Ganey Tikva rückt in der Videokonferenz ganz nah: Bürgermeisterin Lizza Delaricha (oben links) mit vier Bürger:innen der Stadt in Israel

Die Menschen in der Partnerstadt Ganey Tikva sind vom Krieg der Terrororganisation Hamas gegen Israel gezeichnet, viele sind traumatisiert. Bei einer Videoschalte über 3000 km hinweg wurden Entsetzen und Trauer, aber auch die Widerstandskraft der Freundinnen in Israel im Konferenzraum der Stadt Bergisch Gladbach spürbar. Bürgermeister Frank Stein sagte Hilfe zu, legt ein Spendenkonto an – und stellt sich erneut symbolisch an die Seite Israels.

Der nüchterne Raum der Stadtverwaltung Bergisch Gladbach füllt sich ganz plötzlich mit dem Grauen, das die Menschen in Israel seit dem 7. Oktober Tag für Tag erleben: Lizzy Delaricha, Bürgermeisterin der Partnerstadt Ganey Tikva, und Ruthy Vortrefflich, die den Kontakt beider Städte seit Jahren organisiert, erscheinen auf dem Bildschirm. Gezeichnet von den vergangenen Wochen, aber sie wirken tatkräftig und entschlossen.

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Sie berichten von ihren Anstrengungen, das Erlebte zu verarbeiten, Angehörigen und Flüchtlingen beizustehen und gleichzeitig das alltägliche Leben in Ganey Tikva zu organisieren. Die Schulen hätten die höchste Priorität, betont Delaricha.

46 Tagen nach dem Terrorangriff sei der Alltag wieder ein Stückchen weiter organisiert geworden, aber jeder Tag bleibe sehr hart. „Und ich weiß, unser neues Leben wird nicht dasselbe sein wie früher“, sagt Delaricha. Das Ziel sei aber klar: „Die Sicherheit und den Frieden wieder herstellen.“ (Wir dokumentieren den Wortlaut von Delarichas Bericht weiter unten.)

Hintergrund: Die Stadt Ganey Tikva mit knapp 24.000 Einwohnern liegt im Umland von Tel Aviv und ist seit zehn Jahren Partnerin von Bergisch Gladbach, das gleichzeitig mit Beit Jala im Westjordanland verbunden ist. In Ganey Tikva sind vereinzelt Granaten eingeschlagen, es gibt keine schweren Zerstörungen. Aber auch Bürger:innen der Stadt sind ermordet oder entführt worden. Zur Zeit sind rund 350 Flüchtlinge untergebracht.

Delaricha zeigt ein Video, das die Tage seit dem fürchterlichen Angriff zusammenfasst, und die Reaktionen der Städte in Israel, darunter auch Ganey Tikva. Sie blendet eine Präsentation ein, die auflistet, wie sich die Stadt auf die neue Situation eingestellt hat (siehe Dokumentation unten).

Und dann schaltet Ruthy Vortrefflich zwei Frauen zu, die aus ihrer persönlichen Perspektive erzählen, was ihren Angehörigen widerfahren ist. Da ist Dali Atias, deren Tochter Doreen beim Nova Music Festival von der Hamas ermordet worden ist. Atias erzählt von Doreen, von ihrem letzten Anruf vom Festival-Gelände, in dem sie ihre Mutter von möglichen Raketen warnt. Atias hat Doreens persönliche Sachen auf dem Festivalgelände gefunden, ihr von Kugeln durchlöchertes Auto fotografiert.

Rozi Oir, eine junge Frau aus Ganey Tikva erzählt von ihrem Cousin, der entführt worden ist, von dem die Familie – wie bei den vielen anderen Geiseln der Hamas – nichts erfährt und um dessen Leben sie bangen.

Wir dachten, es herrsche Frieden – aber das war eine Illusion.

Frank Stein

Im Konferenzraum in Bergisch Gladbach hören Bürgermeister Stein, Lutz Urbach und Susanne Schlösser aus dem Vorstand des Städtepartnerschaftsverein ebenso wie Stephan Dekker vom Partnerschaftsverein Beit Jala und weitere Mitarbeiter:innen der Stadt zu, weitgehend sprachlos.

Sie alle kennen Delaricha und Vortrefflich gut, waren noch im März in Ganey Tikva. „Ich habe eine sehr moderne Stadt kennen gelernt“, sagt Stein. „Wir dachten, es sei ein ganz normaler Besuch, es herrsche Frieden – aber das war eine Illusion.“

Niemals, so Stein, hätte er sich ausmalen können, Bürgermeister einer Stadt zu sein, die mit zwei Partnerstädten eng verbunden ist, in denen Krieg herrscht. Zähle man Beit Jala hinzu, seien es sogar drei. Auch dort, im Westjordanland befänden sich die Freunde in einer sehr schwierigen Lage, sagt Stein, „aber ohne Zweifel: Israel ist das Opfer“. Für ihn sei völlig klar, dass Deutschland Israel unterstütze, ohne Limitierungen.

Wir würden Euch so gerne helfen – aber wissen nicht wie

Lutz Urbach

Im Gegensatz zur Partnerstadt Butscha in der Ukraine, wo die Stadt, die Feuerwehr und große Teile der Stadtgesellschaft nach Russlands Angriff sehr schnell eine wichtige und wirksame Hilfe organisieren und vor Ort bringen konnte, fühle man sich jetzt aber hilflos.

