Warum ist es so schwierig in Bergisch Gladbach, einen Platz in einem Schwimmkurs zu bekommen? Ab wann (und wie) sollte ein Kind überhaupt schwimmen lernen? Und wie kann man dabei helfen, es ans Wasser zu gewöhnen, wenn man keinen der begehrten Kursplätze bekommt? Darüber haben wir mit Dirk Eggenstein vom Schwimmverein Bergisch Gladbach gesprochen.
Herr Eggenstein, wie wichtig ist Babyschwimmen?
Dirk Eggenstein: Mit der späteren Schwimmerlernung hat es nicht viel zu tun. Allerdings: Babys sind ja noch viel näher dran an dem Element Wasser, sie kennen es aus dem Mutterleib. Wenn man Babys ins Wasser legt, schließen sie zum Beispiel nicht die Augen – dieser Reflex kommt erst später.
Wir entwickeln uns immer weiter weg vom Wasser. Wenn man mit später als Kind anfängt Schwimmen zu lernen, muss man sich dann im Zweifel erst wieder daran gewöhnen.
Allerdings dürften die meisten Eltern es nicht leisten können, ihr Kind vom Babyalter an durchgehend in Schwimmkursen zu halten. Wie viel nach ein paar Jahren vom Babyschwimmen übrig bleibt, kann ich nicht sagen.
Da kommen dann Kurse zur Wassergewöhnung für (Klein-)Kinder ins Spiel. Was bedeutet das?
Das ist die Basis fürs Schwimmenlernen, und das ist total wichtig. Man muss die Grundvoraussetzungen begriffen haben – bei Kindern funktioniert das weniger intellektuell als über die Körpererfahrung.
Wassergewöhnung ist die Basis fürs Schwimmenlernen.
Dirk Eggenstein
Da ist zum Beispiel der Kopfstellreflex: Wir versuchen im Wasser immer den Kopf zu heben. Dabei ist das genau verkehrt. Wasser trägt einen nämlich grundsätzlich. Aber sobald man den Kopf hebt, geht das Gewicht des Kopfes auf die Füße – und die sinken nach unten. Es sollten immer so viele Körperteile wie möglich im Wasser sein.
Wie kann man sein Kind ans Wasser gewöhnen, wenn man keinen Platz in einem Kurs bekommt?
Zu Hause in der Badewanne oder Dusche. Lassen Sie dem Kind spielerisch Wasser über den Kopf laufen. Legen Sie Seesterne auf den Boden der Wanne, sodass das Kind vielleicht sogar eintauchen muss, um sie anzugucken.
Das ist nur rudimentär, aber so gewöhnt sich das Kind zumindest ein bisschen ans Wasser. Sonst ist das beim Schwimmstart ein komplett fremdes Medium.

Ab welchem Alter sollten Kinder schwimmen lernen?
Wir nehmen, wie viele andere Vereine auch, Kinder ab fünf Jahren in unsere Frühschwimmerkurse auf. Das liegt ganz einfach daran, dass Kinder unter fünf meistens motorisch noch nicht so weit sind, dass sie das Seepferdchen zügig schaffen.
Ein fünfjähriges Kind braucht im Schnitt 25 Stunden bis zum Seepferdchen. Ein vierjähriges eher 50 Stunden. Das ist für das Kind blöd, für die Eltern auch, die mehr bezahlen müssen. Und das sorgt dafür, dass noch weniger Plätze in den Frühschwimmerkursen frei sind.
In den USA fangen die Kinder mit Kraul an.
Und wie sollten Kinder das Schwimmen erlernen?
Die meisten machen es so, wie es vor 20 Jahren von der Sporthochschule empfohlen wurde: Brust-Armzug und Kraul-Beine. Ich persönlich halte das aber nicht für günstig. Solange der Kopf über Wasser bleibt, ist das nicht wirklich Schwimmen.
In den USA fangen die Kinder mit Kraul an. Ich bin der Meinung, dass das zusammen mit Rücken die einfachste Schwimmart ist. Auf dem Rücken hat man den Vorteil, frei atmen zu können.
Alle Schwimmkurse für Kinder in GL
Wir haben recherchiert, telefoniert und eine (hoffentlich) vollständige Liste aller Schwimmkurse für Kinder in unserer Stadt erstellt. Spoiler: Es ist schwierig, einen Platz zu bekommen. Noch schwieriger, weil sich durch Corona ein großer Rückstau gebildet hat. Doch es gibt Möglichkeiten. Manche langfristiger, andere spontaner. Schaut gleich nach, was für euch passen könnte! Und für die Osterferien gibt es ein besonderes Angebot.
Wann kann man denn sagen, dass ein Kind schwimmen kann? Mit dem Seepferdchen?
Das Seepferchen reicht hinten und vorne nicht, damit kann man ein Kind nicht alleine schwimmen lassen. Viele sagen, Bronze sei ein Indikator. Ich würde sogar sagen, ein Kind sollte mindestens Silber haben, um alleine sicher schwimmen zu können.
Schwimmen ist mehr als eine Sportart, Schwimmen ist eine Kulturtechnik.
Das ist so wichtig. Schwimmen ist mehr als eine Sportart, Schwimmen ist eine Kulturtechnik. Es ertrinken immer noch zu viele Menschen. Schwimmen muss man einfach können.
Umso verwunderlicher, dass es so schwierig ist, einen Platz in einem Schwimmkurs zu bekommen. Woran liegt das?
In Bergisch Gladbach sind in den letzten Jahren einige Bäder geschlossen worden. Angefangen bei der Saaler Mühle vor 20 Jahren, vor neun Jahren das Bad des Rheinischen Turnerbundes. Nun vor drei Jahren der Mohnweg. Dort haben viele Schwimmkurse von Vereinen und Schulen stattgefunden.
Hinzu kommt, dass sich über die Coronazeit viel Bedarf aufgebaut hat. Wenn die Bäder offen geblieben wären, würden wir es heute wohl gerade so hinkommen. Aber für den Stau, den wir immer noch abarbeiten, haben wir einfach zu wenige Wasserflächen.
Ein Bad ist leider grundsätzlich ein Zuschussgeschäft.
Dirk Eggenstein
Damit ist Bergisch Gladbach nicht alleine…
Nein. In den letzten Jahren haben überall jede Menge Bäder geschlossen. Viele Kommunen gehen auf dem Zahnfleisch, und ein Bad ist leider grundsätzlich ein Zuschussgeschäft. Es lässt sich nicht mit schwarzen Zahlen betreiben, wegen der Energiekosten und wegen der vielen Leute, die dort arbeiten. Das kann mit Eintrittspreisen nicht aufgefangen werden.
Von anderen Vereinen habe ich gehört, dass sie auch Schwierigkeiten haben Schwimmlehrer:innen zu finden.
Da haben wir als großer Verein, der nur auf Wassersport ausgerichtet ist, einen Vorteil: Wir rekrutieren Jugendliche aus unseren eigenen Kursen. Aber da sind wir eine Ausnahme. Es fehlen überall Leute.

