Der TheaterWeltenErschaffen e.V bringt ein Stück auf die Bühne, das mehr als 80 Jahre alt ist, aber in dieser Inszenierung höchst aktuell daher kommt – so kurz vor der Apokalypse. 

Text: Antje Schlenker-Kortum
Fotos: Helga Niekammer

+ Anzeige +

Das Amateurtheater zeigt „Der Weltuntergang – Wir leben nicht mehr lang“ in die Kirche zum Frieden Gottes und im Theas Theater. Nach einen Original von Jura Soyfer wird das Stück von 1936 durch das Amateurtheater neu- und uminterpretiert. Wir haben die Generalprobe besucht und mit dem Leiter Heinz-D. Haun gesprochen.

Der TheaterWeltenErschaffen e.V. besteht schon seit 2007 und versteht sich als Freundes- und Förderverein und ist Mitglied im Bund Deutscher Amateur-Theater. Er entstand aus einer Kooperation zwischen der Kreativitätsschule und der Wirkstatt für neuen Wind. Seither leitet der Theaterpädagoge Heinz-D. Haun die Theatergruppe.

Heinz-D. Haun, rechts im Bild, beim Soundcheck bei der Generalprobe

Weder postdramatisch, noch avantgardistisch oder abgehoben elitär, mache man Theater zum Anfassen und mit Nähe zum Publikum. Die Stücke wollen unterhaltsam sein, aber auch mit inhaltlichen und künstlerischen Anspruch.

Das Theater verspricht Geschichten, die in verschiedenen Welten spielen, verrückt, skurril, schräg und grotesk. Man habe die gemeinsame Liebe dazu, das Absurde im Handeln des Menschen aufzuspüren und ihm vor Augen zu führen.

Weltuntergang hausgemacht

Der Weltuntergang – Wir leben nicht mehr lang“ ist ein Stück des ukrainisch-österreichischen Schriftstellers Jura Soyfer. Es wurde 1936 uraufgeführt und zeigt die Menschheit vor der Apokalypse, der drohenden Zerstörung der Welt durch einen Kometen, der der Erde immer näher kommt.

Die Erde wird vom Menschen geplagt. Sonne, Saturn, Mars, Venus – Mond – beschließen der Erde zu helfen, indem sie einen Kometen (mit Sturzhelm) lossenden.

So weit, so nah am Original. Doch TheaterSchaffenWelten hat dem betagten Stück ein Update verpasst. Denn ganz zu Recht könnte man meinen, die Wahrscheinlichkeit vom Kometen getroffen zu werden, ist verschwindend gering, ja absurd, angesichts heutiger, viel drängenderer Katastrophen-Warnungen.

Die Theatertruppe hat den Weltuntergang von einem fremdgelenkten zu einem „hausgemachten Problem“ erweitert, abgewandelt und in eine skurrile Welt aus Chansons und Schlagern eingebettet.

Im Prolog wird man eingestimmt auf das ganz reale Problem des Artensterbens.

Schon der Prolog ist neu. „Gott sei Dank ist dieser Käfer endlich weg.”

Alles beginnt mit dem Verschwinden eines „kleinen unangenehmen Käfers”.  Dann merken die Bewohner dieser Insel, dass eine Stimme fehlt, jenes Vogels, dessen „Nahrung der kleine dreckige Käfer war.” Vier Erzähler berichten in einer zusammenhängenden Geschichte, welche Auswirkungen schon ein einziges Ereignis auf die Nahrungskette und die natürliche  Balance hat.

Ereignis für Ereignis spitzt sich die Situation exemplarisch zu, von der anfänglichen Insektenplage, zu Giftstoffen in Nahrungsmitteln bis zum Steigen der Preise, Klimaerwärmung und Meeresanstieg. „Wie um Himmels Willen kam es soweit?”

„Der Weltuntergang hat schon begonnen”

„Um das vorauszusehen, braucht man kein Prophet zu sein”, mahnt die rückwärtsgerichtete Gestalt

Nach dem Auftitt einer Seherin beginnt der originale Prolog von Jura Soyfer. Die herrlich herrschsüchtige Sonne konsultiert ihre Planeten, denn sie sorgt sich um die Erde.

„Sie sticht von der Vollkomenheit der Schöpfung ab, sie ist aus dem Takt geraten.” Man diagnostiziert die Ungezieferplage „Homosapiens” und beschließt „eine Radikalkur für die Erde”. Kurzerhand wird Ronaldo Gonzales, der Komet von seinem ursprünglichen Weg abgebracht und Richtung Erde geschickt, um sie „zu desinfizieren”.

Professor Adalbert Guck versucht den Untergang zu verhindern. Er hat eine Maschine erfunden, die den Kometen ablenken könnte. Leider fehlen ihm die Mittel zur Umsetzung.

Die Berichterstattung weltweit überschlägt sich angesichts des nahenden Weltuntergangs. „Kniet nieder und fleht um ein Wunder.”

Der amerikanische Präsident leugnet die Tatsachen. Trotz gut pointierter Überspitzung kommt die Karikatur leider nicht an das Original heran.

