Vor dem Rathaus hatte das Bündnis der Initiativen eine Resolution verkündet, jetzt folgt ein Offener Brief

Kurz vor der wichtigen Ausschusssitzung zum Flächennutzungsplan appellieren die Bürgerinitiativen noch einmal an die Stadträte: Sie sollen die Zahlen, Annahmen und Vorschläge der Verwaltung in Frage stellen und für eine weiterhin grüne Stadt stimmen. Dafür führen sie viele Argumente an, plädieren eine Nachverdichtung und massvolles Wachstum.

+ Anzeige +

Die Ausschüsse für Stadtplanung und für den Flächennutzungsplan tagen am Dienstag ab 17 Uhr im Bergischen Löwen. 


Sehr geehrtes Stadtrats-Mitglied

Können Sie das wirklich verantworten: derzeit haben der Rat bzw. der FNP-Ausschuss schwerwiegende Entscheidungen zu treffen, die die Zukunft Bergisch Gladbachs nachhaltig prägen werden. Sie stützen sich dabei auf Angaben von der Stadtverwaltung, dem Planungsbüro und den Strategien unseres Bürgermeisters.

Was, wenn Vieles davon falsch ist?

Können Sie dann überhaupt basierend auf falschen Angaben, falschen Statistiken und unbelegten Behauptungen zu einem richtigen Ergebnis kommen? Und wollen/können Sie dies einem FNP-Ausschuss und der Stadtverwaltung überlassen, obwohl wir Bürgerinitiativen hier fehlendes Grundlagen-Wissen und falsche Annahmen etc. feststellen mussten?

Was ist Ihre Aufgabe als Stadtrat?

Wir haben in unseren Gesprächen mit Ihnen öfter gehört „Wir müssen ja irgendwie schauen, wie wir die Vorgaben der Verwaltung erfüllen können.“ Nein, sorry, das ist falsch! Sie sind die Vertreter der Bürgerinnen und Bürger, Sie sind unsere Kontrollinstanz, damit eben NICHT passiert, was die Verwaltung will, sondern ausschließlich das, was die BÜRGER wollen. Und die Bürger wollen diesen massiven Raubbau an unseren grundlegenden Ressourcen definitiv nicht!

Wir, das Bündnis der Bürgerinitiativen Bergisch Gladbachs (BBiGL) mussten feststellen, dass vieles von dem, was als „gegeben“ vorausgesetzt wird seitens der Verwaltung, schlicht nicht stimmt.

Ebenso mussten wir feststellen, dass gemäß unseren Befürchtungen bereits das Planungsbüro Post – Welters Eingaben der Bürger „miss-interpretiert“ hat, gleiche Voraussetzungen für die eine Fläche zu Ausschlüssen, bei anderen Flächen aber zu bedingter Bebaubarkeit oder sogar ohne Einschränkung zur Bebaubarkeit führen.

Wie kann das sein? Ein paar Fakten…:

