DRK-Geschäftsführer Reinhold Feistl mit dem ersten Jahrgang der „Zukunftswerkstatt“. Foto: Thomas Merkenich

Rund 1500 Fachkräfte für die Pflege fehlen in den kommenden Jahren alleine im Rheinisch-Bergischen Kreis. Um diese Lücke ein Stück weit zu füllen setzt der Kreisverband des Deutschen Roten Kreuz (DRK) noch stärker auf Nachwuchs aus dem Ausland: In einer neuen Ausbildungsstätte im Klefhaus schult er bereits die ersten jungen Leute aus Marokko und Indien. Nach den Plänen von DRK-Chef Reinhold Feistl ist das erst der Anfang für ein großes Kooperationsprojekt.

Das Klefhaus ist ein altes Schullandheim in Overath, direkt hinter der Ortsgrenze von Bergisch Gladbach in herrlicher Landschaft, aber ziemlich abgelegen. Seit Corona war es nicht mehr richtig genutzt worden, doch jetzt ist hier eine Gruppe von 16 jungen Menschen aus Indien und Marokko eingezogen. Sie sind die ersten Teilnehmer:innen der „Zukunftswerkstatt“ des DRK Rhein-Berg – das hier einen Grundstein für die Bewältigung des Pflegenotstands legen will.

+ Anzeige +

„Wir haben einen akuten Notstand, wir brauchen in allen Bereichen der Pflege dringend Personal – das muss alles viel schneller gehen“, sagt Reinhold Feistl, der als Geschäftsführer des DRK-Kreisverbandes Rheinisch-Bergischer-Kreis e.V. das Projekt ausgedacht und vorangetrieben hat. Mit eigenen Kräften des DRK habe er das Klefhaus in den vergangenen Monaten gründlich auf Vordermann gebracht, berichtete Feistl bei einem Presserundgang.

Fotos: Thomas Merkenich

Gute Vorbildung ist Pflicht

Ab sofort dient das Klefhaus als eine Art Ausbildungsinternat: Fachkräfte, die in ihren Heimatländern bereits einen Bachelor in Gesundheits- und Krankenpflege erworben haben, werden hier für den Einsatz im deutschen Gesundheitswesen fortgebildet und auch untergebracht. In einem ersten Schritt lernen die (noch besser) Deutsch. Auch hier bringen sie Grundkenntnisse mit.

Innerhalb von sechs Monaten werden so bis zu 27 Pflegekräfte fit gemacht. Pro Jahr kann das Klefhaus also mehr als 50 Fachkräfte in die Pflegedienste und Heime qualifizieren. Zum Vergleich: aktuell bildet der DRK Rhein-Berg in allen seinen Einrichtungen „nur“ 21 Pflegekräfte pro Jahr aus.

Hintergrund: Das Klefhaus war ein Schullandheim, zuletzt in privater Trägerschaft und wurde jetzt vom DRK langfristig angemietet. Insgesamt 500.000 Euro hat das DRK Rhein-Berg als Anschubinvestition in das Haus und das Projekt gesteckt. Das Selbstversorgerhaus verfügt über Einzel- und Doppelzimmer für bis zu 27 Personen, hinzu kommen ein gut ausgestattetes Klassenzimmer und ein Raum für die praktische Ausbildung. Im großen Außengelände ist ein Begegnungszentrum geplant, auch für die Kitas und Seniorenheime des DRK.

Der Bedarf könne auch mit der Zukunftswerkstatt nur ein Stück weit abgemildert werden, erläutert Feistl. Denn bis 2030 fehlten allein im Rheinisch-Bergischen-Kreis rund 1500 Pflegekräfte. Das DRK könne in jeder einzelnen Pflegestation locker weitere zehn Mitarbeiter:innen unterbringen – so groß sei die Nachfrage.

Schon seit 2010 wirbt Feistl Nachwuchs aus Bulgarien, Rumänien, Ungarn, später auch aus Serbien und dem Kosovo an. Weil das aber immer noch nicht reichte arbeitet das DRK Rhein-Berg jetzt auch mit Vermittlern in ferneren Ländern zusammen.

