Die Schulen der Stadt machen Ferien, so wie die Pandemie. Doch die Gefahr einer vierten Welle steht im Raum. Um gewappnet zu sein, stehen Digitalisierung und Präventionsmaßnahmen immer noch ganz oben auf der Wunschliste der Schulen. Die Erwartungen sind allerdings gering. Immerhin: Distanz- und Wechselunterricht haben auch zu positiven Effekten geführt.

„Wir wünschen uns, dass die Glasfaserverbindung schneller realisiert wird.“ Die Aussage von Rolf Faymonville (AMG) steht stellvertretend für viele Schuleiter:innen der Stadt. Kurz vor den Ferien hat das Bürgerportal die Schulen befragt: Digitalisierung ist das wichtigste Thema, und dies bereits in den zweiten Sommerferien der Pandemie.

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Frank Bäcker (DBG) wünscht sich mehr Gestaltungsspielraum. Seine Schule habe zwar Glasfaser, aber der Breitbandanschluss müsse noch in die Räume. Ob dies in den Ferien gelingt? Er glaubt nicht daran. Seiner Ansicht nach würde die Entwicklung zwischen Bund, Land und Stadt zerrieben, man sei schlichtweg zu langsam.

Bekannte Probleme, keine Lösung

Romina Matthes (Gymnasium Herkenrath) nennt flächendeckendes WLAN, Breitband und Endgeräte für alle als zentrale Themen der Agenda. „Die Praxis zeigt, dass die Mühlen leider langsam mahlen, sehr langsam“, gibt auch sie sich pessimistisch. Eine Umsetzung in den Sommerferien halte sie für utopisch.

Am Berufskolleg BKSB fehle es neben Breitband und einer WLAN-Ausleuchtung des Gebäudes an technischem Support zum Betrieb der Endgeräte, berichtet Schulleiterin Nicole Schuffert.

70 Prozent defekte Fenster am BKSB erschweren laut Schulleiterin Nicole Schuffert das Lüften erheblich

Frischluft? Fehlanzeige!

Wichtig sind den Schuleiter:innen zudem Luftreinigung und Hygiene. Nicole Schuffert berichtet von 70 Prozent defekten Fenstern, die nicht gekippt werden könnten. „Frischluft? Fehlanzeige!“ heißt es in Heidkamp. Dort gibt es nicht einmal einen Kiosk, um die Schüler:innen vor Ort zu versorgen und zum Beispiel die Ansteckungsgefahr beim Gang zum Bäcker zu minimieren. Ein eigener Kiosk sei vor drei Jahren beantragt worden.

Romina Matthes bittet in den Sommerferien um Anschaffung von Lüftern. „Wieder ein Dauerfrieren vor offenen Fenstern und ein Unterrichten mit Wärmflasche und Handschuhen kann keine Lösung sein und ist für alle Beteiligten schlicht unzumutbar.“

Diese hätten bereits vor einem Jahr ausgeschrieben und bestellt werden müssen, moniert Frank Bäcker. Geschehen sei nichts, also „werden wir weiter mit offenen Fenstern und Masken und Händewaschen durchhalten müssen.“

Auch für Rolf Faymonville sind Lüfter noch nicht in Sicht, wenn auch aus anderen Gründen. Es fehle schlichtweg an Handwerkern, die in den sechs Wochen der Ferien die erforderlichen Arbeiten erldigen könnten. „Vielleicht klappt das besser, wenn die Stadt zügig die Schulbaugesellschaft realisiert“, so seine Hoffnung.

Das Abertus-Magnus-Gymnasium in Bensberg. Foto: Thomas Merkenich

Impfung für Schüler:innen

Karl-Josef Sulski (OHG) bringt ein weiteres Thema auf. Wegen neuer Virusvarianten plädiert er für eine rechtzeitige Vorbereitung auf die neue Corona-Welle. „Was es auch braucht, um den Präsenzunterricht durchzuführen, sollte initiiert werden.“ Und falls die medizinischen Erkenntnisse eine gute Verträglichkeit der Impfungen bei den Schüler:innen zeigen würden, solle man diesen so schnell wie möglich ein Angebot machen können.

In Kombination mit einem Wechsel auf die so genannten PCR-Pool-Tests sieht er einen effektiven Schutz vor der Pandemie. Lüfter würden indes überschätzt. „In den Bussen und Bahnen auf dem Schulweg sind sie ebenso wenig vorhanden wie auf den „Begegnungsflächen“ einer Schule“, macht Sulski deutlich.

Die Otto-Hahn-Schulen sind frisch saniert und gut ausgestattet.

Fokus Präsenz, Distanz wenn nötig

Präsenzunterricht sei als beste Schulform ein hohes Gut, erklärt Rolf Faymonville. „Aber die Sicherheit und Gesundheit aller am Schulleben beteiligten Menschen ist auch ein hohes Gut. So muss klug abgewogen werden, was pandemisch verantwortlich ist“, so seine Einschätzung von Präsenz- und Distanzunterricht. Es müsse nicht immer alles einheitlich geregelt werden, eher klug und sinnvoll.

„Lieber Präsenzunterricht und dann gegebenenfalls eine kurze und vollständige Umschaltung auf Distanzunterricht“, ist sich Karl-Josef Sulski sicher. Erst wenn sich die Kinder auf absehbar lange Zeit nicht sehen würden, wäre Wechselunterricht eine Alternative.

