Corona trifft besonders die Kreativen. Und wer wie Norbert Wielpütz beruflich in dreifacher Hinsicht auf Kreativität setzt, der spürt die Krise hautnah. Im Würgegriff der Pandemie ist ökonomische und mentale Stärke gefragt. Auf welche Ressourcen setzt der Musiker und Creative Director?
Ein Bistro in der Fußgängerzone. Norbert Wielpütz und ich sitzen draußen und sprechen über sein Leben, nicht nur zu Corona-Zeiten. Es ist trotz der frühen Stunde sonnig und mild.
Norbert, alles gut? – Hallo Wolfgang! Man hat ihn nie so ganz für sich. Das Gespräch mit Norbert Wielpütz wird von Grüßen aus dem Strom der Passanten unterbrochen. Von Politprominenz, von Freunden. Von Menschen, die dank der Lockerungsmaßnahmen offensichtlich froh sind mal wieder ein vertrautes Gesicht zu sehen.
Kapitel Labbese abgeschlossen
Norbert Wielpütz: Musiker, Kommunikations-Experte. Und regionaler Promi? Er zögert: „Vor dem Hintergrund, dass wir mit der Band Labbese über 100.000 Euro in soziale Projekte gesteckt haben – vielleicht ja“. Das Kapitel Labbese ist aber endgültig abgeschlossen. Zurück bleibt die Freundschaft mit den Jungs und die Erinnerung an eine schöne Zeit.

Aber es soll bei unserem Gespräch auch nicht zentrales Thema sein – eigentlich. Mich interessiert vielmehr wie Norbert Wielpütz durch die Corona-Krise kommt.
Wie war der Shutdown für ihn? „Ich habe dreimal im Lotto gewonnen!“ so die lakonisch-ironische Antwort eines umtriebigen Zeitgenossen.
Derzeit ist er Geschäftsführer seiner eigenen Marketing-Agentur, Gründer und Musiker von Pütz & Band, Dozent für Kreation am bib international college hier in Bergisch Gladbach. Breit aufgestellt.
Aber das hat ihm bei der Pandemie auch nicht weit geholfen, genau so wenig wie sein Netzwerk. Seit dem Shutdown bleiben die Aufträge weg, werden Auftritte gestrichen, läuft der Lehrbetrieb am bib auf Sparflamme via Internet.
Keine Auftritte für Pütz & Band
„Einem Kunden habe ich noch an Karneval geraten, ein Mega-Event im Sommer wegen Corona abzusagen“, erklärt der Creative Director. „Er ist mir bis heute dankbar, mir fehlt indes der Umsatz.“
Der nächste Kunde war ein Großhändler für Friseure, der von der Schließung der Friseur-Läden betroffen war. Der Großhändler stellte das Marketing ein. Wieder ging ein Auftrag verloren. Entsprechend hat er für seine Agentur erst einmal Soforthilfe beantragt.
Bei der Musik sieht es nicht besser aus: Pütz & Band verlor in zwei Wochen 20 Auftritte. Die Musik, ein Standbein das früher für Boden unter seinen Füßen sorgte, ist derzeit keine sichere Bank für Norbert Wielpütz.
Ob Karneval 2021 wieder wird wie früher? Das sei schwierig abzusehen, der Karneval werde nächstes Jahr eher ein anderes Gesicht zeigen als bisher, ist Wielpütz überzeugt. In der neuen Session durchzustarten ist also keine Planungsgrundlage.

Und auch der Lehrauftrag an der bib wurde immer zäher. Der Lehrbetrieb: Eingestellt. Das e-Learning: Per Internet schwierig. Er müsse die Studenten ständig bei der Stange halten, was im Videochat eine Herausforderung sei.
Wer mit Norber Wielpütz spricht der ahnt, wie der Sog, den er vis-à-vis entwickeln kann, im Internet schwer zu transportieren ist.
Ökonomisch traf Corona den Norbert Wielpütz also mit voller Wucht. Mental jedoch (noch) nicht. Warum?
Emotionale Falle
Und damit kehrt das Gespräch wieder zurück zu seinem Vorleben mit den Labbesen. Norbert Wielpütz hat gewissermaßen eine Häutung hinter sich. Eine bekannte Band und gut bezahlte Jobs verlassen, weil er sich auf dem Höhepunkt einfach fragte: „So geht es nicht weiter, aber wie es weitergeht weißt Du auch nicht.“
Er saß damals emotional in der Falle: Einerseits die Sucht danach erkannt zu werden, andererseits der Frust nur über die Musik definiert zu werden. Bühne und Büro, das war sein Leben. „Wenn Du im Hamsterrad sitzt kommt Dir das vor wie eine Karriereleiter.“
War es irgendwann aber nicht mehr. Die Sprossen der Leiter zeigten nach unten, die Ehe ging in die Brüche, er schrammte damals knapp am Burn-out vorbei. Das hat „Spuren hinterlassen“ – unter diesem Titel wird er im Herbst die vergangenen Jahre in einer Biographie Revue passieren lassen.
„Es geht immer weiter“
In Corona-Zeiten profitiert er nun mental von den vergangenen Krisen. Von der Erfahrung, dass es immer weiter geht, dass Ruhe und Innehalten mehr bringen als Hektik. Von der Erfahrung, dass Ballast abwerfen befreien kann. Er hat nach eigenen Angaben noch viel Luft, das lasse ihn optimistisch nach vorne schauen.
Bei ihm klingt es nicht fatalistisch wenn er anmerkt, dass er die Dinge eh nicht ändern könne. Dann schreibe er halt Songs und ein Buch. Oder investiert mit spontanen Projekten in die Zukunft seiner Agentur. Er habe nur den Wunsch „… dass die Entschleunigung zu einer Besinnung auf die Grundwerte führt.“

Sie brauchen sich um Ihre Zukunft keine Gedanken zu machen – er legt einen Zettel aus einem Glückskeks auf den Bistro-Tisch. „Erst dachte ich bei dem Spruch an Unfug, aber seit Corona dämmert es mir: Die Gegenwart erklärt sich aus der Vergangenheit. Es wird für mich immer weitergehen.“
Ein Stück weit könnte man es aber auch so sehen: Nicht jeder hat die Chance, sich diese Gelassenheit zu erarbeiten.
… wirklich gut geschrieben. Kompliment!