Ein musikalischer Tausendsassa feiert Geburtstag: Seit zehn Jahren leitet der Pianist und Dirigent Roman Salyutov das Sinfonieorchester Bergisch Gladbach. Umtriebig hat er es seither nicht nur vom Kammerorchester zu einem gestandenen, nachgefragten Klangkörper entwickelt. Sondern auch das Repertoire und die konzertante Geografie deutlich vorangetrieben.

Text: Holger Crump. Fotos: Thomas Merkenich

Es war ein leiser Geburtstag. Schon im Januar jährte sich Roman Salyutovs künstlerische Leitung beim Sinfonieorchester Bergisch Gladbach zum zehnten Mal. Großes Aufhebens um seine Person macht der Konzertpianist und Dirigent darum nicht.

Wer ihn näher kennt der weiß: Roman Salyutov, der auch einen Doktortitel in Musikwissenschaften hält, geht es weniger um seine Person, sondern stets um die Sache. Was in seinem Falle heißt: So oft wie möglich auf der Bühne stehen, als Solist, mit Kammerensembles, am Dirigentenpult „seines“ Sinfonieorchesters.

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Rein in die Schlacht

Dabei brachte ihn ein Zufall auf diesen Posten. Sein Vorgänger Stefan Kames hatte gefragt, ob er nicht die Leitung des – damals noch – Kammerorchesters übernehmen wollte. „Ich sah den Gestaltungsspielraum und habe mich in die Schlacht geworfen“, blickt Salyutov zurück.

Für ihn als Berufsmusiker habe das bedeutet, ein Laienorchester nach seinen Ansichten zu gestalten: Weg vom gemütlichen Vereinsleben, hin zu regelmäßigen Proben, zu neuem Repertoire, zum Zusammenspiel mit professionellen Solisten und zu überregionalen Konzerten.

Ambitionen eines gestandenen Laienorchesters, für das der Klangkörper heute steht und häufig eingeladen wird.

Ohne deutliche Ansagen geht das aber nicht: „Einer muss sagen wo es langgeht, da halte ich es ganz mit Gustav Mahler“, sagt Salyutov. Er stehe dazu, auch entschieden zu führen, die Resultate gäben ihm letztlich Recht.

Wenn zwei Musiker gehen und drei kämen wäre das für ihn unter dem Strich in Ordnung. Ein Viertel der Musiker:innen habe ihr bzw sein Instrument studiert. Das hört man, sowohl klanglich als auch im Repertoire.

Foto: Thomas Merkenich

Vom Kammer- zum Sinfonieorchester

Als er das Orchester übernimmt, das 2013 noch „Kammer-“orchester genannt wird, spielt er Mozarts Sinfonie g-Moll KV 550. Es folgen Beethovens Eroika, die Erste von Brahms. „Alles innerhalb von eineinhalb Jahren“, berichtet Salyutov nicht ohne Stolz.

Im März 2015 kommt dann die Umbenennung von Kammer- in Sinfonieorchester – aufgrund des deutlich erweiterten Repertoires und der gestiegenen Mitgliederzahl. Die Zahl der Köpfe im Orchestergraben hat sich von 25 mittlerweile auf 50 verdoppelt.

Zur Person – Roman Salyutov: Ausgebildet wurde der Konzertpianist und Dirigent u.a. am Rimsky-Korsakov Staatskonservatorium in St. Petersburg sowie an der Musikhochschule Köln. Die Promotion erfolgte 2011 an der Universität Paderborn über das Klavierschaffen von Cesar Franck. Konzerte als Solist und Kammermusiker in Deutschland, Europa, USA, Japan, Australien, Neuseeland und Israel.

Salyutov lebt seit 2004 in Bergisch Gladbach, leitet seit 2013 das Sinfonieorcheser in der Stadt und ist seit 2016 Vorsitzender des Vereins Musik- und KulturFestival GL. Er organisiert und leitet immer wieder zahlreiche Kulturveranstaltungen, ist als Musikpädagoge und Dozent aktiv. Mehr Infos online.

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Es folgen Meilensteine – Beethovens Neunte, die das Ensemble am 4. Oktober 2015 gemeinsam mit dem Konzertchor im Bergischen Löwen aufführt , zum Tag der Deutschen Einheit.

Ein Konzert in der Tonhalle Düsseldorf, aus Anlass des 50. Geburtstages des Ensembles, das 1968 als Verein eingetragen worden war.

