Der Turbokreisel an der Schnabelsmühle ist fertig, Verkehrsplaner und Bauherren sind mit ihrem Werk zufrieden. Kritik weisen sie zurück – und setzen jetzt auf einen schnellen Lernprozess. So oder so gebe es eine deutliche Verbesserung für Verkehr und Stadt.
Seit Pfingsten ist der neue Kreisverkehr vor der Villa Zanders weitgehend frei gegeben, jetzt sind auch die Restaufgaben im Umfeld weitgehend erledigt und damit ist Zeit für ein erstes Fazit. „Hier gab es früher eine Ampellösung, die für keinen Verkehrsteilnehmer befriedigend war”, sagt Stadtbaurat Harald Flügge. „Jetzt haben wir eine sehr, sehr gute Lösung, die funktional und Stadt-freundlich ist.”
Flügge gesteht zu, dass es bei dem Neubau im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutzprojekte „Strunde hoch vier” nicht um eine Lustaufgabe, sondern um eine Pflichtaufgabe gehandelt hat. Am Ende profitierten jedoch alle: Der Verkehr laufe reibungsloser, die Parkpalette sei im Bewusstsein näher an das Stadtzentrum heran gerückt und die Villa Zanders, die früher hinter einer Mauer verborgen war, genießt nun eine hervorgehobene Stellung am Stadteingang.
Von Seiten der Autofahrer und vor allem der Radfahrer gibt es noch viel Kritik, aber sowohl die Verkehrsplaner wie der Strundeverband sind überzeugt, einen gut funktionierenden Kreisverkehr gebaut zu haben. „Wir sind die ersten, die ein so innovatives Bauwerk in Deutschland realisiert haben; ich bin überzeugt, in ein paar Jahren wird es viele Nachahmer geben”, sagt Martin Wagner, Geschäftsführer des Strundeverbands.
An einigen Stellen habe man Kompromisse eingehen müssen, räumt Michael Günther ein, der das Projekt als Verkehrsplaner der Stadt betreut hat. Aber mit einer Portion gegenseitiger Rücksichtnahme und einer Eingewöhnung werde der Turbokreisel gut funktionieren. Wobei Turbo in diesem Fall nicht unbedingt Tempo heißt: „Turbokreisel heißt es wegen der Form einer Turbinenschaufel, nicht weil man noch schneller durchfahren kann.“
Das habe sich in den vergangenen Wochen bereits gezeigt. Auch die Eingliederung des Busverkehrs aus Richtung Markt laufe weitgehend reibungslos. Die Busse haben keine Vorfahrt, weil die Busspur nur den Rang einer Privatstraße hat, und müssen sich die Einfahrt mehr oder weniger erzwingen; das ließen die Autofahrer in der Regel auch zu.
Ein vernünftiges Miteinander sei auch für das Verhältnis zwischen Auto- und Radverkehr wichtig. Die Entscheidung, dass Radfahrer nicht in den Kreisel einfahren dürfen sondern auf den rot markierten Furten außen herum geleitet werden und dort Vorrecht vor dem Autoverkehr genießen, habe man sehr bewusst und nach intensiven Diskussionen mit allen Beteiligten getroffen, auch mit der Polizei und der damaligen ADFC-Führung.
Die Radaktivisten in der neuen ADFC-Führung und bei der Initiative ProVelo fordern statt dessen, die Fahrbahn für sichere Radfahrer frei zu geben. In einem Turbokreisel mit getrennten Fahrspuren sei das sogar sicherer als bei einem normalen Bauwerk.
Bei Kreisverkehren mit mehr als 20.000 Autos pro Tag lasse das Regelwerk aber keine andere Entscheidung zu, sagte Günther. An der Schnabelsmühle werden täglich rund 30.000 Autos gezählt. Sollte es zu einer Häufung von Unfällen kommen werde man auch diese Entscheidung noch einmal prüfen. Die Stadt hatte bereits nachgebessert und die Vorfahrt-Achten-Schilder neu platziert.
Ebenfalls nachträglich aufgetragen wurden auffällige Richtungspfeile auf den Radwegen, damit kein Radler aus Versehen zum „Geisterfahrer“ wird. Allerdings fahren gerade vor dem Stadthaus immer noch viele Radfahrer gegen die Richtung in Richtung Innenstadt.
