Die Containerunterkunft ist auf 300 Plätze ausgebaut worden.

Die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge verläuft in Bergisch Gladbach relativ geräuschlos, doch auch bei der Stadtverwaltung, den ehren- und den hauptamtlichen Helfern wächst die Belastung. Sichtbar wird die Anspannung vor allem bei den Unterkünften – hier schafft die Stadt nun weitere Reserven. Eine Bestandsaufnahme.

Zur Zeit verfügt die Stadt Bergisch Gladbach über 1.349 Plätze in Flüchtlingsunterkünften und angemieteten Wohnung, 1.184 davon sind belegt – zu einem Drittel mit Flüchtlingen aus der Ukraine, zu zwei Dritteln aus anderen Ländern. Rein rechnerisch gebe es damit 165 freie Plätze, gibt Ragnar Migenda zu Protokoll, der als Beigeordneter auch den Operativen Stab der Stadt leitet. Faktisch könnten jedoch nicht alle Betten genutzt werden, etwa weil Räume renoviert werden müssen oder Mehrbettzimmer nicht voll belegt werden können.

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Das bestätigt auch Reinhold Feistl, Geschäftsführer des DRK Rhein-Berg, der u.a. die Containerunterkunft in Lückerath oder das Gustav-Lübbe-Haus für die Stadt betreibt: 100 Prozent Belegung sei nie möglich, „faktisch sind wir voll“. Das DRK sei zwar für alle Fälle vorbereitet, aber auch er blicke mit großer Sorge auf die aktuelle Entwicklung in Nahost und den kommenden Winter.

Auch Russlands Krieg gegen die Ukraine wirkt sich weiter aus, laut Ausländerbehörde des Kreises waren bereits im August 1419 Ukrainer:innen in Bergisch Gladbach gemeldet; 114 davon waren in den vier Monaten davor neu aufgenommen worden.

Reservekapazitäten werden ausgebaut

Die Stadtverwaltung reagiert und hält Unterkünfte wieder in die Reserve, die eigentlich schon bald anders genutzt werden sollten. Das betrifft zum einen die alten Baracken an der Jakobstraße, wo eigentlich ein ebenfalls dringend benötigter Kindergarten gebaut werden soll. Zunächst bis März soll die Unterkunft jedoch weiter genutzt werden, teilt die Stadt jetzt mit.

Das zweite Beispiel sind die Hermann-Löns-Hallen in Hand, die 2023 kurzfristig für die Unterbringung von über 100 Personen eingerichtet worden war und eigentlich nur als Erstaufnahme dienen sollte.

Zum 1. Oktober hatte die Stadt auch dieses Objekt geräumt und die dort noch untergebrachten Ukrainer:innen in die Containerunterkunft in Lückerath umgezogen – weil in den Hallen eigentlich die Feuerwehrschule (bisher auf dem Zanders-Areal) unterkommen soll. Eine Weiternutzung sei „aus Gründen des Brandschutzes und auch wegen Nutzungskonflikten fraglich“, so die offizielle Begründung.

Doch auch hier vollzieht die Stadt eine Kehrtwende: „Die Halle soll nun übergangsweise als mögliche Reservefläche beibehalten werden, um eine Versorgung mit Unterkünften über den Winter gewährleisten zu können“, sagt Sabine Hellwig, zuständige Leiterin des Fachbereichs 5 – Soziales.

Im März 2022 waren die Hallen rasch zu einer Erstunterkunft aufgerüstet worden. Foto: Thomas Merkenich

Schritt für Schritt baut die Stadt die Kapazitäten aus. Die Unterkunft auf dem Carpark-Gelände in Lückerath ist gerade a 300 Plätze erweitert worden,  eine Gemeinschaftsunterkunft in Schildgen wird der Beseitigung eines Brandschadens wieder in Betrieb genommen, im September wurde ein Wohnhaus in Heidkamp angemietet und ein weiterer Neubau in Heidkamp mit 80 Plätzen soll im Frühjahr bezogen werden. Gleichzeitig sucht die Stadt nach weiteren Angeboten.

