Ein sehr großer Teil der Apotheken in Bergisch Gladbach folgt dem Aufruf ihres Berufsverbandes ABDA und bleibt am Mittwoch geschlossen. Damit wollen die Inhaber:innen auf wirtschaftliche Sorgen, Lieferengpässe, Nachwuchsprobleme und bürokratische Auflagen hinweisen, die das Apotheken-Sterben beschleunigen. Womit auch die Beratung und Versorgung der Bürger:innen in Gefahr gerate.
Apothekerinnen und Apotheker sind immer noch mit dem Vorurteil konfrontiert, sehr gut zu verdienen, sich in der Corona-Krise womöglich eine goldene Nase geholt zu haben. Doch die Realität sieht anders aus, viele Inhaber:innen in Bergisch Gladbach fürchten um ihre Existenz, sind kampf- und jetzt sogar auch streikbereit.
Fast alle Apotheken, die auf eine Umfrage des Bürgerportals geantwortet haben, werden am 14. Juni geschlossen bleiben und sich dem Streikaufruf der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) anschließen.
Hintergrund: Anlass ist der Entwurf der Bundesregierung für ein Lieferengpass-Gesetz. Damit will die Ampel die Arzneimittelversorgung stabilisieren, geht nach Ansicht der Apotheker bei weitem nicht weit genug. Daher hat die ABDA den 14.6. zum Protesttag aufgerufen und einen Forderungskatalog mit zehn Punkten vorgelegt.
Wir haben mit Apotheker:innen hier in Bergisch Gladbach gesprochen. Ihnen geht es um eine bessere Vergütung ihrer Arbeit, aber auch um den Abbau von Bürokratie, Haftungsrisiken und Lieferengpässen – die die öffentlichen Apotheken immer stärker belasteten und die sichere Versorgung der Bevölkerung gefährdeten.

Politische Fehlentscheidungen und Unterlassungen hätten für eine ebenso komplexe wie toxische Mischung gesorgt, sagt Markus Kerckhoff von der Schlossapotheke in Bensberg. Für ihn sei es offensichtlich, dass das System der öffentlichen Apotheke inzwischen insgesamt in Gefahr ist: „Die Gesellschaft muss sich entscheiden, ob ihr diese Versorgung wichtig ist oder nicht – wir sind am Ende angelangt.“
Der Kern des Problems: Öffentliche Apotheken sind private Unternehmen, doch Aufgaben, Versorgungspflicht und der Preis werden vom Staat diktiert. Die Preise der Medikamente sind zwar hoch, seien aber „Mondpreise“, sagt Kerckhoff. Am Ende blieben für die Apotheke oft nur gut sechs Euro pro Packung, wovon alle Kosten finanziert würden.
Und diese Vergütung ist seit 2004 nur ein einziges Mal 2013 minimal (um 20 Cent) erhöht worden. Mit den frei verkäuflichen Produkten könnten die Apotheken wenig reißen, sie machten in der Regel nur 20 Prozent des Umsatzes aus.
Hinweis der Redaktion: Markus Kerckhoff hat die Problemlage in einem sechsseitigen, gut verständlichen Positionspapier aufgeschrieben, das wir weiter unten dokumentieren.

