In der Nacht auf Mittwoch war in Bergisch Gladbach eine Liste mit Hilfsgütern eingetroffen, die in Butscha dringend benötigt werden. 72 Stunden später liefert ein Team der Feuerwehr einen voll ausgerüsteten Rettungswagen, Medikamente, Medizingeräte und Feuerwehrausrüstung in der polnischen Partnerstadt Pszcyna ab. Und einen persönlichen Brief von Bürgermeister Frank Stein an seinen Amtskollegen in Butscha. Eine Fotoreportage.

In Butscha, der Kleinstadt im Umland von Kiew, fehlt es eigentlich an allem. Besonders dringend benötigt werden jedoch medizinische Ausrüstung, von den Medikamenten bis hin zu Geräten der Notfallversorgung.

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Das ging aus der Liste hervor, die Butschas Bürgermeister Anatoly Fedoruk über Bergisch Gladbachs polnischer Partnerstadt Pszcyna am späten Dienstagabend an Bürgermeister Frank Stein geschickt hatte.

Hintergrund: Was GL mit Butscha verbindet.
Vor zwei Wochen wurde im Stadtrat über eine Städtepartnerschaft in der Ukraine gesprochen. Dabei hatte Stein von einem Telefonat mit Dariusz Skrobol berichtet, dem Bürgermeister von Pszczyna, der Partnerstadt in Polen. Der hatte von Butscha gesprochen, Pszczynas Partnerstadt in der Ukraine. Daher brachte Stein die Perspektive einer trilateralen Partnerschaft ins Gespräch – ohne zu ahnen, dass Butscha wenige Tage später zum Symbol der russischen Gewalttaten an der ukrainischen Zivilbevölkerung wurde.

Schon am Donnerstag standen genau diese Dinge bereit: ein gerade von der Feuerwehr GL in Reserve gestellter, voll ausgestatteter Rettungswagen, zudem Medikamente, medizinische Geräte und Feuerwehrausrüstung.

Die Güter wurden in den Rettungswagen und in einem LKW der Feuerwehr verladen, und in der Nacht um Mitternacht schicken Stein und Feuerwehrchef Jörg Köhler ein vierköpfiges Team auf den Weg nach Pszcyna, 48 Stunden nach der Hilfsanforderung. Mit an Bord auch ein persönlicher Brief des Bürgermeisters an seinen Amtskollegen in Butscha (siehe Dokumentation unten).

Bürgermeister Frank Stein und Feuerwehrchef Jörg Köhler verabschiedeten Angelina Esser-Lülff, Dominic Lülff, Stefan Krill und Udo Steingaß um Mitternacht. Alle Fotos: Feuerwehr GL

1054 Kilometer und 18 Stunden später trafen Angelina Esser-Lülff, Dominic Lülff, Stefan Krill und Udo Steingaß in der polnischen Partnerstadt ein. Eigentlich war geplant, nach einem kurzen Zwischenstopp weiter bis zur ukrainischen Grenze zu fahren, um die Güter dort an eine Abordnung aus Butscha zu übergeben.

Doch die Bergischer Gladbacher Feuerwehr war zu schnell: So kurzfristig konnten die Ukrainer keine Genehmigung für den Transfer in das Kriegsgebiet organisieren. Zudem muss jeder dieser Transporte auf ukrainischem Gebiet gut bedacht werden, das russische Militär hatte auch solche Hilfskonvoi schon angegriffen.

Daher wurden die Güter aus Bergisch Gladbach in Polen ausgeladen. Der Bürgermeister Dariusz Skrobol erwartet zudem aus einer anderen Partnerstadt eine weitere Lieferung mit Hilfsgütern für Butscha – mit der Pszcyna eine Partnerschaft unterhält. In der kommenden Woche sollen dann beide Lieferungen an die Grenze gebracht werden.

Nach dem ausladen in Pszcyna war das Team aus Bergisch Gladbach nach allen Regeln der polnischen Gastfreundschaft bewirtet worden. Beim Abendessen in einer Pizzeria spielte sich eine Szene ab, die noch einmal deutlich macht, wie die Hilfe ankommt.

„Plötzlich kommt einer der Pizzabäcker an unseren Tisch, gibt mir eine ukrainische Flagge, verneigt sich, klopft sich mit der Faust auf die Brust und gibt mir die Hand“, berichtet Stefan Krill, einer der vier Bergisch Gladbach. Es stellt sich heraus, dass der Mann Ukrainer ist – und sich für die Hilfslieferung bedankt. „Ein ergreifender Augenblick, der deutlich macht, wofür wir diesen Wahnsinnsritt unternommen haben“, sagt Krill.