Dennoch schließt der Beigeordnete Ragnar Migenda – wie bereits im Sommer – eine erneute Belegung von Turnhallen nicht komplett aus. „Andere Kommunen nutzen bereits wieder Turnhallen, auch das diskutieren wir im Operativen Stab“, erläutert der Beigeordnete. Alle Beteiligten seien sich jedoch einig, „dass dies nur die Ultima Ratio sein kann angesichts der großen Interessenskonflikte mit Schul- und Vereinsnutzungen“. Schulsport sei eine Pflichtaufgabe, im Winter seien dafür alle Hallen voll verplant.

Aufruf der Stadt: Sollten Bürgerinnen und Bürger über abgeschlossenen Wohnraum verfügen, können Sie sich gerne melden: Soziales@stadt-gl.de

Sollten Bürgerinnen und Bürgern Flächen bekannt sein, die ggf. auch kurzfristig mit modularen Wohncontainern belegt werden könnten, können sie sich per E-Mail (geschaeftsstelle.fb6@stadt-gl.de) an den Fachbereich 6 (Stadtentwicklung, Bau und Mobilität), wenden.

Zuweisungen ziehen stark an

Ob und wieviele Flüchtlinge in den kommenden Wochen der Stadt Bergisch Gladbach zugwiesen werden, ist offen. Klare Ansagen der zuständigen Bezirksregierung Arnsberg fehlen, auch das Land NRW baut seine Unterkünfte gerade erneut aus.

In den vergangenen sechs Monaten waren der Stadt insgesamt 162 Personen zugewiesen worden – mit deutlich steigender Tendenz in den vergangenen beiden Monaten. Im gesamten Rheinisch-Bergischen Kreis waren es in diesem Jahr bislang fast 1100 Menschen, teilt die Kreisverwaltung auf Anfrage mit.

Hintergrund: Vollziehbar ausreisepflichtige geduldete Personen waren im Rheinisch-Bergisch Kreis Ende September 615 Personen gemeldet – vor allem aus Irak, Nigeria, Guinea, Türkei und Iran. Diese Zahl ist seit Jahresanfang (879 Personen) deutlich gesunken. Aber nicht aufgrund von erfolgten Abschiebungen, sondern weil 273 Aufenthaltserlaubnisse für 18 Monate nach dem neuen „Chancenaufenthaltsrecht“ vergeben wurden. Tatsächlich abgeschoben wurden in diesem Jahr bislang 15 Personen.

Dennoch erfüllt Bergisch Gladbach die beiden einschlägigen Quoten nicht zu 100 Prozent.

Die aus der Vergangenheit bekannte Quote nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz deckt Bergisch Gladbach zu 98 Prozent ab, womit die Untererfüllung bei etwas 3 Personen liegt.

Kritischer ist dagegen die Situation bei der Erfüllungsquote zur Wohnsitzauflage. Im März hatte die Bezirksregierung Arnsberg diese Quote neu berechnet und war in Bergisch Gladbach auf eine Erfüllung von nur noch 50 Prozent (vorher: 100 Prozent) gekommen. Der Grund dafür: die berücksichtigungsfähigen Wohnsitzauflagen der Flüchtlinge aus 2015/2026 fielen weg.

Die Dimension der Zuweisungen sei „dramatisch“, urteilt die Stadt: Aktuell liege die Quote bei knapp 51 Prozent – was einer Untererfüllung von 427 Personen entspreche. Im schlimmsten Fall müsse mit dieser Zahl an Zuweisungen über die Wohnsitzquote gerechnet werden, warnt die Stadt. Und verweist auf die fehlende Planungssicherheit.