Karl-Alfred Scholz, Inhaber der Linden Apotheke in Refrath, führt die Lieferengpässe bei Medikamenten als Beispiel an, wie sehr die verschiedenen Missstände ineinander greifen:
„Das gefährdet nicht nur die Versorgungssicherheit, sondern bedeutet auch einen erheblichen Mehraufwand. Bei unseren intensiven Recherchen, knappe Medikamente zu besorgen, müssen wir oft auch die Arztpraxen einbinden. Dadurch bleibt uns allen weniger Zeit für die Patienten und deren Beratung. Wir müssen mit immer mehr Lieferanten zusammenarbeiten auf der Suche nach Alternativpräparaten, was wiederum mehr Zeit und höhere Kosten bedeutet. Und das alles immer unter dem Damoklesschwert des Fachkräftemangels.“
Scholz betont, das er die durch die Politik verursachten Probleme nicht auf dem Rücken der Kund:innen austragen, doch die Apotheken hätten „schon viel zu lange den Mund gehalten“.
Zu diesem Schritt haben sich alle drei Apotheken in Refrath gemeinsam entschlossen. Dazu gehört auch Frank Klingauf von der St. Johannis Apotheke. Er konstatiert, dass das Bundesgesundheitsministerium offenbar immer noch glaube, den Apotheken gehe es doch gut. Das vorgeschlagene Botendiensthonorar sein nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, bei bei Weitem nicht kostendeckend und werde das Apothekensterben nicht bremsen.
Apothekensterben vor Ort: Im Rheinisch-Bergischen Kreis ist die Zahl der Apotheken in den vergangenen zehn Jahren um 12 auf jetzt noch 54 zurückgegangen. In Bergisch Gladbach ist die Versorgung mit rund 20 Apotheken insgesamt noch sehr gut, aber auch hier gibt es starke regionale Unterschiede: auf der Schlossstraße oder auf der Odenthaler Straße gibt es jeweils drei Apotheken, in anderen Stadtteilen fehlen sie ganz.
Und auch in Bergisch Gladbach sind in den vergangenen zwei Jahren zwei Apotheken verschwunden: Die Hirschapotheke im Laurentiusviertel und die Bahnhofsapotheke in der Fußgängerzone. In der Innenstadt sind lange Warteschlangen daher schon fast die Regel.

Damit stehen die Refrather nicht allein. Fast alle Apotheker:innen und Apotheker, die auf eine Umfrage des Bürgerportals reagiert haben, werden am 14. Juni streiken. Eine Ausnahme ist Abdul-Matin Hafizi, der die Parkapotheke und die Bären Apotheke in der RheinBerg Galerie betreibt – und auf eine Verpflichtung gegenüber dem Einkaufscenter verweist.
Aber auch Hafizi teilt die Forderungen der Streikenden voll und ganz: „Die Kunden erwarten immer mehr von uns, die Kosten steigen, es gibt kein Personal – die Politik muss handeln.“
Einen konkreten Vorschlag hat Christoph Odendahl von der Adler Apotheke in Bensberg: Um aus der Kostenfalle zu kommen sei eine Dynamisierung der Vergütung notwendig, etwa durch die Kopplung an einen Preisindex, wie bei Vermietungen. Auch Odendahl lässt seine Apotheke am 14. Juni zu.
Notdienst: Auch am 14. Juni sind nicht alle Apotheken in Bergisch Gladbach geschlossen. Den Notdienst gewährleistet an diesem Tag die Antonius-Apotheke in Herkenrath.

Karoline von Petersenn (Elefanten-Apotheke in der Innenstadt) wiederholt die Argumente der Kolleg:innen, weist aber besonders auf das Nachfolgeproblem hin: „Junge PTA und Apotheker:innen sehen nur noch sehr selten eine berufliche Perspektive in der öffentlichen Apotheke und somit haben wir ein riesiges Nachwuchsproblem.“
Auch der großen Elefanten-Apotheke falle es immer schwerer, den (steigenden) Erwartungen der Patient:innen gerecht zu werden. Die Lieferengpässe, ausgelöst durch eine übertriebene Sparpolitik, sorgten oft für lange Wartezeiten und damit für Unmut bei den Betroffenen.
Für die Mitarbeiter:innen, die sich um Alternativen bemühten, bedeuteten die Engpässe viel Aufwand und Stress. Zunächst müssen Alternativen gesucht und abgeklärt werden, dann müssen die Patient:innen mit ausführlichen Erklärungen und minutiösen Beschriftungen versorgt werden – und dennoch bleib gerade bei älteren Betroffenen die Sorge, dass etwas schief laufen könne.
All das führe zu unzufriedenen und gestressten Mitarbeitenden – die neben einer hohen Stressresistenz ohnehin viel Empathie aufbringen müssten. Von der Politik, sagt von Petersenn, fühle sie sich nicht nur im Stich gelassen, sondern „regelrecht verhöhnt“.
Darum werde auch sie streiken, sagt von Petersenn: „Wir wollen die Apotheke vor Ort erhalten! Sie ist die einzig richtige, niederigschwellige und persönliche Form der Patientenzuwendung: Ansprache, Nachfrage, Klärung und Erklärung – und damit Sicherheit für die Patienten.“
Dokumentation
Markus Kerckhoff (Schlossapotheke) hat die Problemlage in einem ausführlichen und gut verständlichen Positionspapier zusammengetragen, die wir im folgenden dokumentieren: