Tomás M. Santillán DIE LINKE. Bergisch Gladbach

Tomás M. Santillan – fraktionsloses Ratsmitglied für die Basisgruppe Die Linke Bergisch Gladbach

Der früherer Fraktionvorsitzender der Linken im Stadtrat (2009-2014) Tomás M. Santillán ist zwar als Nachrücker wieder  im Stadtrat, von der Fraktion der Linken bleibt er jedoch ausgeschlossen. Als fraktionsloses Ratsmitglied wird er von der Basisgruppe Die Linke Bergisch Gladbach unterstützt und beantwortet die Fragen des Bürgerportals zu den anstehenden Haushaltsberatungen.

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Von welchen Prinzipien lassen Sie sich bei den Konzepten zur Haushaltskonsolidierung leiten? Was ist das konkrete Ziel der diesjährigen Etatberatungen?
Santillán: Politik muss sich nach dem Menschen richten und nicht die Menschen nach der Politik. Nach Jahrzehnten der Misswirtschaft hat die Stadt nun einen Haushaltssicherungskonzept vorgelegt, das zu einen Schuldenberg von einer halben Milliarde Euro  führen wird. Trotzdem gibt man Millionen für Prestigeprojekte und Geschenke an Freunde aus.

Gleichzeitig werden soziale und kulturelle Aufgaben so stark gekürzt, dass unser Zusammenleben in der Stadt gefährdet ist. Wenn es aber um 60.000 Euro für einen Sozialpass an bedürftige Familien geht, wird behauptet, dass kein Geld da sei. Die Nutznießer dieser unsozialen und ungerechten Finanz- und Steuerpolitik sind diejenigen, die eh schon alles haben.

Wir benötigen eine gerechte Verteilung der Steuerlast. Diejenigen, die viel haben, können auch mehr bezahlen. Wir brauchen eine faire Umverteilung zu Gunsten von Jugend, Senioren, Kindern, Kultur, Soziales, Schule und Sport. Wir brauchen eine Steuerreform, welche die Kommunen endlich so stellt, dass sie ihre Aufgaben im Interesse der Menschen erfüllen können.

Welche Maßnahmen nehmen Sie in den Blick, um die Ausgaben zu kürzen?
Sicher gibt es Haushaltspositionen, die nicht benötigt werden – aber grundsätzlich darf nicht weiter gekürzt werden. Die Stadt ist schon längst an einem Punkt angekommen, bei dem weitere Kürzungen eine Zerstörung unseres Gemeinwesens bedeuten. Stattdessen müssen wir den Haushalt ökologiosch und sozial gerecht ausbauen. Die neoliberal Auffassung, dass der Staat immer Ausgaben kürzen müsste, lehne ich ab, denn sie folgenden einem unmenschlichen Leitbild, welche eine unsoziale Entstaatlichung und Privatisierung vorantreibt. Dabei sollen lukrative Arbeitsfelder, in der heute die Kommunen arbeiten, kommerzialisiert werden, um sie im Interesse von privaten Investoren wirtschaftlich zu verwerten.

Lesen Sie mehr, vergleichen Sie:
Alfa: „Über den kommunalen Tellerrand hinausblicken”
Grüne: „Warum nicht Bücherei in die Villa Zanders legen?”
FDP: „Stadt muss mit Steuersätzen auskommen”
CDU: „Über höhere Steuern reden wir zum Schluss”
SPD: „Keine Steuererhöhung ohne spürbare Einsparungen”
Kämmerer Jürgen Mumdey: „BGL sanieren? Machbar“
Zur Info: Die Fraktion der Linken hat auf unsere Anfrage nicht reagiert; für Frank Samirae (Bürgerpartei) war das „Frageraster nicht differenziert genug”

Gibt es Möglichkeiten für strukturelle Reformen, die den Etat entlasten?
Statt eines weiteren Rückzugs aus städtischen Aufgaben, fordere ich eine bessere Ausstattung der kommunalen Haushalten aus dem Steuersäckel. Dabei geht es nicht nur um eine bessere Verteilung von Bund und Land zu Gunsten der Kommunen, sondern auch um Erhöhungen bei kommunaler Steuern, die die Stadt selbst bestimmen kann. Außerdem müssen Steuergeschenke an die „Freunde“ und „Vettern“, wie sie seit Jahrzehnten der CDU-Mehrheiten in dieser Stadt üblich geworden sind, endlich beendet werden.

Welche Maßnahmen würden Sie nur als Ultima Ratio erwägen?
Eine Schließung der Museen und „Sprengung“ der Villa Zanders, denn allein die Villa Zanders verbraucht Haushaltsmittel von fast einer halben Million Euro und ist doch nur ein elitäres Prestigeobjekt für einen kleinen Teil der Bürgerinnen und Bürger.