Das Gustav-Lübbe-Haus wird in Teilen seit 2016 als Flüchtlingsunterkunft genutzt. Foto: Thomas Merkenich

Stark spürbare Belastung in allen Bereichen

Von einer Überlastung will die Stadtnicht sprechen, verweist aber auf eine „stark spürbare Belastung ist in allen Bereichen der Verwaltung“. Zudem sei das Flüchtlingsgeschehen sehr dynamisch, kaum vorhersehbar und damit wenig konkret planbar. Und alein mit dem Zuzug und der Unterbringung ist der Weg der Betroffenen nicht zu Ende, es gehe ja um weitere Bausteine der Integration verbunden mit Fragen zum ausländerrechtlichen Status, dem möglichen Familiennachzug, Schul- und Kitaplätzen, Sprachkursen und einer Arbeitsaufnahme.

Ohne das Engagement der Ehrenamtler:innen „würde es gar nicht mehr gehen“, erläutert die Stadt – verbunden mit einem großen Dank an alle, die sich zum Teil seit vielen Jahren engagieren.

Hinzu komme eine starke Belastung der kommunalen Finanzen: Das sei dauerhaft für die Kommunen so nicht mehr zu leisten und führe, neben vielen weiteren auf die Kommune herab deligierten Anforderungen, in die finanzielle Handlungsunfähigkeit. Die finanzielle Ausstattung seitens Land und Bund muss gegenüber den Kommunen grundsätzlich besser und auskömmlicher gestaltet werden, daran führt kein Weg vorbei, so der Beigeordnete Migenda. Derzeit trage die Kommune etwa 2/3 der Kosten, Land und Bund zusammen nur etwa 1/3.

Auf die Frage, wie gut sich die Stadt mit Blick auf den Winter gerüstet fühle, übt sie sich in Pragmatismus: „Die Verwaltung arbeitet, in weiter enger Abstimmung mit dem Ehrenamt und externen Stellen, mit vollem Einsatz an dem Thema. Ziel ist es, die Geflüchteten auch im Winter angemessen unterbringen zu können.“

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Journalist, Volkswirt und Gründer des Bürgerportals. Mail: gwatzlawek@in-gl.de.

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5 Kommentare

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  1. Wie sieht es in der Stadt eigentlich mit kirchlichen Gebäuden und Grundstücken aus?
    Nach EKD Vortänzerin Kurschus haben wir ja reichlich Platz.
    Bitte diesen Platz auch bei den Kirchen einfordern.

    „Ich meine, dass wir diese Grenze noch lange nicht erreicht haben.“ und dann wundern, dass es immer mehr Austritte gibt, die nur verzögert werden, weil die Amtsgerichte nicht nachkommen.

    https://www.ag-bergisch-gladbach.nrw.de/behoerde/terminbuchung/index.php
    „Leider stehen in den kommenden Wochen für die ausgewählte Dienstleistung keine Termine mehr zur Verfügung.“

    1. Sie meinen also, dass Frau Kurschus etwas Falsches meint. Und weil Sie meinen, dass das falsch ist, gehen Ihrer Ansicht nach Kirchenaustritte anderer Menschen darauf zurück. Die innere Logik Ihrer Aussage erscheint mir ein wenig fragil.

  2. Laurentiusstraße – witzig. Der links grüne Spiegel weist auf positive Ergebnisse hin, wenn Kraftfahrzeuge von den Straßen verschwinden. LOLL. Zudem ist die Laurentiusstraße mit ihrem steilen Anstieg gar nicht vergleichbar mit einer Straße, innerstädtisch, ohne Anstieg. Den anliegenden Gewerbetreibenden wurden mehrere größere Fachkanzleien genannt, die dieses Meisterwerk der Bergisch Gladbacher Verwaltung und Bürgermeister Stein vor dem VG direkt zum kippen bringt. Ob die anliegenden Gewerbetreibenden nutzen, wir werden sehen.

    1. Was hat das nun mit Flüchtlingsunterkünften zu tun? Man kann wirklich nicht auf jedes Thema mit „Laurentiusstraße“ antworten …

  3. @Redaktion: Vielen Dank für die aktuellen Informationen. Wie viele Flüchtlinge, ohne die Ukrainer, sind denn in GL und auch dem RBK jeweils insgesamt gemeldet?