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Gibt es denn irgendwelche Aussichten auf Besserung?
Das ist vor allem eine politische Frage. Der jetzige Bürgermeister Frank Stein versucht viel möglich zu machen. Das brauchen wir auch unbedingt. Statt einem Tag haben wir nun zwei Tage die Woche ausschließlich Schul- und Vereinsbetrieb im Kombibad Paffrath.
Die letzten beiden Jahre hat die Stadt in den Ferien das Zandersbad zur Verfügung gestellt, damit wir Schwimmkurse anbieten konnten. Das wird dieses Jahr wohl leider nicht mehr passieren, wegen der hohen Energiekosten.
Allerdings gibt es immerhin erstmals ein festes Wort, dass der Mohnweg wieder errichtet wird. Ich bin gespannt, wie sie das Bad klimaneutral beheizen wollen …

Was macht man, wenn man keinen Platz in einem Schwimmkurs bekommt? Dann geht man mit seinen Kindern regelmäßig in ein öffentliches Schwimmbad und bringt ihnen dort das Schwimmen bei. Das hat viele Generationen lang bestens funktioniert. Und da die meisten wohl keine Karriere im Schwimmsport vor sich haben, ist es auch egal, wenn sich kleine technische Fehler einschleichen – Hauptsache, das Kind kann sich längere Zeit über Wasser halten und darin vorwärtsbewegen.
Hallo Drucker, ich stimme Ihnen voll zu. Auch mir und meinen Geschwistern wurde durch unsere Eltern das Schwimmen beigebracht. Wie so viele Dinge des täglichen Lebens.
Theoretisch haben Drucker und Babsy recht. In der Praxis wurden leider öffentliche Badeanstalten kaputtgespart oder geschlossen und private Luxus-Badeanstalten steuerlich begünstigt und mit öffentlichen Geldern gefördert. Deswegen ist es dort oft zu voll, um Kindern Schwimmen beizubringen. Dumm ist es auch, wenn man beim Schwimmen beibringen vom Bademeister aus dem Schwimmerbereich in den Nichtschwimmerbereich verwiesen wird. Wenn dann der Nichtschwimmerbereich mit rücksichtslosen planschenden Senioren überfüllt ist, ist der Bademeister leider gar nicht mehr streng.
Da ist was dran, aber es gibt immer auch für Eltern und Kinder erreichbare Zeiten, in denen man Platz genug hat. Und geeignete Schwimmbäder gibt es schon noch. In den südlichen Stadtbereichen kann man mit der Linie 1 in gut 10 Minuten am Kombibad Höhenberg sein, in den nördlichen Stadtgebieten, kommt man ganz gut nach Paffrath.
Kann bei dieser Katastrophe nicht das Mediterana aushelfen? Die Kinder unserer Stadt könnten schwimmen lernen und dem Mediterana wären alle dankbar, Win Win Situation.
Im Mediterana wird derzeit das Becken modernisiert, das dauert noch 9 Monate, in dem meine große Tochter beim Jörg Ihre ersten Schwimmerfahrungen gesammelt hat. Bester und sympathischster Schwimmlehrer den ich kennenlernen durfte.