Ein Schlagermedley reißt den Zusachauer plötzlich aus dem Déjà-Vu-Gefühl von vertrauten Nachrichtenszenen. Überzogen peinlich tanzen die Hedonisten zu Schlagern und Gassenhauern. Im anschließenden, quietschbunten Smalltalk übertrumpft man sich mit Phrasen über den Welterschöpfungstag, Billigflug, Shoppingpreisen und Klima. Man habe „gelesen, dass die Fische mit Nanopartikeln und Plastik gefüttert werden”.

Spätestens jetzt sollte sich beim Zuschauer das Gefühl des Fremdschämens einschleichen, denn man nimmt ein bewußt schlecht inszeniertes Spiel wahr. Die überzogen peinlich dargestellten Hedonisten, wie auch die flachen Karikaturen von Politikern sind näher an der Realität, als uns lieb ist.

Ganz folgerichtig besingt Udo Jürgens dieses ohnmächtige Gefühl mit dem auf Partys beliebten, aber geistreichen Chanson „Willkommen beim Tanz auf dem Vulkan”.

Eine typische Debatte unter Politikern. „Sie werden verstehen, dass unter dem Weltuntergang keineswegs das europäische Gleichgewicht leiden darf.” „Was wollen sie unternehmen?” „Nichts. Das ist immer das Sicherste.”

Eine Szene mit debattierenden Poitikern und absurden Phrasen über gegenseitige Grenzen und diplomatische Vertagungen „bis 10 Tage nach Weltuntergang” erinnert vor allem an die vermeintlichen Ergebnisse der Weltklimakonferenz.

Mit Schifferkalvier und Klarinette spielt das Orchester Chansons und Schlager, Ohrwürmer die aber auch per Lautsprecher ertönen, darunter Kompositionen von Nino Rota, Jimmy Berg, Georg D. Weiss / Bob Thiele, Karl Erpel, Michael Jary, Gustav Holst und Udo Jürgens

Ganz harmonisch schließt sich die nächste Gesangseinlage von einem Mann in Diven-Kostüm an, ganz frei nach Zarah Leanders Performance von  „Davon geht die Welt nicht unter, die wird ja noch gebraucht.” Der Chanson erinnert vermutlich nicht zufällig an die dekadente Feierstimmung im Führerbunker, kurz vor dem Zusammenbruch, nach dem gleichnamigen Film „Der Untergang” von  Oliver Hirschbiegel.

Damit steuert das Stück unser Gewissen in die Vergangenheit deutscher Geschichte nebst traumatisierter, aber überlebter Zeiten und Erinnerungen an reale Untergänge. In der zweiten Strophe wird Zarah Leander, eine höchst einsichtige, mahnende Haltung angedichtet:. „Ja so sang ich damals mitunter in dieser braunen Zeit” (…), damals ging die Welt schon mal unter, drum Leute passt besser auf.”

Damit wird der Bogen geschlagen zu Jura Soyfer, der das Stück 1936 geschrieben hat, im Angesicht des aufkommenden Faschismus.

Mit dem Nachgeschmack, dass die Ereignisse sich in jeden Moment überschlagen könnten, endet diese Rezension mit der Spielpause.

Humor mit ernsthaften Hintergrund

Im Gespräch mit Theaterleiter Haun wollen wir nun mehr über den Hintergrund erfahren und einen Ausblick, wie es weitergeht. „Der Originaltext mache ungefähr zwei Drittel der Inszenierung aus. Völlig frei erfunden seien die Hedonisten, Karnevalisten und beispielsweise die „Bundesklimacanclerin”, die im zweiten Teil ihren fulminaten Auftritt haben würden.

Auch das Ende sei völlig neu geschrieben. Im Original habe der Komet die Erde verschont, denn er habe sich in die Erde verliebt. „Das gefiel uns nicht.”

Theaterpädagoge Heinz-D. Haun erzählt von sehr überraschenden Wendungen, von interaktiven Elementen, Szenen die in die Realität des Zuschauers eingreifen könnten oder doch nicht? Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten. Am Samstag war Premiere. Nur noch vier Vorstellungen. Nur wenige Karten sind noch verfügbar.

Schauspieler und Schauspielerinnen:

Das Orchester:

  • Ines Geck
  • Günther Rodenbach

Musik:

Kompositionen von Nino Rota, Jimmy Berg, Georg D. Weiss / Bob Thiele, Karl Erpel, Michael Jary, Gustav Holst und Udo Jürgens

Leitung:

Heinz-D. Haun, Wirkstatt für neuen Wind

Spielorte:

Kirche zum Frieden Gottes, Martin-Luther-Str. 13, 51469 Bergisch Gladbach:

  • Fr. 29.3.19, 19h
  • So. 31.3.19, 18h

Eintritt frei – Spenden erbeten!

Reservierung: 02202-250837 oder info@tweev.de

Achtung: Terminänderung für die Aufführungen im THEAS Theater!

THEAS Theater, Jakobstr. 103 51429 Bergisch Gladbach:

  • Fr. 5.4.19, 20h
  • So. 7.4.19, 16h

Eintritt 12 Euro, ermäßigt: 10 Euro

Reservierung: 02202-9276500

Reden Sie mit, geben Sie einen Kommentar ab

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.