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Behandlung eines Corona-Patienten auf der Intensivstation des EVK.

Seit einem Jahr sind Ärzt:innen und Pflegekräfte auf den Intensivstationen der Krankenhäuser außergewöhnlichen Belastungen ausgesetzt. Ein Ortstermin im Vinzenz Pallotti Hospital und im Evangelischen Krankenhaus zeigt, wie die Menschen mit Corona umgehen. Vor allem für die Pflegenden ist der körperliche und emotionale Druck sehr hoch. Denn oft sind sie auch die einzigen Sterbebegleiter.

Eine Szene auf der Intensivstation des Evangelischen Krankenhauses (EVK) in dieser Woche: Zwei Pflegekräfte und ein Arzt stehen vor einem abgeriegelten Zimmer. Sie reichen Geräte in den Raum, nehmen Material in Empfang. Die Tür zum Intensivzimmer öffnet sich immer nur für Sekunden. Im Zimmer selbst umringen drei Pflegekräfte in Schutzkleidung einen Patienten. Er wird gerade an die Beatmung angeschlossen.

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Ruhe und Konzentration bestimmen die Lage. Die lebensbedrohliche Not von schwer an Corona-Erkrankten ist spürbar, der Aufwand der medizinischen Betreuung. Die Einsamkeit des Patienten ebenso wie die Anspannung von Ärzten und Pflegekräften.

Intensivstation im VPH

Zehn Intensivpatienten liegen an diesem Nachmittag auf der Intensivstation des EVK, fünf davon mit Covid-19. Während des Gesprächs mit Ärzten und Pflegekräften kommt ein weiterer Corona-Patient dazu. „Die Patienten sind mittlerweile jünger, zwischen 45 und 60 Jahren“, berichtet Dr. Thomas Stevens. Er ist Chefarzt der Pneumologie am EVK. Der Impfeffekt führe dazu, dass ältere Patienten kaum mehr wegen Corona ins Krankenhaus kommen würden.

Dr. Thomas Stevens, Chefarzt Pneumologie am EVK

Auch im Vinzenz Pallotti Hospital (VPH) der GFO Kliniken Rhein-Berg sind in der dritten Welle vermehrt jüngere Patienten anzutreffen. Dr. Thorsten Löhr, Chefarzt der Anästhesie und Intensivmedizin bei den GFO Kliniken Rhein-Berg, führt dies ebenfalls auf den Impfeffekt zurück.

Dr. Thorsten Löhr, Chefarzt der Anästhesie und Intensivmedizin bei den GFO Kliniken Rhein-Berg

Er sieht weitere Gründe: „Die Diskussion über die Bundesnotbremse hat dazu geführt, dass die Menschen wieder verstärkt die AHA-Regeln einhalten.“ Das führe insgesamt dazu, dass sich die Lage der Pandemie etwas entspanne, was mit leichter Verzögerung von ein bis zwei Wochen dann auch in der Intensivmedizin wahrzunehmen sei. Sie gilt gemeinhin als Indikator für die Entwicklung der Pandemie.

Gleichwohl habe sich die Aufenthaltsdauer der Patienten verlängert, erklärt Francesco Cardone. Er leitet die Intensivpflege an den GFO Kliniken Rhein-Berg. Jüngere Patienten hätten mehr Ressourcen als ältere Betroffene. Dadurch seien die Betten in der Intensivmedizin mitunter vier bis sechs Wochen mit Covid 19-Patienten belegt.

Die GFO Kliniken Rhein-Berg in Bergisch Gladbach (Marienkrankenhaus, Vinzenz Pallotti Hospital) und Engelskirchen verfügen in jedem Haus über jeweils zehn Intensivbetten. „Davon sind nicht mehr als vier Betten für die intensivmedizinische Betreuung von Corona-Patienten vorgesehen“, zeigt Dr. Löhr auf. „Mehr geht rein pflegetechnisch nicht.“

Zwar habe man Mitarbeiter aus anderen Bereichen für die Intensivbetreuung rekrutiert. „Aber die Intensivpflegekräfte sind absolute Spezialisten mit langjähriger Ausbildung und Erfahrung. Auf der Intensivstation lässt sich leider nicht jeder Mitarbeiter einsetzen,“ erläutert Löhr.