Eine „Sprengung” der Villa oder des Kulturetats will sicher niemand, denn das würde endgültig deutlich machen, welche Misswirtschaft die Große Koalition aus CDU & SPD den Bürgerinnen und Bürgern zumutet. Auch die Verstaatlichung von Krüger und Zanders, damit diese endlich wieder Steuern in Bergisch Gladbach bezahlen, werden wohl eher nicht umgesetzt werden, um die Kosten für Kultur & Soziales zu finanzieren. Eher provokative Ansätze und Ideen zum Thema “Ultima Ratio”.

Welche Ausgaben würden Sie auf keinen Fall antasten?
Besonders die Ausgaben bei Kultur, Sport, Kinder-, Jugend, Senioren und Soziales. Gerade hier wurde in den letzten Jahren durch CDU, FDP, Grüne und SPD massiv gekürzt und der Erfolg ist eher zweifelhaft, denn diese Kürzung haben an anderer Stelle neue Ausgaben erzeugt, die die Folgen verdecken sollen. (z.B.: Zäune um die Schulen, Drogenhilfe, Jugendarbeitslosigkeit, …)

Wo sehen Sie Möglichkeiten, die Einnahmen zu erhöhen?
Faire und sozialverträgliche Anhebung der Gewerbe- und Grundsteuer. Außerdem fordere ich die Einführung einer maßvollen Vermögensteuer als kommunale Steuer. Eine solche Vermögensteuer ist allerdings nicht in der Zuständigkeit der Stadt und muss über ein Gesetzgebungsverfahren eingeführt werden.

Leider betrifft dies auch das Konnexitätsprinzip, welches von Bund und Land sträflich und zu Ungunsten der Kommunen missachtet wird. Tatsächlich aber sind es die gleichen Parteien die in Bundes-, Landesregierung und in dieser Stadt das Sagen haben, ohne dass man dieses wirksam ändert. Statt die Kommunen durch eine gerechte Verteilung der Steuereinnahmen endlich zu entschulden, wie sie es seit Jahren in bunten Wahlkampfblättchen versprechen, zwingen genau die gleichen Parteien die Städte und Gemeinden zu unsozialen Kürzungen und kommerziellen Privatisierungen und erzählen uns das Märchen, dass nicht genug Geld da sei. An andere Stellen wird aber dieses Geld zum Fenster rausgeworfen.

Ist es sinnvoll, Steuern zu erhöhen?
Seit Jahren müssen nur der Mittelstand und die Geringverdienen die Lasten tragen, während bei den große Vermögen, Großverdienern und Superreichen die Steuern gesenkt werden. Diese müssen endlich zur Kasse gebeten werden, denn sie profitieren im besonderen Masse von der kommunalen Infrastruktur.

Wenn ja, welche und in welchem Umfang?

Santillán: Ich fordere die Anhebung der Grundsteuer von 490 auf 600 Punkte. Bergisch Gladbach investiert seit Jahren in den Ausbau der gewerblichen Infrastruktur. Hier muss mehr passieren. Über eine leichte Anhebung der Gewerbesteuer auf das Niveau der Nachbargemeinden sollte nachgedacht werden, um die Einnahmen zu verbesseren.

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Was wäre zum Thema Haushalt, HSK, Neuordnung der Finanzen, noch zu sagen?
Das Vorhaben der großen Koalition zukünftig nur noch Doppelhaushalte (also Haushalte für zwei Jahre) einzubringen ist abzulehnen. Tatsächlich ist es „vornehmste“ demokratische Pflicht des Stadtrats einen solchen Haushalt 1x im Jahr zu diskutieren, zu überprüfen und neue aufzustellen. Dafür haben die Bürgerinnen und Bürger dieses lokale Parlament eigentlich gewählt. Mit der Durchsetzung eines Doppelhaushalts durch die große Koalition aus CDU & SPD wollen und werden diese die Beteiligung der „Opposition“ formal legal aber trotzdem undemokratisch aushebeln.

Damit wird auch das Selbstverständnis dieser Koalition deutlich. Wer schon die parlamentarische Opposition kalt ausblendet, hat tatsächlich kein Interesse an mehr Bürgerbeteiligung oder direkter Demokratie in dieser Stadt. Mit mehr Bürgernähe hatten zwar alle Parteien und besonders die SPD ganz groß Wahlkampf gemacht, doch tatsächlich hat sich in diesem Punkt nichts in dieser Stadt bewegt, auch wenn in der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und SPD wörtlich die Ziele formuliert hat,„bürgerschaftliche Partizipation durch geeignete Informationen, transparentes Verwaltungs- und Politikhandeln zu fördern und im stetigen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern sein zu wollen“.

