Der Verein Die Kette bietet viele Hilfen für Menschen mit Behinderung oder gesundheitlichen Einschränkungen in den Bereichen Wohnen, Arbeit, Tages- und Freizeitgestaltung an.

Corona belastet psychisch Erkrankte besonders intensiv, berichtet der Verein „Die Kette“, der in der Region rund 1600 Klient:innen betreut und berät. Das Internet habe nur bedingt geholfen. Corona hinterlasse bei den Strukturen und den Betroffenen viele Spuren, nur langsam entspanne sich die Situation. Dabei spielen Spaziergänge eine ganz besondere Rolle.

„Home Office war keine Option für unsere Betreuer, und die Klienten blieben weitestgehend in den Wohnhäusern.“ Das ist das knappe aber umso eindringlichere Fazit, das Claudia Seydholdt, Vorstand von „Die Kette e.V.“, und Britta Goldner, Genesungsbegleiterin und Wohngruppenbetreuerin, über die heiße Phase der Corona-Pandemie ziehen.

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Die Kette e.V. bietet ein „breites Angebot an Hilfen für Menschen mit Behinderung oder gesundheitlichen Einschränkungen in den Bereichen Wohnen, Arbeit, Tages- und Freizeitgestaltung an“, heißt es auf der Webseite des Vereins.

Hinweis der Redaktion: „Die Kette“ beteiligt sich ab dem 12.10. an der „Woche der seelischen Gesundheit“ mit eigenen Aktionen und Videos, die sich nicht nur an akut Betroffene richtet, sondern an alle, die unter Stress stehen. Zum Start gibt es eine digitale Gesprächsrunde, Details siehe unten.

Rund 1.600 Klient:innen profitieren von der Arbeit, davon rund 60 Menschen, die in den sechs Wohnstätten mit Kapazitäten von sieben bis zwölf Plätzen leben.

Claudia Seydholdt, Vorstand von „Die Kette e.V.“, und Britta Goldner, Genesungsbegleiterin und Wohngruppenbetreuerin

Die Struktur fiel weg

Im Gespräch greifen wir exemplarisch die Situation für psychisch Erkrankte während Corona heraus. Sie werden von Mitarbeiter:innen der Kette wie Britta Goldner in Wohnungen oder Wohngruppen betreut. Mit dem Lockdown fielen begleitende Angebote in der Betreuung weg, welche Struktur in den Alltag der Klient:innen gebracht hatten.

„Fahrdienste im Rahmen der Arbeitstherapie konnten wir nicht mehr durchführen“, macht Claudia Seydholdt deutlich, „der Schutz vor einer Ansteckung hatte Vorrang.“ Die Klient:innen des Vereins pflegen z.B. Grünanlagen in Schildgen oder am Altenberger Dom.

Auch die Versorgungslage änderte sich. Aus Angst vor Ansteckung mieden viele Betroffene den Gang zum Arzt. „Die Klient:innen haben generell wenig Sozialkontakte, einige haben nur Kontakt zu „Profis“ – also Betreuern, Ärzten, Therapeuten“, so Seydholdt. Mit dem Lockdown schrumpften die Begegnungsmöglichkeiten auf ein bedenkliches Maß zusammen.

„Die Klienten blieben weitestgehend in den Wohnhäusern“, Foto: Die Kette (Aufnahme vor der Corona-Pandemie)

Corona hinterlässt Spuren

Denn auch im Gebäude der Kette in der Paffrather Straße 70 wurde es ruhiger. „Wir sind grundsätzlich ein offenes Haus, mussten aber die frei zugänglichen Angebote stoppen“, berichtet Seydholdt. „Unser Inklusionsbetrieb ‚Die Kette Handwerk‘ konnte zwar dank konstanter Auftragslage weiterarbeiten. ‚Die Kette Kochwerk‘ als Kantinen- und  Cateringbetrieb erfuhr dagegen empfindliche Einbußen.“

Viele Mitarbeiter:innen mussten daher in Kurzarbeit geschickt werden. Neben fehlenden Sozialkontakten litten die Betroffenen an Einkommenseinbußen. Die Hamsterkäufe erschwerten die Versorgung mit günstigen Lebensmitteln. Menschen, die vom Flaschensammeln leben, fanden kaum mehr ein Auskommen.