Zwischen 12 und 14 Intensivbetten kann das EVK bereitstellen. Auch hier hängt die Kapazität am Personal, nicht am Material. „Die Ressourcen in unserem Haus hängen im wesentlichen von verfügbaren Pflegekräften ab“, sagt Stevens. „Diese werden bei Bedarf aus anderen Bereichen rekrutiert, wo uns dann diese Kräfte fehlen.“

Dr. Andreas Hecker, Ärztlicher Direktor des EVK

Planbar ist die Arbeit im Krankenhaus in der Pandemie nur bedingt. „Wir passen die Intensivstation dynamisch der Lage an“, schildert der Ärztliche Direktor des EVK, Dr. Andreas Hecker. Täglich, auch am Wochenende, würde die Situation bewertet, um genügend Reserven für einen Zuwachs an Corona-Patienten zu haben.

Francesco Cardone vom VPH betont ebenfalls, dass das Lagebild täglich aktualisiert werde, „zwischen allen Ebenen, auf Augenhöhe zwischen Pflege und Ärzten. Wir sehen dann: Was geht, was geht nicht?“

Der Informationsfluss sei gut und wichtig. „Das ist ein zentraler Aspekt, denn der Zustand der Corona-Patienten ist völlig verschieden“, ergänzt Chef-Anästhesist Löhr. Die Geschwindigkeit, in der sich der Zustand der Patienten verschlechtere sei extrem unterschiedlich. Bei Jüngeren geschehe dies wesentlich schneller als bei Älteren.

Hintergrund: Die Behandlung von Covid-19 Patienten erfolgt – wie bei den meisten Virus-Erkrankungen – symptomatisch. Im Vordergrund steht die Sauerstoff-Versorgung infolge der Atemprobleme. Hierbei gibt es mehrere Eskalationsstufen: Von Sauerstoff-Highflow-Beatmung über nicht-invasive Beatmung mit Maske bis zur Intubation im künstlichen Koma sowie der ECMO-Versorgung (extrakorporale Membranoxygenierung, sog. Herz-Lungen-Maschine). Unterstützt wird die Behandlung mit Cortison, Medikamenten gegen Thrombosen (Heparin) sowie gegen bakterielle Infekte und Entzündungen. Weitere, wichtige Bausteine sind die Selbstheilungskräfte des Körpers.

Ressourcen auf den Intensivstationen werden durch die Umplanung von Operationen freigehalten. „Prothesen oder Wirbelsäulen-OPs können verschoben werden. Bei einer anstehenden Tumor-Operation ist dies jedoch nicht machbar“, sagt Löhr (VPH).

Das ist ein wichtiges Signal für Patienten mit Beschwerden abseits von Corona: Der Medizinbetrieb steht. Auch Menschen ohne Covid-19 werden selbstverständlich behandelt.

Francesco Cardone, Leiter der Intensivpflege an den GFO Kliniken Rhein-Berg

Dies gilt auch für die Aufmerksamkeit, die den Patienten im Krankenhaus zuteil wird. Der Eindruck ist klar: Es gibt kein „Corona first“. Man schaue sich bei der Übergabe stets alle Patienten an, erklärt Francesco Cardone. Die Ressourcen werden dem Bedarf angepasst.

Auch Löhr macht klar: „Mich interessiert nicht die Versichertenkarte des Patienten, sondern wie es ihm geht, und wie wir dies verbessern können.“ Für ihn und sein Team seien alle Patienten gleich.

Im Gespräch betonen die Ärzte aller Krankenhäuser: Wir stehen im ständigen Austausch mit weiteren Fachkliniken, So könnten Behandlungsressourcen optimal eingesetzt werden, Spezialkliniken sich auf schwere Fälle konzentrieren.

Mit Triage wird die klinische Auswahl von Patienten anhand strenger Kriterien bezeichnet, deren Behandlung noch einen Erfolg verspricht. Sie wird immer wieder als Schreckgespenst in der Corona-Pandemie beschworen. Nach Aussage der Ärzte im VPH sowie EVK wurde die harte Triage – wer wird beatmet und wer nicht – in Deutschland noch nicht angewandt. Eine „weiche“ Triage gehört indes zum Alltag: Die Entscheidung, welche OPs notwendig sind und welche zur Schaffung freier Corona-Behandlungskapazitäten verschoben werden.

EVK-Chefpneumologe Stevens macht dies an einem Beispiel deutlich: Patienten, die eine maximale intensivmedizinische Betreuung benötigen (so genannte extrakorporale Membranoxygenierung, ECMO), würden in Kliniken ausgelagert, die solche Apparate vorhalten. Dafür übernehme man im Austausch „leichtere“ Intensivpatienten. „Das kann über das Intensivregister geschehen. Wir suchen für ECMO-Patienten jedoch in der Regel aktiv nach Kapazitäten, das geht schneller“, berichtet er.