Schon im Haushalt 2015 war zu erkennen, was die CDU & SPD unter Partizipation verstehen. Tatsächlich wurde dort umfassend auf Module für mehr Bürgerbeteiligung verzichtet. In keiner Haushaltsposition war auch nur ein Ansatz für neue demokratischer Partizipationsformen zu finden. Das fehlte schon im Haushalt 2015 und ohne Finanzierung ist „mehr Demokratie“ erstmal auf Eis gelegt. Man gewinnt den Eindruck, als hätte das Thema „Partizipation“ im Wahlkampf 2014 nicht stattgefunden.

Hatte der ehemalige Bürgermeister Klaus Orth 2007 versucht Bürgerbeteiligung in die Haushaltsdiskussion einzubringen, fehlt diese Möglichkeit für mehr Transparenz und Demokratie auch in diesem Jahr wieder vollkommen. Die Ratsmehrheit aus SPD & CDU lehnt seit Jahren einen Bürgerhaushalt ab.

Man reduziert Partizipation auf die Möglichkeit, dass man ja Vorschläge per Mail einreichen darf. Bei diesem Vorschlagswesen, welches nur von einer kleinen Zahl von Bürgern wahrgenommen wird, geht es ausschließlich um Sparvorschläge und nicht um eine grundsätzliche Änderung der Prioritäten. DIE LINKE Basisgruppe Bergisch Gladbach fordert einen demokratischen Bürgerhaushalt, an dem sich alle Bürgerinnen und Bürger beteiligen und einbringen können und auch offen über eine Neuausrichtung diskutiert werden kann.

Bergisch Gladbach benötigt massive öffentliche Investitionen in den sozialen Wohnungsbau. Obwohl seit Jahren bekannt ist, dass es zu wenige Wohnungen für die Menschen mit geringen Einkommen in dieser Stadt gibt, wurde dieser Notstand sowohl von der Stadtverwaltung als auch von der Rheinisch-Bergischen Siedlungsgesellschaft (RBS) bewusst ignoriert und verschlafen. Benötigt wird ein langfristig durchdachtes Konzept um bezahlbaren Wohnraum für alle auch kurzfristig bereitzustellen. Wir brauchen in den nächsten Jahren mind. 700 neue Wohnungen (besser mehr) und mind. 300 zusätzliche Plätze in Notunterkünften.

Die Anteile an der Rheinisch-Bergischen Siedlungsgesellschaft (RBS) sollte die Stadt an die anderen kommunalen Miteigentümer verkaufen, denn die RBS hat sich in den letzten Jahren als ärgerliches Hindernis erwiesen und ist völlig unfähig, um das akute Wohnungsproblem der Menschen in dieser Stadt zu lösen.

Der Plan für eine eigene städtische Wohnungsbaugesellschaft geht in die richtige Richtung, allerdings könnte diese Aufgabe auch durch die vorhandene Stadtentwicklungsgesellschaft SEB übernommen werden, wenn man sie dazu ertüchtigen würde.

Die Anforderungen an die Stadt mehr Menschen in unser Gemeinwesen zu integrieren steigen deutlich an. Der kommunale Integrationsrat ist die legitime und gewählte Interessenvertretung der Einwohner in dieser Stadt ohne deutsche Staatsangehörigkeit, doch er verfügt über viel zu geringe Mittel, um seine Arbeit angemessen durchzuführen. DIE LINKE Basisgruppe Bergisch Gladbach fordert die Aufstockung des Budget des Integrationsrats auf mind. 25.000 € / jährlich.

Auch wenn der Bereich Jugend und Soziales im städtischen Haushalt einen großen Teil des Budgets nutzt, besteht gerade dort erheblicher Personalmangel und die dortigen Mitarbeiter werden zu stark beansprucht. Gerade dort benötigen wir eine merkliche Personalaufstockung, damit dieser Bereich den gewachsenen Anforderungen gerecht werden kann.

Der Stellenplan benötigt insgesamt einen Personalzuwachs, denn die Belastungen der Mitarbeiter sind zu hoch. Der falsche aber jahrelang geltende Personalkostendeckel zeigt nun seine verheerende und sehr teure Wirkung in massiver Arbeitsüberlastung in manchen Bereichen und hohe Krankenstände bei den Mitarbeitern, welche bis in leitende Funktionen der Verwaltung hineinreichen.

Wir brauchen eine offensive Förderung der Stadtentwicklung, welche nicht nur einen preistreiberischen und unsozialen Ausverkauf städtischer Grundstücke zu Höchstpreisen umsetzt, sondern ein neues Investitionsklima schafft. Die gewerbliche Entwicklung nach althergebrachter alter und flächenverbrauchender Industriepolitik stößt an ihre Grenzen und zertört die Umwelt und die Wohnqualität dieser Stadt gegen den erklärten Willen der Bürgerinnen und Bürger. Diese überholte Politik alten Denkens muss endlich ersetzt werden durch eine moderne, ökologische und nachhaltige Wirtschaftsförderung, welche neue Zukunftsperspektiven für die Menschen und das Gewerbe in dieser Stadt eröffnet.

des Bürgerportals. Kontakt: info@in-gl.de

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