Wussten sie, dass…

  • das zur Ermittlung der Prognosen, die diesem FNP-Entwurf zugrunde liegen, gewählte Modell GIFPRO in allen Gemeinden NRW’s ausschließlich zur Plausibilitäts-Kontrolle angewendet wird (Ausnahme: Dortmund und Bergisch Gladbach), da es viel zu ungenau ist? Und dass die Stadt hier willkürlich noch massiv Reserven auf die oberste Kurve packt?
  • der Landesentwicklungsplan NRW die Verwendung der Zahlen von IT-NRW als Grundlage für die Bevölkerungsveränderung und den FNP vorschreibt, diese Zahlen – die nur bei 50% von der aktuellen Planung der Stadtverwaltung liegen – aber ignoriert werden? Wie kann IT-NRW so danebenliegen – oder doch GIFPRO??
  • alleine schon das Wort „Möglichmacher“ im krassen Widerspruch zum gesetzlich vorgeschriebenen Minimalprinzip steht (§1, BauGB spricht von „flächenschonender Planung“, „basierend auf tatsächlichem Bedarf“)?
  • die Prognosen für produzierende Gewerbe (und nur diese brauchen ein Gewerbegebiet) drastisch nach unten gehen, hiermit also die Grundlage für die Erschließung großer Gewerbeflächen fehlt?
  • die „nur noch 5 offenen Flächen“ im Gewerbegebiet Obereschbach seit 18 Jahren leer stehen?
  • es illusorisch ist zu glauben, dass wir die Nutzung und den Verkehr über unsere Straßen eines Gewerbegebietes in einer Nachbargemeinde dadurch verhindern oder vermindern könnten, indem wir an der gleichen Ausfallstraße selbst ein Gewerbegebiet bauen?
  • im FNP-Entwurf Flächen, die Sie als Rat vor nicht weniger als 3 Jahren im Freiraumkonzept unter 100%igen Schutz gestellt haben und die im Regionalplan als Grünzüge, in anderen Plänen und Konzepten zur Erholung, Luftreinhaltung und als Biotop-Flächen deklariert sind, hier verplant werden (Beispiel: Nu7)? Wollen Sie wirklich eine 180° Wende hierbei??
  • Grundlagen für den FNP (u.a. das Mobilitätskonzept) sich auf eine Erweiterung der S-Bahn (2. Gleis) sowie der Linie 1 stützen, deren Machbarkeit bzw. Durchsetzung voraussichtlich nicht vor Ablauf des FNP überhaupt greifen, manches davon überhaupt nicht oder nur mit erheblichen Mehrkosten für die Stadt (uns!) machbar ist und dass damit die Erschließung einiger Wohn- und Gewerbeflächen zu derartig erhöhtem Verkehr führen würde, dass Bergisch Gladbach in Stoßzeiten kollabiert?

Alle Stadträte und Partei-Mitglieder, mit denen wir gesprochen haben, sahen das Verkehrsthema als zentral an und gaben an, keine Flächen freigeben zu wollen, deren Erschließung zu einer Verschärfung des Verkehrsproblems führen würde (siehe auch 10-Punkte Plan von SPD und CDU).

Wenn dem so ist, sollten Sie alle sich eine Frage stellen: Macht der FNP derzeit Sinn, wenn seine Grundlagen fehlen?

Grundlagen für das Mobilitätskonzept sind die E-Mobilität, Umstieg auf Fahrrad und ÖPNV. Fakt aber ist:

  • dass über die S-Bahn Erweiterung seit über 40 Jahren gesprochen wird, diese aber nicht mal ansatzweise heute in Planung steht weil sie dem Naturschutz widerspricht. Zudem werden Kosten von 100 Mio € erwartet, Stand heute…
  • die Machbarkeitsstudie für die Linie 1 bereits jetzt einen Anschluss nach Herkenrath für nicht oder nur sehr, sehr bedingt machbar sieht und mit sehr hohen initialen sowie Folgekosten belegt, die eine wirtschaftlichen Betrieb der Linie unwahrscheinlich erscheinen lassen – zumal, wenn einspurig ausgeführt… man denke nur an die Taktraten… Die aktuelle Schätzung liegt bei 400 Mio €. Realistisch gesehen werden hier durch Teuerungsraten, Fehlplanungen und Nachträge sicher weitere 400 Mio € oder mehr dazukommen.
    D.h. wir brauchen realistisch gesehen annähernd eine 1.000.000.000 €, um alleine den ÖPNV in den Griff zu bekommen. Vom Radwege-Netz haben wir noch gar nicht gesprochen…
    Wieviel Gewerbesteuer zahlen die in Gewerbegebieten sitzenden Unternehmen heute im Jahr und wie lang müssten sie zahlen, um das zu finanzieren? Wie viele gut (!!) verdienende neue Bürger bräuchten wir?? Wieviel der Kosten bleibt bei uns??
  • dass die Infrastruktur-Folgekosten für Regenauffang-Becken, Schulen, Kindergärten, Straßenbau etc. etc. weit mehr Geld verschlingen, als Bergisch Gladbach auch mit zusätzlichen Bewohnern und/oder Gewerbe in den nächsten 30 – 50 Jahren je erwirtschaften können wird und damit die Verschuldung der Stadt ins Unermessliche wächst?
  • es gibt aktuell keinerlei Statistik, die aufzeigen könnte wieviel neuer Wohnraum durch Nachverdichtung geschaffen wurde. Dies wäre die Grundlage für eine Planung, wieviel hier durch weitere Nachverdichtung geschaffen werden könnte.
    Dies ist eine gesetzliche Vorschrift, die aber völlig missachtet wird und das Gesamtbild absolut verzerrt! Kein Wunder, denn durch Nachverdichtung bekommt die Stadt ja keine Grundstücke, die sie vermarkten kann …