„Der Tod von Patienten macht traurig, das Team fand in der Pandemie enger zusammen, man spricht mehr über die Situation,“ schildert Eva Mollens. Sie arbeitet seit drei Jahren als Intensivpflegerin am VPH und meint: „Man darf auch weinen“.

Ihr Kollege Löhr unterstreicht dies mit Nachdruck: „Wir sind keine Roboter. Es ist wichtig dass wir unsere Gefühle behalten!“

Eva Mollens, Intensivpflegerin am Vinzenz Pallotti Hospital, mit dem lebenswichtigen Beatmungsschlauch, der Patienten mit Sauerstoff versorgt

Das gelte im negativen, aber auch im positiven, meint Mollens: „Kleine Erfolge sind manchmal große Erfolge“. Wenn zum Beispiel die Sauerstoffzufuhr reduziert werden könne, oder ein Patient wieder selbständig essen würde, dann wäre dies ein Riesenerfolg, der motiviere.

Auch Ingrid Knebel, stellvertretende Leiterin der Intensivpflege am EVK, kennt die belastenden Seiten ihres Berufes: „Wir sind die Sterbebegleiter für die Patienten.“ Oft kommt der Tod so rasch, dass es die Angehörigen nicht einmal mehr bis ans Fenster des Intensivzimmers schaffen, um Abschied zu nehmen.

Am VPH versucht man auch die Angehörigen besonders zu unterstützen. So ruft man diese täglich an, um über den aktuellen Stand „ihrer Patienten“ zu informieren. Das trage zur Beruhigung bei, meint Dr. Dies gelte auch für den Fall, dass ein Patient verstirbt. Auch dann stehen die Ärzte und Pfleger im VPH für Fragen bereit um den Hinterblieben zu erklären, was zum Tod ihres Angehörigen geführt habe.

Zwar habe man auf der Intensivabteilung Erfahrung mit dem Thema Tod, dafür sei man ausgebildet worden. Doch Corona sei wegen der rapiden Krankheitsverläufe anders, die Vorhersage ob eine Behandlung anschlage und wie sie anschlage nur schwer machbar.

„Das geht in Summe an die Psyche“, erklärt Knebel. Hinzu käme die stete Bedrohung durch eine Corona-Infektion. Zwar sind die Klinik-Mitarbeiter mittlerweile geimpft, das Risiko eines schweren Covid-Verlaufs gering. Und man trage eine Schutzausrüstung. Aber die Sorge lasse sich nicht abschütteln. Das zermürbt auf Dauer.

Behandlung eines Corona-Patienten auf der Intensivstation des EVK

Der Job zehrt an den Nerven. Gleichwohl gibt es weder im EVK noch in den GFO-Kliniken einen „Pflegxit“. Die Pflegekräfte in den Kliniken der Stadt bleiben im Boot, sie steigen nicht aus.

Wichtig ist – das wird in allen Gesprächen deutlich – die Motivation in den Teams, die Achtung vor der Leistung und ein steter Austausch über Probleme während der Arbeit.

Und selbst wenn es – wie im VPH – noch keine Corona-Sonderzahlung für die Pflegekräfte gegeben habe, bleibt die Motivation hoch. Dass es bislang keine Sonderzahlung gab liege an den Fallzahlen in den Häusern, heißt es. Für den Sommer sei jedoch eine Zahlung in Aussicht gestellt.

Die Pflege auf der Intensivstation während der Pandemie stellt hohe Anspräche an die Pflegekräfte. Neben mehrlagigen Handschuhen tragen sie einen doppelten Kittel, Haube und Brille sowie einen Atemschutz, der aufgrund der Filterwirkung einen noch höheren Atemwiderstand bildet als herkömmliche FFP2-Masken.Mit diesem Vollschutz übernehmen die Kräfte sämtliche Pflegemaßnahmen, Ernährung, Medikamentengabe, Wundversorgung, Steuerung der Sauerstoff-Versorgung.

Eine Drehung von beatmeten Patienten in die Bauchlage zur Entlastung der Lunge muss mit vier Pflegekräften durchgeführt werden. Besonders Augenmerk wird darauf gelegt, Anschlüsse oder Schläuche und die Intubation nicht zu destabilisieren.

