Über die VR-Brille werden die Patienten am EVK in einem sicheren Umfeld mit angstauslösenden Situationen konfrontiert, Foto: Daniel Beer

Neue Wege in der Behandlung von Angststörungen geht das Evangelische Krankenhaus. Patient:innen werden jetzt auch mit Virtual-Reality-Brillen therapeutisch begleitet. Unter kontrollierten Bedingungen lernen diese, mit angstauslösenden Situationen wie zum Beispiel großen Höhen umzugehen. Das Verfahren soll ähnlich erfolgreich sein wie die klassische Verhaltenstherapie.

Fast jeder Mensch hat Ängste – vor Menschenmengen, großer Höhe, engen Räumen oder Tieren wie Spinnen und Hunden. Bei den meisten Menschen ist es lediglich ein ungutes Gefühl, doch manche leiden unter Angststörungen mit extremen körperlichen und psychischen Symptomen. Die Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Evangelischen Krankenhauses Bergisch Gladbach (EVK) setzt als modernes Behandlungsverfahren bei verschiedenen Angststörungen jetzt sogenannte Virtual-Reality-Brillen ein. Der EVK-Förderverein hat den Kauf der Brillen unterstützt.

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Die VR-Brillen werden im Rahmen der Verhaltenstherapie als moderne Form sogenannter Expositionstechniken eingesetzt. Dabei werden Patienten therapeutisch begleitet virtuell mit der angstauslösenden Situation konfrontiert, wie Chefarzt PD Dr. med. Fritz-Georg Lehnhardt erklärt: „Ziel ist es, dem Patienten zu vermitteln, dass die angstauslösende Situation nicht gefährlich ist und er durch die regelmäßige und schrittweise Konfrontation mit diesen harmlosen Auslösern die Angst davor verliert.“

Simulation angstauslösender Situationen

In der Behandlung trägt der Patient die VR-Brille, die über einen eingebauten Bildschirm eine real gefilmte Umgebung oder eine realistische Computersimulation zeigt. Der Brillenträger kann sich in dieser Umgebung in alle Richtungen (360 Grad) umschauen und bewegen. „Das ermöglicht die emotionale Konfrontation mit der angstauslösenden Situation unter kontrollierten Bedingungen“, sagt Dr. Lehnhardt. Es können so beispielsweise der Innenraum eines Fahrstuhls oder eine Flugzeugkabine simuliert werden.

Foto: EVK

Sensoren erfassen die Bewegungen des Kopfes und die Blickrichtung. Die Bilder werden entsprechend angepasst. Dr. Lehnhardt: „Hierdurch kann der Patient tief in die virtuelle Realität eintauchen. Dies wird Immersion genannt.“ Für Patienten sei die Hemmschwelle für die Konfrontation mit dem Angstauslöser durch die VR-Brille wesentlich geringer, so Dr. Lehnhardt. Der Therapeut kann die Übung außerdem viel einfacher planen und durchführen.

Kaum Nebenwirkungen

Nach einer Einweisung durch geschulte Therapeuten in das System erfolgt die Behandlung mittels therapeutisch begleiteter Exposition in zwei bis fünf Sitzungen pro Patient. Der Therapieerfolg wird über entsprechende Rückmeldungen während der Sitzung sowie in der Nachbesprechung mit dem Therapeuten und durch Fragebögen erhoben. Als Nebenwirkung könne lediglich die sogenannte Cybersickness auftreten, die der Seekrankheit ähnelt, erklärt Dr. Lehnhardt.

Virtuelle Realität als Expositionstherapie (VRET) ist laut wissenschaftlichen Untersuchungen bei der Behandlung von verschiedenen Angststörungen ähnlich wirksam wie die klassische Verhaltenstherapie. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen überprüfen derzeit die Effektivität und Verträglichkeit der VRET auch bei weiteren psychischen Erkrankungen.

Das im EVK verwendete System der Firma Lab E GmbH wird hier bereits für folgende Bereiche eingesetzt: Angst- und Panikstörungen, soziale Phobie und Unterstützung der Regulationsfähigkeit bei inneren Anspannungszuständen.

Hintergrund Angststörungen

Menschen mit Angststörungen haben in der Regel gelernt, einen an sich harmlosen Auslöser mit übermäßig starken Angstgefühlen zu verbinden. Dies kann eine Situation oder eine bestimmte Sache sein. Ursachen für diese sogenannte Fehlkonditionierung können vielfältig sein. Ängste gehen oft mit starken körperlichen Reaktionen einher. Patienten sind die Auslöser aber nicht immer klar. Häufig werden zunächst körperliche Ursachen vermutet und körperlich-medizinische Abklärungen veranlasst.

Bis zu einer korrekten Diagnosestellung von Angsterkrankungen können teilweise mehrere Jahre vergehen. Angststörungen sind eine der häufigsten psychischen Erkrankungen im Erwachsenenalter. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch während seines Lebens an einer behandlungsbedürftigen Angststörung erkrankt, liegt bei bis zu 30 Prozent. Manche Angsterkrankungen, wie z.B. die Panikstörung, stellen eine extreme psychische und wirtschaftliche Belastung für den Patienten dar. Heute sind jedoch alle Formen der Angststörung mit modernen Möglichkeiten der Psychiatrie und Psychotherapie sehr gut behandelbar.

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