Die Spendenaktion der Stadt läuft weiter, die Bethe-Stiftung verdoppelt jeden Beitrag bis zu einer Gesamthöhe von 50.000 Euro. Spendenkonto:

Stadt Bergisch Gladbach
Stichwort: Hilfe für Butscha
IBAN DE17 3705 0299 0311 5844 77

Am Samstagvormittag führt Bürgermeister Skrobol die Besucher noch rasch durch die Stadt, dann machen sich die vier mit dem Feuerwehr-Laster auf den Rückweg. 1037 Kilometer zeigt das Navi an, bei einem Reisetempo von maximal 80 km/h liegt die erwartete Ankunftszeit in Bergisch Gladbach: 4:00 Uhr. Das wären ziemlich genau 100 Stunden nach Eingang der Hilfsanforderung.


Ein zweiter Konvoi aus Bergisch Gladbach in Richtung Butscha wird vorbereitet, dafür wird gerade ein zweiter Rettungswagen in Stand gesetzt, mit Hilfe der Geldspenden sollen besonders dringend benötigte Hilfsgüter gekauft werden.

Dokumentation

Bürgermeister Frank Stein hatte dem Feuerwehrteam einen Brief an seinen Amtskollegen in Butscha, Anatoly Fedoruk, mitgegeben. Es sei ihm wichtig, „nicht nur materielle Hilfe in die von unvorstellbaren Grausamkeiten heimgesuchte Stadt zu bringen, sondern auch unsere große Empathie gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern von Butscha auszudrücken, soweit man in einer solchen Situation überhaupt die richtigen Worte finden kann“, erläuterte Stein.

Wir dokumentieren den Brief, der in englischer Übersetzung nach Butscha ging, im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

lieber Anatoly Fedoruk,

es ist mir ein großes Anliegen, meinen Kollegen der Bergisch Gladbacher Feuerwehr, die den Konvoi mit Spenden aus unserer Stadt zu Ihnen begleiten, zumindest in schriftlicher Form einen persönlichen Gruß an Sie mit auf den Weg zu geben. 

Wir hoffen, dass die Gefahr für Ihre Stadt so schnell wie möglich endgültig gebannt sein wird. Dann steht Ihnen und Ihrer Stadt eine ungeheure Aufgabe bevor, die den Wiederaufbau, die Wiederherstellung aller denkbaren Infrastrukturen und auch und vor allem die mentale Bewältigung des erlittenen Grauens betrifft. Dazu wünsche ich Ihnen von Herzen, dass es Ihnen gelingt, gemeinsam mit Ihren Bürgerinnen und Bürgern diese außerordentliche Kraftanstrengung mit Mut und Ausdauer zu meistern!

Besonders aufmerksam geworden auf Ihre Stadt sind wir durch Ihre freundschaftliche Verbindung zu unserer Partnerstadt Pszczyna. Mit Bürgermeister Dariusz Skrobol habe ich anlässlich eines Besuches im September 2021 Bekanntschaft schließen können; im Anschluss daran haben wir mehrfach miteinander telefoniert, um die Situation in Pszczyna hinsichtlich der Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge in der Stadt und später auch die grausamen Vorfälle in Butscha zu besprechen.

Es ist ganz klar: Die Freunde unserer Freunde aus Pszczyna sind auch unsere Freunde! Und deshalb wollen wir schnell helfen.

Über Dariusz Skrobol haben wir kurzfristig Ihre Liste mit Gütern erhalten, die dringend benötigt werden. Wir hoffen, dass wir mit der Fracht, die unsere Fahrzeuge geladen haben, einen kleinen Beitrag zur Linderung Ihrer augenblicklichen Situation leisten können. Zwei Rettungsfahrzeuge, die sich in einem sehr guten Zustand befinden, werden wir Ihnen gerne übergeben. Mit einem dieser Fahrzeuge sind meine Kollegen nun zu Ihnen gekommen, das zweite wird in mit einem weiteren Konvoi überführt werden, verbunden mit weiteren benötigten Hilfsgütern.

Zusätzliche Hilfe werden wir über eine Spendenaktion ermöglichen, die vor kurzem angelaufen ist und bereits jetzt auf große Resonanz in unserer Bevölkerung stößt.  

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihrer Stadt alles erdenklich Gute, Gesundheit und vor allem Frieden! Unsere Gedanken sind weiterhin bei Ihnen und den Bürgerinnen und Bürgern von Butscha.

Mit freundlichen Grüßen
,
Frank Stein, Bürgermeister

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1 Kommentar

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  1. Großartig und (mal wieder) großen Dank an unsere Feuerwehr und unseren Bürgermeister für die kleine Linderung für die geschundene Ukraine.
    Putins imperiale menschenverachtende Kriegsverbrechen werden wir NIE vergessen.