Symbolbild. Foto: Unsplash

Hausarztpraxen sind bei der Bewältigung der Pandemie stark gefordert, für den Mehraufwand durch Omikron hat ihr regionaler Berufsverband nun „einen finanziellen Ausgleich“ gefordert. Ist das berechtigt, wie sieht der Alltag vor Ort derzeit aus? Wir haben in einer Schildgener Hausarztpraxis nachgefragt – und sehr unterschiedliche Antworten erhalten.

Es ist 18 Uhr. Der letzte Patient verlässt die Gemeinschaftspraxis Schildgen. Dr. Christian Schulz erwarten jetzt noch etwa zwei Stunden Arbeit am Computer. Er wirkt trotzdem entspannt: „Omikron bereitet mir persönlich nicht mehr Aufwand als Corona insgesamt.“

Natürlich rufen immer mehr Patient:innen mit einem positiven Testergebnis an. Doch die darf er telefonisch beraten, Krankmeldungen per Post zustellen. Forderungen nach höheren Honoraren für die hausärztlichen Leistungen kann er daher nicht nachvollziehen: „Wir kriegen meiner Meinung nach eine gute Bezahlung für die Impfungen, eine gute Entschädigung für die anfallenden Formalitäten. Noch mehr Geld zu erwarten, finde ich nicht gerechtfertigt.“

Zumindest nicht für die Hausärzt:innen selbst. Eine bessere Vergütung der „Leistungen der Praxisteams“, die der Verband ebenfalls fordert, unterstützt er dagegen – denn: Der Mehraufwand liege ganz klar auf den Schultern der Arzthelferinnen.

Immer mehr positive Fälle

Das bestätigt Mara Kramm, medizinische Fachangestellte in der Praxis, die Christian Schulz zusammen mit einer Kollegin führt. Ihr Job habe sich mit Beginn der Pandemie komplett verändert – und Omikron spitze das Ganze noch einmal zu. Das Telefon stehe nie still, das elektronische Postfach quille über.

Erkältungen, die früher einfach zu Hause auskuriert wurden, sind heute Anlass, den Arzt zu kontaktieren. Zu groß ist die Unsicherheit.

Seit etwa vier Wochen häufen sich die Anrufe von Patient:innen mit einem positiven Test. Was für den Arzt nur eine telefonische Beratung bedeutet, heißt für sie und ihre Kolleginnen eine ganze Menge mehr – vom ständig klingelnden Telefon über die Ausstellung und Versendung von Krankmeldungen bis hin zur äußerst aufwendigen Überweisung zum PCR-Test:

„Es kostet mich ungefähr fünf Minuten, eine Überweisung auszustellen. Dann versuchen wir, das Papier ans Labor zu faxen. Im Moment kommen wir damit fast nie durch, weil das Labor total überlastet ist. Das heißt, wir bestellen die Patienten hierhin. Sie müssen dann dreimal klingeln, und wir bringen ihnen die Überweisung raus.“

Es gebe auch immer wieder Menschen, die unbedarft in die Praxis kämen und an der Rezeption erzählten, dass sie einen positiven Test gemacht hätten. Oder dass sie typische Symptome hätten.

„Wir sind die erste Anlaufstelle für jeden“, sagt Kramm. „Damit stehen wir, auch was das Ansteckungsrisiko angeht, an der Front.“

Impfungen waren das größte Chaos

Immerhin entspanne sich gerade die Lage in Sachen Impfungen, da die meisten den Booster erhalten hätten. Kramm: „Das war das größte Chaos.“ In der Praxis war jeden Tag eine Arzthelferin ausschließlich damit beschäftigt, die Impfungen zu organisieren, Termine zu vereinbaren, Aufklärungsbögen zu drucken, abgesagte Termine wieder neu zu besetzen und so weiter. Nur das Impfen selbst liegt bei Schulz und seiner Kollegin.