Die Erstaufnahme eines Patienten mit Covid-19 auf Intensivstation dauert rund vier bis fünf Stunden. Eine besondere Herausforderung bildet den Transport eines beatmeten Corona-Intensivpatienten unter Beachtung der Hygiene-Regeln in die hausinterne Röntgen- oder MRT-Abteilung.

Überhaupt ist die Lage der Pflegekräfte ein Thema in den Krankenhäusern. Es herrsche ein massiver Pflegemangel, erklärt Pneumologe Stevens vom EVK. Die Hauptbelastung der Pandemie liege auf dieser Berufsgruppe, so seine Überzeugung. Eine Sonderzahlung für Pflegekräfte sei eben nicht alles.

„Wir haben in Deutschland ein sehr gutes Gesundheitssystem“, ergänzt Hecker, der Ärztliche Direktor vom EVK. „Und in der Pandemie haben wir vieles richtig gemacht.“ Der Nachwuchsmangel liege gleichwohl auf der Hand. Insofern sei man froh, dass man die Ausbildungsplätze in der Pflegeschule von 75 auf 150 habe erhöhen können.

Vorbereitung auf die Versorgung der Corona-Patienten: Das Anlegen der Schutzkleidung kostet Zeit und Kraft

Tenor in allen Kliniken ist dennoch: Die Reputation des Pflegeberufes muss gesteigert werden, es braucht mehr Pflegekräfte in den Kliniken. Und auch die Bezahlung sollte der Leistung angepasst werden.

„Intensivpfleger werden fünf Jahre ausgebildet, Ärzte sechs Jahre. Wenn ich mir dann die Unterschiede im Gehaltsgefüge anschaue, muss ich wirklich schlucken“, sagt Löhr. Das Gesundheitssystem werde aufgrund der drängenden Pflegeproblematik entweder kippen oder stabilisiert, das hänge jetzt an der Politik: „Krankenhäuser werden nicht schließen, weil ihnen die Patienten ausgehen. Sie werden schließen, wenn die Pflege nicht aufgewertet wird.“

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ist Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals.

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3 Kommentare

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  1. Schade, dass die Covid-Patienten auf der Intensivstation immer junger werden. Mein Neffe studiert Medizin im 2. Fachsemester. Er möchte schon vor Ende seines Studiums auf der Intensivstation helfen, die Covid-Fälle zu reduzieren.

  2. Herr Ritsma: Die Grundgedanken Ihrer Ausführungen sind richtig. Aber einen Mitmenschen aufgrund eines Versprechers abwertend zu beurteilen, ist ungezogen. Ihnen werden im Laufe Ihres Lebens wohl auch mal falsche Dinge über die Lippen gekommen sein – man kann mal darüber schmunzeln oder auch lachen, aber das war es dann auch.
    Viel mehr Sorge macht mir der Hinweis in dem Artikel, dass es zu wenig Pflegekräfte gibt und die Aussagen mancher Vollpfosten, dass es Corona gar nicht gibt. Sie verwechseln immer noch die Symptome eines grippalen Infekts oder einer Grippe mit dieser lebensbedrohlichen Krankheit. Wie man soviel Ignoranz aufbringen kann, ist mir unbegreiflich.

  3. Die Arbeit des Pflegepersonals und der Ärzte kann gar nicht hoch genug gewürdigt werden. Diese Leute machen den Job ganz sicher nicht wegen der tollen Bezahlung, sondern weil sie Menschen helfen wollen, und das trotz der schlechten Bezahlung und trotz der unangenehmen Arbeitsbedingungen.
    Da aber, u.a. auch von der Politik begünstigt, ein Ich-Denken und der Egoismus weltweit zunimmt, werden diese Menschen, die Anderen nicht aus finanziellen Gründen helfen, immer seltener.
    Solange Patienten und Pflegepersonal von der Politik und von Krankenhausbetreibern nicht als Menschen, sondern nur als Zahlen betrachtet werden, wird das System weder Patienten-freundlicher noch gibt es bessere Arbeitsbedingungen.
    Und wenn man dann noch einen kognitiv unterentwickelten Gesundheitsminister hat, der öffentlich sagt, „wir haben jetzt jeden Vierten geimpft, bald wird es jeder Fünfte sein“, dann sehe ich aber sehr schwarz für das dt. Gesundheitssystem.
    Ein Krankenhaus hat nicht wie eine Firma gewinnorientiert zu funktionieren, sondern soll MENSCHEN helfen, egal wie. Notfalls muss der Staat eben mit finanziellen Mitteln einspringen. Andere Länder können das bereits bzw. noch immer.