Leute aus Bergisch Gladbach und Beit Jala voneinander lernen?  
Sie sollten sich zuerst einmal kennenlernen. Der neue Jugendrat in Bergisch Gladbach bietet gute Voraussetzungen für den Austausch. Die jungen Gäste aus Beit Jala haben bereits kommunalpolitische Erfahrungen, die Bergisch Gladbacher einige Ideen. Ideal wäre zunächst ein Gedankenaustausch und dann das Einfädeln gemeinsamer Aktivitäten.

Besuch aus der Abrahams Herberge kommt zum Gespräch

Mit Mohammed Fararje (33) kommt ein guter Bekannter zu uns: Beit-Jala-Reisende kennen ihn aus Abrahams Herberge und dem Flüchtlingslager Deheishe in Bethlehem. Inwieweit verkörpern er und seine Familie ein typisches palästinensisches Schicksal?
Mohammed wurde im Flüchtlingslager Deheishe geboren und lebt dort in dritter Generation. Sein Sohn kam im vergangenen Jahr ebenfalls im Flüchtlingslager zur Welt. Die Familie stammt aus Zakariyya (heute Zekharia), einem ehemals arabischen Dorf 25 Kilometer westlich von Beit Jala im heutigen Israel. Im israelischen Unabhängigkeitskrieg 1948 musste die Bevölkerung fliehen. Viele Menschen fanden im Deheishe-Camp Zuflucht. Aus dem ehemaligen Zeltlager ist mittlerweile ein umgrenztes Armenviertel mit eigener Infrastruktur geworden.

Informationsveranstaltung
in kleinen Gesprächsgruppen mit den Gästen aus Beit Jala:
Dienstag, 30. Mai, 19 Uhr
Gemeindesaal der Gnadenkirche „Engel am Dom“
Hauptstraße 258, 51465 Bergisch Gladbach
Eintritt frei

Glauben die Menschen noch an eine Rückkehr?
Der vor knapp zwei Jahren verstorbene Vater Mohammeds bewahrte bis zuletzt den Schlüssel seines Hauses auf, ein Symbol der Hoffnung auf Rückkehr in die alte Heimat. Dieser Schlüssel wird von Generation auf Generation weitergereicht. Bei einer Begegnungsreise 2009 trafen wir in Zekharia auf einen neuen israelischen Ort. Die ehemaligen Häuser der Palästinenser sind zerstört, die Fundamente von Sträuchern und Bäumen überwuchert und die einstige Moschee dient als Ziegenstall.

Abrahams Herberge und Abrahams Zelt sind wichtige Anlaufpunkte der Städtepartnerschaft im Westjordanland. Welche Bedeutung haben diese beiden Einrichtungen für die Menschen vor Ort?    
Abrahams Herberge hat seit seiner Eröffnung im Jahr 2003 bis heute zahlreiche Gäste aus Deutschland nach Beit Jala und ins Westjordanland geholt. In den ersten Jahren kamen auch Vertreter israelischer Friedensgruppen, daraunter auch Rabbiner und Rabbinerinnen vorbei.

Abrahams Zelt ist gleichsam Außenstelle der Herberge. Jadallah Shihadeh, langjähriger Pfarrer der evangelisch-lutherischen Gemeinde vor Ort, hob damit eine mobile Lern- und Spielstätte für arme Kinder aus der Taufe. Abrahams Zelt stand anfangs im Deheishe-Camp, wanderte dann nach Beit Umar nahe Hebron und steht gegenwärtig in Al Ubeidiya. Leitmotiv beider Einrichtungen ist die respektvolle Zusammenarbeit von Menschen unterschiedlicher Religionen zum Nutzen aller.    