Nun also Omikron, bald dann auch schon wieder die vierte Impfung. Auf die Frage, ob ihr der Job noch Spaß mache, sagt Kramm ein bisschen verlegen: „Ja, schon, aber wenn ich ehrlich bin, ist es nicht mehr so, wie es einmal war.“

Das, was ihr am meisten Spaß gemacht hat, macht sie nicht mehr. Sie hat einfach keine Zeit dafür. Sie erzählt:

„Wir hatten vor drei Wochen einen Putztag. Da haben wir gesagt, wir machen jetzt mal die Sachen, zu denen wir sonst nicht mehr kommen. Ich saß sieben Stunden dran, Befunde der letzten Monate einzuscannen. Und jetzt platzt das Fach schon wieder aus allen Nähten.“

„Wir werden so ein bisschen vergessen, gefühlt“

Sie kommt nicht dazu, Patient:innen anzurufen und zur Gürtelrose-Impfung einzuladen. Sie weiß nicht, wo sie Akutpatient:innen unterbringen soll, da in der Akutsprechstunde geimpft wird. Sie kommt nicht zum Sortieren, Aufräumen, Ablegen.

„Man steht eigentlich nur noch unter Strom, kommt nach Hause und kann gar nicht richtig abschalten“, sagt Kramm. Von den täglichen Überstunden einmal abgesehen. Diese würden in der Praxis zwar gut gehandhabt, aber anfallen würden sie eben trotzdem weiter. Einen Ausweg sieht sie nicht: „Wir müssen das alles ja irgendwie hinkriegen.“

Aktuell sucht die Praxis zwei Mini-Jober:innen, um die organisatorischen Aufgaben im Hintergrund zu übernehmen und die Mitarbeiterinnen zu entlasten. Kramm und ihre Kolleginnen haben auch die maximale Corona-Prämie von 1500 Euro bekommen.

Mara Kramm wünscht sich, dass die Politik ebenfalls anerkennt, was die Arzthelferinnen leisten. Dass sie einen angemessenen Bonus erhalten oder, besser noch, eine Erhöhung des Tariflohns. „Die Corona-Prämie bekommt man nur, wenn die Ärzte das wollen. Von oben kommt kein Zuspruch für uns. Wir werden so ein bisschen vergessen, gefühlt.“

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ist freie Reporterin des Bürgerportals. Geboren 1984, aufgewachsen in Odenthal und Schildgen. Studium in Tübingen, Volontariat in Heidelberg. Nach einem Jahr als freie Korrespondentin in Rio de Janeiro glücklich zurück in Schildgen.

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4 Kommentare

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  1. Die letzten Monate habe ich sehr mit den Ärzten und Arzthelferinnen mitgefiebert. Es tut gut etwas über das Befinden der Ärzte zu erfahren. Ich denk man kann die Allgemeinmediziner schon darin unterstützen indem man Erkältungen zu Hause auskuriert. In irgendeinem Leben wäre ich selbst Allgemeinmedizinern geworden.

  2. Mögen die BERECHTIGTEN Sorgen, Wünsche und Forderungen der Arzthelferinnen/Medizinischen Fachangestellten gehört/angehört werden!
    Sie haben aber nicht eine so laute bzw. mächtige Lobby wie andere, zB mächtige Wirtschaftsverbände wie Autoindustrie usw

    1. Ich kann zwar die Überlastung der Arzthelfer*innen gut verstehen, aber mit ihrer Kritik an der Bezahlung sind sie beim falschen Adressaten. Nicht die Politik, Kassenärztliche Vereinigung, Gewerkschaft o.ä. sind im Moment gefragt, sondern die jeweiligen Arbeitgeber, sprich der Arzt/die Ärztin – denen steht es sicherlich frei, übertariflich zu bezahlen oder Zulagen zu gewähren. Wie doch im Beitrag angeführt, wird für Impfungen genügend vergütet – und dies soll doch wohl nicht nur für die ärztliche Leistung sein!