Die Notaufnahme m Marien-Krankenhaus ist jetzt direkt mit der Notdienstpraxis der niedergelassenen Ärzte verbunden. Foto: Thomas Merkenich

Seit dieser Woche sind die Intensivstationen der drei Krankenhäuser in Bergisch Gladbach voll belegt. Stellvertretend erläutern die ärztlichen Direktoren der GFO Kliniken Rhein-Berg, warum diese dritte Corona-Welle die Intensivstationen vor ganz neue Belastungen stellt. Davon betroffen sind vor allem Patienten, die eine schwere Operation benötigen.

„Wir sehen keine alten Patienten mehr – jetzt haben wir Leute von Anfang 60 auf der Intensivstation, die eine Maximalversorgung benötigten“, sagt Gereon Schiffer, ärztlicher Direktor des Vinzenz-Pallotti-Hospitals, in einem Pressegespräch mit Stefan Machtens, ärztlicher Direktor des Marien-Krankenhauses, und Serhat Aymaz, dem neuen Chefarzt der Inneren Medizin beider GFO-Kliniken. 

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Diese relativ jungen Patienten seien widerstandsfähiger und erhielten das Maximum dessen, was therapeutisch möglich ist. Gleichzeitig gibt es aber immer noch keine Medikamente für Corona-Patienten. „Wir machen alles, was der Lunge gut tut und müssen abwarten“, erläutert Schiffer. Während andere Patienten meistens nur ein bis vier Tage auf der Intensivstationen verbringen, sind es bei Corona oft vier oder gar sechs Wochen.

Dr. Gereon Schiffer, ärztlicher Direktor des VPH. Foto: GFO

„Riesiges ethisches Dilemma“

Das erklärt, warum die begrenzte Bettenkapazität der Intensivstationen rasch aufgebraucht ist. „Wir müssen immer mehr intensivmedizinische Betreuung für immer jüngere Patienten anbieten, und es bleiben die anderen Patienten,“ sagt Machtens: „Das führt uns in ein riesiges ethisches Dilemma.“

Seit dieser Woche meldet das DIVI-Intensivregister für die vier Krankenhäuser im Rheinisch-Bergischen Kreis (neben den GFO-Kliniken das Evangelische Krankenhaus und das Krankenhaus Wermelskirchen) eine Vollauslastung. Trotz der Vorwarnungen sei er erschrocken, wie schnell das gegangen sei, sagt Schiffer: „Wir tun alles, um eine knallharte Triage um jeden Preis zu verhindern, aber wir haben schon jetzt kaum noch Spielräume.“

Denn es kommen immer wieder Corona-Patienten dazu. In den vergangenen Wochen schwankte ihre Zahl zwischen fünf und zehn in den vier Kliniken, an diesem Samstag sind es laut DIVI bereits 15. Ihr Anteil ist inzwischen auf 38 Prozent angewachsen.

Das zeigt deutlich, wie sehr die allgemeine Gesundheitsversorgung unter der Pandemie leidet. Denn bei der Aufnahme von Corona-Patienten haben die Kliniken wenig Spielraum. „Die Patienten kommen erst sehr spät ins Krankenhaus“, das gelte auch für Corona-Patienten. Daher ist relativ oft eine Intensiv-Betreuung mit einer invasiven Beatmung erforderlich.

Die Kliniken hatten im vergangenen Jahr in der ersten Welle zwar aufgerüstet, inzwischen sind sehr viel mehr Beatmungsgeräte vorhanden. Die Zahl der Betten ließe sich zwar theoretisch aufstocken – aber es gibt nicht genug Personal für die Intensivpflege. Zwar würden die Beschäftigten neu eingeteilt, um die Intensivstationen zu entlasten, berichtet Schiffer – aber auch da sind die Grenzen schnell erreicht.

Die Grafiken zeigen die Zahl der Intensiv-Patienten im Verlauf der Pandemie, links in NRW, rechts in ganz Deutschland.

Wenig Spielraum für eine Umverteilung

Eine Umverteilung der Patienten auf andere Krankenhäuser wird zwar versucht. Aber auch hier ist wenig Spielraum, denn die Städte und Kreise rund um Rhein-Berg sind zum Teil noch deutlich stärker von der dritten Welle betroffen. Daher nehmen auch die lokalen Kliniken immer mal wieder externe Patienten auf.

„Es gibt extrem viele Kooperationen. Aber wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, fasst Serhat Aymaz zusammen, der auch Intensivmediziner ist.

Damit bleibt den Kliniken nur eine Stellschraube: Die Zahl aller Operationen reduzieren, bei denen klar ist, dass die Patienten anschließend für wenigstens einen Tag auf der Intensivstation versorgt werden müssen.

Bei einigen Operationen ist das relativ unproblematisch, bei vielen anderen nicht. Das treffe vor allem die Tumorpatienten hart, sagt Machtens, der auch Chefarzt der Urologie ist. Noch habe er viele Operationen auf dem Plan stehen, die alle dringend sein – aber von Tag zu Tag müsse entschieden werden, ob sie stattfinden können.

Dr. Stefan Machtens, ärztlicher Direktor des Marien-Krankenhaus Bergisch Gladbach
Dr. Stefan Machtens, ärztlicher Direktor des MKH. Foto: GFO

Kein klares Signal der Politik

Hinzu kommen finanzielle Probleme. Ausgleichszahlungen für das Freihalten von Betten seien an bestimmte Kriterien gebunden, die der Kreis Rhein-Berg in der letzten Zeit in der Regel so eben nicht erfüllt hatte, ergänzt GFO-Regionaldirektor Stephan Muhl.

Ein klares Signal der Politik, dass die Kliniken die normalen Operationen zurückfahren sollen, fehlten in dieser sehr kritischen Situation, kritisieren Schiffer und Machtens. Daher müssten die Kliniken nun von Stunde zu Stunde entscheiden, welche Termine sie absagen – und welche sie wahrscheinlich noch durchführen können.

Gleichzeitig treibt sie eine große Sorge um. In den ersten beiden Wellen waren die Kliniken in Rhein-Berg gefordert, aber nie überlastet, selbst nicht zum Höhepunkt der jeweiligen Welle. Derzeit, so die Befürchtung der Experten, befinden wir uns aber gerade einmal im aufsteigenden Ast der Entwicklung. Wie viele Infizierte und wieviele schwer Erkrankte es noch geben wird, ist völlig offen.

Daher richtet sich der Appell der Ärzte an die Politik wie an die Bevölkerung, für klare Maßnahmen zu sorgen und sie auch einzuhalten.

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