Ein hoher Anspruch, der sich konkret in der Person Mohammeds niederschlägt …
Mohammed war Schüler im einstigen Jungenheim von Abrahams Herberge. Er war ziemlich tüchtig und lernte die deutsche Sprache. Pastor Shihadeh machte ihn später zu seinem Sekretär. Ein Muslim in der christlichen Kirchenverwaltung, das war nicht zuletzt wegen der hohen Arbeitslosigkeit in Beit Jala nicht selbstverständlich. Doch Shihadeh zog das durch und demonstrierte damit seinen Willen zur Überwindung konfessioneller Schranken. Seit Jahren arbeitet Mohammed in der Leitung von Abrahams Herberge und betreut Abrahams Zelt.

Sie haben Jadallah Shihadeh persönlich kennengelernt – welchen Eindruck haben Sie von ihm?
Für mich ist er ein Mensch, der seine Vison unbeirrbar umzusetzen versucht, hierzulande vergleichbar mit Menschen wie dem Bestatter Fritz Roth in unserer Stadt oder dem Grünhelm-Gründer Rupert Neudeck. Die Eröffnung von Abrahams Herberge und Abrahams Zelt fiel mitten in die Zweite Intifada – alle hielten Shihadeh für verrückt. Er steht für eine Kirche, die dorthin geht, wo die Armen leben. Ohne ihn gäbe es auch keine Städtepartnerschaft zwischen Bergisch Gladbach und Beit Jala. Heute lebt Shihadeh im Ruhestand in Chile.

Beit Jala: „Kommt und seht. Dann geht und erzählt.”

Welchen Sinn haben die beiden Versöhnungsinitiativen in Beit Jala heute angesichts fortschreitender Entfremdung zwischen Israelis und Palästinensern?  
Anfangs war die friedensstiftende Vision noch sehr viel näher an der Wirklichkeit als heute. Da kehrten eben auch Juden mit Kippa in Abrahams Herberge ein. Heute wollen Israelis und Palästinenser nichts mehr miteinander zu tun haben. Nach 50 Jahren israelischer Besatzung, nach dem Scheitern der Osloer Friedensabmachungen und nach traumatisierenden Gewalterfahrungen auf beiden Seiten erscheinen die Gräben unüberwindbar. Eine schlimme Entwicklung, aber gerade deshalb dürfen wir die Vision nicht aufgeben. Shihadehs Credo ist aktueller denn je: „Das Glück des einen Volkes hängt vom Glück des anderen Volkes ab. Der Segen des einen Volkes hängt vom Segen des anderen Volkes ab.“  

Kann die Städtepartnerschaft zur Konfliktlösung beitragen?
Städtepartnerschaft bedeutet unmittelbare Teilnahme am Leben der Menschen in der Partnerstadt. Sie kann neue Sichtweisen eröffnen, nicht mehr und nicht weniger. Schließlich haben nicht einmal die Konfliktparteien eine Lösung.

Man muss mit den Menschen vor Ort reden und wenn Reiseteilnehmer einmal den Beton der 8 Meter hohen Trennungsmauer, mit der Beit Jala eingeschlossen wird, berührt haben, dann bergeifen sie, dass die verbreitete Auffassung über Isarel noch eine andere, für die Palästinenser dauerhaft verletzende Seite hat! Das schützt vor einseitigen Perspektiven und ist auch Teil der Verpflichtung gegenüber Israel.

Und was gewinnt Bergisch Gladbach dabei?
Weder Geld oder sonstigen unmittelbaren Nutzen. Doch die Dreieckspartnerschaft unserer Stadt zusammen mit Ganey Tikva ist ein Beispiel für Weltoffenheit, ein Prestigeprojekt. Im Reigen von bundesweit Hunderten Städtepartnerschaften ist diese Beziehung etwas ganz Besonderes.

Die Fragen stellte Jörg Bärschneider

Weitere Informationen zu Beit Jala:

Beit Jala: Anpfiff für den Frieden

Beit Jala in Bedrängnis: Siedlungsbau geht weiter

Beit Jala: Ausflug in eine andere Welt

Mehr zur Städtepartnerschaft: www.gl-beitjala.net

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