Jetzt geht das Catering-Geschäft langsam wieder los. Aber Betroffene, die z.B. mit Sozialängsten kämpfen, würden nur schwer wieder in alte Strukturen zurückfinden und die Arbeit wieder aufnehmen, heißt es.

Hier hinterlässt Corona deutliche Spuren – vieles was sich Erkrankte mühsam erkämpft hatten muss wieder neu aufgebaut werden. „Die Existenzängste waren teils dramatisch“, berichtet Britta Goldner. Andere Betroffene freuen sich, dass ihr Tag wieder Struktur hat.

Telefon statt Internet

In manchen Bereichen, z.B. bei Rehabilitationskursen, konnte die Kette auf das Internet umsatteln. „Das war ein Kraftakt“ betont Claudia Seydholdt. „Aber in vielen Bereichen konnten wir unsere Angebote nicht durch Internet ersetzen – ein Klick ersetzt nicht den Blick!“ Es wurde eher viel telefoniert.

Manche Betreuer:innen hätten auch durch geöffnete Bürofenster mit ihren Klient:innen gesprochen. Andere passten ihre Lebensweise an: „Das Verantwortungsgefühl für die Betroffenen war plötzlich ein ganz anderes“, schildert Britta Goldner, die während des Lockdowns auf Treffen mit ihrer Familie verzichtete. „Um nicht Schuld an einer Ansteckung zu sein“, meint sie.

Spaziergänge fungierten während Corona als Türöffner zu den Klient:innen, Foto: Die Kette

Entstigmatisierung vorantreiben

Neue Wege in der Betreuung hätten sich während Corona durch Zufall ergeben, berichtet Goldner. Gemeinsam mit den Bewohner:innen der Wohngruppen habe man Spaziergänge unternommen. Natürlich mit dem nötigen Abstand. „Dabei haben sich ganz ungezwungen sehr tiefe Gespräche ergeben, der Spaziergang fungierte plötzlich als Türöffner!“ Diesen Effekt wolle man beibehalten, sind sich Seydholdt und Goldner einig.

Wie geht es weiter? „Viele Menschen denken, die Kette wäre für sie nur da, wenn sie eine massive Beeinträchtigung haben. Dabei können wir schon sehr früh helfen und dabei unterstützen, dass Betroffene nicht zu lange mit einer Erkrankung leben müssen“, schildert Diplom-Psycholign Seydholdt. „Menschen mit psychischer Erkrankung bestehen ja nicht nur aus einer Psychose, einer Depression oder einem Burn-out.“

Darauf wolle man verstärkt hinweisen und die Kontaktaufnahme zur Kette durch Information über das Angebot einfacher gestalten. Zudem sei die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen enorm wichtig.

„Mit Kraft durch die Krise“

Den Auftakt für diese Maßnahmen bildet ein Expertengespräch am 12. Oktober in der Kette, das im Rahmen der bundesweiten Aktionswoche Seelische Gesundheit stattfindet. Während der Aktionswoche bietet die Kette jeden Tag unter dem Motto „Mit Kraft durch die Krise. Gesund bleiben – auch psychisch“ digitale Angebote an.

Hier werde man über das Angebot des Vereins berichten und hofft, noch mehr Interessenten zu erreichen.

 Am Montag, den 12.10.2020 um 17:00 Uhr diskutiert eine Expertenrunde in einer offenen Videokonferenz die Auswirkungen der Corona Krise auf die seelische Gesundheit. 

Bisher bestätigte Teilnehmer/innen sind: 

  • Dr. med. Fritz-Georg Lehnhardt (Chefarzt der Klinik für Psychiatrie des EVK) 
  • Dr. med Thomas Kuhlmann (Chefarzt der Psychosomatischen Klinik Bergisch Land gGmbH) 
  • Britta Goldner (Betroffene und EX-IN Genesungsbegleiterin bei die Kette e.V.) 
  • Claudia Seydholdt (Dipl. Psychologin und Vorstand Die Kette e.V.) 
  • Georg Watzlawek, Bürgerportal Bergisch Gladbach (Moderation) 

Interessierte können über diesen Link an der Videokonferenz teilnehmen.

Im Anschluss schaltet die Kette e.V. unter der Tel.: 02202 25 61 0 eine Hotline wo Bürger*innen Fachkräften aus verschiedenen Bereichen Fragen stellen oder Informationen einholen können. 

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ist Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals.

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