Nicht zu vergessen die szenische Aufführung von Mozarts Don Giovanni in 2018 – die erste eigenständige Opernproduktion in Bergisch Gladbach.

Seither seien Repertoire und Anspruch weiter gewachsen, sagt Salyutov. Demnächst steht Brahms 3. Sinfonie sowie Rachmaninovs 3. Klavierkonzert im Bergischen Löwen auf dem Programm, mit Salyutov als Solist am Klavier. Geplant sind im 2024 zudem Mendelssohns Elias, die Sinfonia Conertante von Prokofiev sowie das 1. Klavierquartett von Brahms, in einer Bearbeitung für Orchester von Schönberg.

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Das Repertoire des Sinfonieorchesters Bergisch Gladbach wächst um zwei neue Werke. Und die sind beim Konzert am 3. September im Bergischen Löwen zu hören. Neben der 3. Sinfonie von Brahms steht Rachmaninovs 3. Klavierkonzert auf dem Programm. Was auch auch für den Leiter des Orchesters, Roman Salyutov, eine Premiere ist. Er wird es erstmals als Solist am Klavier aufführen – und zugleich dirigieren.

Proben auch in den Ferien

Salyutov treibt das Orchester voran: „In 2022 haben wir, nach der Pandemie, zehn Konzerte in einem Jahr gespielt. Das ist für ein Nicht-Berufs-Orchester einfach spitze“, freut er sich. Das gehe indes nur mit regelmäßigen Proben, die er wöchentlich „durchzieht“, Urlaubspausen gibt es nicht mehr. Vielmehr kämen noch Sonderproben dazu, zum Beispiel für Rachmaninovs 3. Klavierkonzert, um an Feinheiten zu feilen.

Unter seiner Hand hat sich das Orchester auch deutlich verjüngt. „Das jüngste Orchestermitglied fing mit 14 Jahren bei uns an.“ Klassische Jugendarbeit mit jungen Kammerensembles gebe es zwar nicht. „Wir versuchen jedoch die jungen Talente, die teils auch von der Max-Bruch-Musikschule zu uns kommen, gut ins Orchesterspiel einzubinden.“

Dazu achte man auf gute Pultnachterschaften – die Rookies würden im Ensemble neben alten Hasen platziert, um sich von ihnen etwas abzuschauen und Tipps im Zusammenspiel zu bekommen.

Foto: Thomas Merkenich

Auch junge Solisten seien immer wieder mit dabei, zum Beispiel von der nahen Musikhochschule in Köln, oder aus dem Ausland. „Die stehen oft vor ihrer Prüfung als Profimusiker, fühlen sich im Orchester aufgehoben und spielen gerne mit uns“, fasst er zusammen.

Trennung von Politik und Kultur

Debatten über russische Kultur und den Angriffskrieg auf die Ukraine kann Salyutov nichts abgewinnen. Und erzählt von einem Konzertveranstalter, der ihn jüngst vor einem Konzert gebeten habe, sich als Musiker mit russischen Wurzeln von Putin zu distanzieren. „Warum muss ich mich von ihm distanzieren, wenn ich nie zu dessen Kreis gehört habe?“ fragt er.

Eine Ansprache des Publikums zu Beginn seines Auftritts hat es mithin nicht gegeben. Vielmehr wählte er Rachmaninov als Zugabe. Verbunden mit der Aufforderung an seine Zuhörer:innen, das Schaffen russischer Komponisten von der „politischen Situation“ zu trennen. Den Beitrag der russischen Kultur zur Weltkultur nicht auf den Angriffskrieg in der Ukraine zu reduzieren.

Salyutov verweist darauf, dass während der Leningrader Blockade durch Deutsche Truppen im Zweiten Weltkrieg vor Ort durchaus Bach und Beethoven aufgeführt worden seien. „Das waren große Humanisten!“ Umgekehrt müsse dies auch möglich sein.

Statt plakativer Distanzierung setzt Salyutov auf Taten. Und hat zu Beginn des Krieges eine Spendenaktion für Menschen in Kiew organisiert.


Das Bürgerportal hat die Produktionen von Roman Salyutov mit verschiedenen Ensembles und das Sinfonieorchester immer wieder mit einem Videoteam begleitet, vieles davon während der Pandemie im Rahmen des #Kulturkuriers. Hier können Sie einiges davon anschauen und anhören, weiter unten finden Sie mehr Texte:

war bis Anfang 2024 Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals.

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