Was sind die Alternativen

  • moderates, bürgerverträgliches Wachstum, dass den Verkehrsmaßnahmen Zeit gibt, Wirkung zu entfalten
  • zentrumnahes Nachverdichten, wo eine ÖPNV-Anbindung vorhanden ist
  • Ansiedlung von nicht produzierendem Gewerbe (Forschung-, Entwicklung, IT, Dienstleister, Verwaltungsgesellschaften)
  • konditionelle Einplanung des Zanders-Gebietes: Gewinnt die Stadt den Streit, fliegen entsprechende Gebiete für Gewerbe und Wohnen aus dem FNP raus!
  • Lösen der Verkehrsprobleme, bevor neue Flächen erschlossen werden

Worum bitten wir Sie?

Dass Sie im Sinne der Bürger für eine weiterhin grüne und gesunde Stadt Bergisch Gladbach stimmen, damit unser Leben auch weiterhin in dieser Stadt lebenswert bleibt.

Dass Sie die Stadt zur Nachverdichtung zwingen, indem Flächen, die der Erholung und/oder der Luftqualität dienen, aus dem FNP herausgenommen werden.

Dass Sie für die Bürgerinnen und Bürger und im Sinne der bereits ansässigen Bevölkerung abstimmen, die ein solch massives Wachstum nicht wollen und auch nicht begrüßen werden.

Dass Sie im Sinne des §1 Bau-Gesetzbuch abstimmen und die dortigen Kriterien anwenden.

Vielen Dank – Ihr Bündnis der Bürgerinitiativen Bergisch Gladbach (BBiGL)


Weitere Beiträge zum Thema:

Grüne wollen beim Flächennutzungsplan 9 Änderungen

FDP legt sich beim FNP fest – mit brisanten Vorschlägen

„Keine Flächenausweisung ohne Verkehrslösung”

„Vision braucht Platz. Veränderung braucht Mut”

Das überparteiliche Bündnis der Bürgerinitiativen in Bergisch Gladbach setzt sich für eine Stadtentwicklung mit Bürgerbeteiligung und Augenmaß ein und besteht aus Stadtteil- und Bürgerinitiativen und dem Bergischen Naturschutzverein, welche sich kritisch zum Flächennutzungsplan und dessen Umsetzung...

Reden Sie mit, geben Sie einen Kommentar ab

1 Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

  1. Die ganzen Eingaben ua von zahlreichen sachkundigen Bürgen sind doch so etwas was man im 1. Semester in der Vorlesung an der FH für öffentliche Verwaltung sagt: „formlos, fristlos, erfolglos.“ Glaubt wirklich jmd ernsthaft, dass nicht schon alles entschieden ist ?

    Die GroKo hat doch alles abgenickt und die Ausschussmitglieder als auch nächstes Jahr die Ratsmitglieder stimmen doch gem. Fraktionszwang.

    Übrigens:

    Der nächste Teil der „Kleinen kommunalen Rechtskunde“ steht fest und lautet: „Klagemöglichkeiten gegen Bauleitpläne“.