Kritisiert wurde von Radfahrern die Gestaltung der Rampen, die auf die rot markierten Radwege am Kreisverkehr führen. Wer auf der Bensberger Straße links an der Parkpalette vorbei fährt muss zum Beispiel in einer Kurve auf engstem Raum auf die Rampe auffahren. Dies sei ein Kompromiss, der aber vertretbar sei. Wenn hier eine großzügigere Lösung geschaffen werde soll müssten Fundamente der Parkpalette aufwendig beseitigt werden.
Das alte Parkhaus führt auch auf der gegenüberliegenden Seite zu einer merkwürdigen Lösung: An der Straße rechts in Richtung Gnadenkirche gibt es zunächst einen Rad- und Gehweg, der abrupt in eine Straßenfahrspurt endet und kurz vor dem Kreisverkehr wieder in einem breiten gepflasterten Gehweg mündet.
Stückwerk: Hier wird der Rad- und Fußweg auf der Asphaltspur markiert. Der Bereich gegenüber der Parkpalette war bei der Planung ausgespart worden
Dieser Bereich sei bei der Planung ausgespart worden, weil unklar war, was aus der Parkpalette wird. Auch hier könnte nachgebessert und die Lücke von rund 150 Metern geschlossen werden – aber dafür gibt es derzeit kein Geld.
Im Moment ist die rechte Fahrspur noch mit Baken abgetrennt, hier wird in der kommenden Woche jedoch ein Rad- und Fußweg auf der rechten Fahrbahn markiert, kündigte Günther an.
Die Umweltspuren (für Busse und Radfahrer) entlang der Schnabelsmühle und dem Forumpark bis zur Gnadenkirche werden im Herbst eingerichtet.
Gebaut wird in den nächsten Tagen noch vor dem Stadthaus in Richtung Poststraße; hier werden Fahrbahn und Gehweg erneuert.
Nicht beseitigt wurden einige Übergänge und Kanten, die Radfahrer in Schwierigkeiten bringen könnten (siehe Foto oben). Andere Kanten sind hingegen gewollt.
Der gesamte Kreisverkehr ist barrierefrei gebaut; für Blinde gibt es Leitsysteme, daher gibt es an den Fußwegen und Übergängen bis zu sechs Zentimeter hohe Kanten.
Das Projekt Kreisverkehr lief in den letzten Monaten reibungslos, war jedoch beim Start durch den Fund von Altlasten, die aufwendig geborgen und entsorgt werden mussten, gebremst worden. Das führte zu Mehrkosten von rund einer Million Euro und einigen Monaten Verzögerung bei der Fertigstellung.
Ob und in welchem Umfang die Stadt sich diese Kosten beim Verursacher Zanders zurückholen kann oder ob sich der Fördermittelgeber Bezirksregierung an den Kosten beteiligt, ist noch offen.
Unabhängig davon seien die Baukosten weitgehend im geplanten Rahmen geblieben, sagte Günther. Ursprünglich war das Bauwerk mit 1,3 Millionen Euro veranschlagt und vom Stadtrat verabschiedet worden. Doch bei der Ausschreibung stellte sich heraus, dass die Bauarbeiten nicht für unter 1,9 Millionen Euro zu haben sind.
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Ich stelle mir das super Sicher vor, wenn ich die Bensberger Straße herabfahre und dann kurz vor dem Kreisel aus Tempo 30 innerhalb von 3 Metern auf Schrittgeschwindigkeit herunterbremsen muss.
Aber da es in Gladbach nur ortskundige Rad- und Autofahrer gibt, weiß ja jeder, was auf einen zukommt.
Ich bin gespannt ob die eingesparten 150 Meter von Fußgängern und Radfahrern akzeptiert werden. Die Zauberwaffe Markierung schlägt auch hier wieder zu. Rein optisch und gestalterisch für das Herzstück einer Stadt ein absolutes Armutszeugnis. Auf ein paar 10.000 Euro mehr wäre es jetzt auch nicht wirklich angekommen. Ob ich den Lückenschluss noch erlebe?
Unter Barrierefrei verstehe ich etwas anderes als 6 cm Kanten. Leitlinien sind wichtig für Sehbehinderte Menschen und in der heutigen Zeit Standard. An gewissen stellen Kanten zu verbauen ebenfalls. Doch warum müssen Gehbehinderte Menschen, für die 6 cm schon eine echte Hürde darstellen, hier das nachsehen haben? Für diesen Personenkreis ist es eben nicht Barrierefrei. Ebenfalls für den Radverkehr sind diese nicht ganz ungefährlich. Aber wir sind ja in Bergisch Gladbach… Hauptsache der Kraftverkehr rollt. der Rest ist nicht Kritik würdig.