Reinhold Feistl stellt das renovierte Klefhaus vor; rot ist jetzt die vorherrschende Farbe. Foto: Thomas Merkenich

Weiter Kreis von Herkunftsländern

Im ersten Schritt werden nun junge Frauen und Männer aus Indien und Marokko ausgebildet, nächstes Jahr sollen Menschen aus Libanon und Jordanien folgen. Sie wurden bereits ausgewählt und mit Stipendien ausgestattet, um sich ganz auf das Deutschlernen konzentrieren zu können.

Die erste Gruppe ist vor wenigen Tagen im Klefhaus angekommen und lebt sich in der ungewohnten Umgebung ein. Für sie sei es jetzt besonders wichtig, gut Deutsch zu lernen, berichten sie hoch motiviert im Gespräch.

Zwar haben sie bereits vor der Abreise in einem Deutsch-Test gute Sprachkenntnisse (B1) nachweisen müssen, jetzt wollen sie auf B2 kommen. Schritt für Schritt folgt der praktische Teil der Fortbildung – dafür stehen im Klefhaus zwei voll ausgestattet Betten mit Übungspuppen zur Verfügung.

Langfristige Perspektive

Feistl stellt die Zukunftswerkstatt im Klefhaus mit großer Begeisterung vor, denkt aber bereits weit darüber hinaus. Denn die hier ausgebildeten Fachkräfte sollen nicht nur den eigenen Bedarf des DRK decken, sondern auch bei anderen Einrichtungen arbeiten können. Dafür soll es Vorstellungsrunden geben, bei denen sich die neuen Fachkräfte ihre Arbeitgeber aussuchen können. „Die Interessen der jungen Leute stehen an erster Stelle“, betont Feistl.

Feistl ist sich dennoch sicher, dass viele der Absolvent:innen beim DRK bleiben werden. Ohnehin hätten die meisten der ausländischen Kräfte eine langfristige Bleibeperspektive in Deutschland im Kopf: 53 der bislang 78 der Personen, die das DRK bislang aus dem Ausland angeworben hatte, seien noch immer beim Kreisverband tätig. Einige davon in Führungspositionen, sagt Feistl.

Jamal Bamou aus Marokko nennt das DRK-Projekt „eine tolle Chance“. Im Klefhaus fühle er sich sehr wohl, auch für ihn stehe das Erlernen der deutschen Sprache an oberster Stelle. Er habe schon lange davon geträumt, nach Deutschland zu kommen – und stellt sich jetzt darauf ein, langfristig hier zu arbeiten.

Damit das Projekt wirklich groß wird setzt das DRK auf eine Vielzahl von Kooperationen. Bereits jetzt arbeitet es eng mit dem Kommunalen Integrationszentrum des Kreises zusammen. Es soll die Auszubildenden unterstützen, in Rhein-Berg anzukommen und sich wohlzufühlen. Die Diakonie beteiligt sich an der Ausbildung, Fahrschulen sollen bei der Anpassung an deutsche Fahrpraxis helfen, Baugenossenschaften für Wohnungen sorgen. Auch die Kommunen im Kreis sollen eingebunden werden.

Wie aber fühlen sich die neuen Bewohner:innen des Klefhauses, so weit weg von der Zivilisation? Kein Problem, berichten sie, erste Ausflüge nach Bergisch Gladbach und Köln haben sie bereits gemacht. Dafür hat das DRK vier Kleinwagen und fünf Elektrofahrräder angeschafft. Damit sollen sie aber nicht bis in die Stadt fahren, sondern nur bis zur nächsten Bushaltestelle, wünscht sich Feistl. Auch ökologisches Denken gehört zu den Werten des Ausbildungsinternats.

Weitere Beiträge zum Thema

Lade…

Something went wrong. Please refresh the page and/or try again.

Reden Sie mit, geben Sie einen Kommentar ab

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.