Wenn es aus wissenschaftlicher Sicht notwendig sei, würde auch Frank Bäcker am DBG zum Schutz der Kinder wieder in den Distanzunterricht gehen. Aber: „Sicher wäre gefahrloser Unterricht vor Ort möglich, wenn man politisch früher gehandelt hätte“, so seine Kritik aus rund 15 Monaten Erfahrung mit Schule in Corona-Zeiten.

Soziale Bindungen nicht vernachlässigen

Lieber Distanz als Wechsel, so das Fazit von Nicole Schuffert, wenn auch die Schüler:innen aufgrund der mangelhaften Infrastruktur nicht ausreichend eingebunden werden konnten.

Romina Matthes weist nochmals auf die soziale Komponente hin: „Selbst der beste Distanz- oder Wechselunterricht kompensiert nicht den alltäglichen, direkten Umgang im regulären Präsenzunterricht. Schule ist eben eindeutig mehr als nur Lernen und Wissensaufnahme“, meint sie. Wichtig sei die emotionale Stütze und der Austausch der Schüler:innen untereinander, sowie die persönliche Bindung zu Lehrer:innen, die eben mehr als reine Wissensvermittler seien.

Digitales Lernen? Ja, aber…

Trotz mangelhafter Infrastruktur: In den vergangenen Monaten aus Wechsel- und Distanzunterricht hätten die Schulen ihre Kompetenzen in punkto digitales Lernen ausgebaut, so das Fazit der Schulleiter:innen. Ein positiver Effekt der Pandemie – wenn man überhaupt davon sprechen will.

Digitale Medien würden intensiver genutzt, erklärt Rolf Faymonville. Die Schüler:innen seien selbständiger geworden, würden Verantwortung für ihren Lernprozess übernehmen. „Das gelingt freilich nicht allen. Daher muss darauf geachtet werden, niemanden „abhängen“ zu lassen und von Lehrerseite an den Schülern dran zu bleiben“, so der Leiter des AMG.

Das Distanzlernen wird an den Schulen mittlerweile differenzierter eingesetzt (Foto: Video-Unterrichtsraum am NCG)

Home Schooling mit geringerer Lernqualität

Auch die sozialen Kompetenzen der Schüler:innen hätten sich positiv entwickelt. Rolf Faymonville (AMG) macht dies zum Beispiel am freiwilligen Tragen der Masken fest, als die Pflicht auf dem Schulhof ausgesetzt worden sei. „Weil sie kein unnötiges Risiko eingehen wollten kurz vor den Ferien!“

Am OHG blicke man mittlerweile differenzierter auf den Online-Unterricht, bilanziert Karl-Josef Sulski (OHG). Von pauschalen Aussagen wie „Mehr Videochats“ sei man weg, schaue differenzierter auf den digitalen Unterricht, nutze die Möglichkeiten des Internets variabel und je nach Aufgabenstellung.

Manche Erkenntnisse des Digitalen würden Einzug in den normalen Unterricht halten. Aber auch negative Erfahrungen beim Digital-Unterricht: „So stellen wir beispielsweise fest, dass das zuhause Gelernte bei weitem nicht so gut vernetzt wie das in sozialer  Gemeinschaft Erlernte.“ Eine App ersetzt nicht den qualitativ hochwertigen Unterricht – das meint auch Romina Matthes (Herkenrath).

Weg vom Bulimie-Lernen

Eine Rückkehr zum Status vor Corona wäre für Schulen fatal, meint Frank Bäcker vom DBG. Corona habe doch gerade die Schächen des Bildungssystems offengelegt. Schüler:innen müssten seiner Auffassung nach das selbständig Arbeiten lernen, in der Kultur des Digitalen ankommen. Er will weg vom „Bulimie-Lernen“, das den Kindern bloß den Stoff eintrichtert. Kreativität, Kolaboration, kritisches Denken seien essentiell.

Seine Forderung: „Schulen müssten die „digitalsten Orte“ der Stadt sein, gleichzeitig aber Möglichkeiten der Entfaltung und des konkreten Erlebens bieten: Im sportlichen, im künstlerischen, im musischen Bereich.“ Dies könne man mit Rezepten, die den Grundstrukturen und Kerngedanken der Anforderungen der Industriealisierung genügen, nicht erreichen.

Das dezentrale, selbständige, digitale Lernen während des Lockdown scheint für das DBG in die richtige Richtung zu gehen. Für die Realisierung ist aber, wie könnte es anders sein, eine funktionierende Breitband-Infrastruktur notwendig. Siehe oben.

Aufmacherbild: Engin Akyurt auf Pixabay

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ist Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals.

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1 Kommentar

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  1. Ein interessanter Artikel: Ich habe den Eindruck, dass es den Schulen nicht an Kreativität im situationsbezogenen Umhang mit der Pandemie mangelt- nur dass man nach knapp 1,5 Jahren Pandemieerfahrung noch mehr Tempo bei Breitbandausbau und Lüftungseinrichtung einfordern muss, ist einfach beschämend für die Politik. Wie schön wäre es, wenn jemand in die Politik käme, von den ganzen bürokratischen Hürden nichts wüsste und die Themen einfach zügig umsetzen würde…