Das hat auch etwas damit zu tun, erklärt Lutz Urbach, dass die Stadt Ganey Tikva so unglaublich gut aufgestellt und organisiert sei. „Wir würden Euch so gerne helfen – aber wissen nicht wie“, sagt Urbach in Richtung Bildschirm.

Delaricha lässt keinen Zweifel daran, wie wichtig der enge persönliche Kontakt und die Solidarität aus Bergisch Gladbach ist: „Ihr helft uns sehr, die Moral hoch zu halten!“

Eure Freundschaft bedeutet uns sehr viel, sie bleibt nicht unbemerkt.

Lizzy delaricha

Zuvor hatten Stein und der Partnerschaftsverein Delaricha auch formell gebeten, mögliche Bedarfe und Hilfsanliegen zu äußern. In der Nacht hatte die Bürgermeisterin geantwortet und eine Mail mit einer Reihe von Vorschlägen nach Bergisch Gladbach geschickt.

„Wir schauen es uns an und werden Wege finden, zu helfen“, verspricht Stein. Am Ende gehe es wahrscheinlich um finanzielle Unterstützung, um die Folgen des Angriffs zu verarbeiten zu können. Zum Beispiel mit Hilfe von Traumatherapien.

Spendenaktion läuft an

Dazu starten der Städtepartnerschaftsverein und die Stadtverwaltung eine Spendenaktion mit dem Ziel, einen Fond vorsorglich einzurichten, dass Zweck noch festgelegt werden soll.

Das Spendenkonto und das Kennwort:
Städtepartnerschaft Ganey Tikva-Bergisch Gladbach e.V. 
IBAN: DE08 3706 2600 4023 3620 10
VR Bank eG Bergisch Gladbach-Leverkusen 
Kennwort: Solidarität mit Ganey Tikva

Eigentlich wollten Bergisch Gladbach und Ganey Tikva in diesem Jahr das zehnjährige Jubiläum der Partnerschaft feiern, die in allen diesen Jahren „durch viele Begegnungen und Besuche, immer in friedlicher und sicherer Atmosphäre“ gekennzeichnet war, erinnert Stein – und sich nun im Krieg bewähren müsse.

Er selbst, sagt Stein, „trete ganz bewusst zum jetzigen Zeitpunkt als Bürgermeister in den Städtepartnerschaft Ganey Tikva – Bergisch Gladbach e.V. ein“, auch als Zeichen der Solidarität mit Israel. Und er hoffe, dass viele Menschen in Bergisch Gladbach diesem Schritt folgen.

Dokumentation

Der Bericht von Lizzy Delaricha im Wortlaut:

„I would like to express my heartfelt gratitude and appreciation. Your thoughtfulness and consideration during this incredibly challenging period for Israel are deeply appreciated. This is perhaps one of the most difficult times we have ever faced.

Your friendship and support mean the world to us. The concern you have shown has not gone unnoticed. We feel your presence and support every single day, and it holds immense significance for us. Germany has consistently been a loyal ally of Israel, and we cannot emphasize enough how grateful we are.

Since the tragic events of Black Saturday, we have endured acts of terror, assault, and unimaginable massacres. We find ourselves in a war, fighting to restore a sense of security and protect our beloved home. Our prayers are fervently dedicated to the safe return of all those held captive and our brave soldiers. Their well-being is of utmost importance to us.

Though the road to recovery may be long, our spirit remains unyielding, and we stand more united than ever. Our ultimate goal is to restore security and peace to our nation.

(…)

Overall, the city’s initiatives aim to strengthen community resilience, enhance emergency preparedness, and support residents in various aspects of their lives during these challenging times.“

„Ein Monat im Rückblick“: Präsentation von Lizzy Delaricha zu den Reaktionen Ganey Tikvas auf den Angriff

Das folgende Video wurde von der Stadtverwaltung Ganey Tikva zur Verfügung gestellt, zeigt Sequenzen vom Terrorangriff und der Reaktion der israelischen Armee, vor allem aber die Betroffenheit und den Umgang mit der Situation in den Städten.

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Journalist, Volkswirt und Gründer des Bürgerportals. Mail: gwatzlawek@in-gl.de.

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5 Kommentare

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  1. @Sebastian: Ihrem Disclaimer kann nur zugestimmt werden.
    Ich kann mich in diesem Kontext – exemplarisch – an 2021 erinnern, als ebenso tausende Raketen aus Gaza auf Israel abgefeuert wurde und eine klare Verurteilung dieses Terrors vonseiten Derjenigen, die sich heute – unter dem enormen situativen Druck – als große Israelfreunde aufspielen, damals ausblieb. Als ob es 2021 kein Terror gewesen wäre. Dabei sind Einige von denen auch dadurch aufgefallen, unter dem Deckmantel einer Völkerverständigung Israelhassern die Bühne zu geben oder antiisraelische Propaganda und Narrative zu verbreiten bzw. tolerieren. Solche Fälle werden übrigens verfolgt und den entsprechenden Meldestellen zur Expertise vorgelegt. Das Dossier wächst.
    Insofern darf man sich da nicht täuschen, denn Gedenken und Lippenbekenntnisse werden von vielen häufig als Indulgenz benutzt, um sich vor Kritik an ihren Aktivitäten zu schützen.
    Gilt für alle – von Privatpersonen über die Vereinsszene bis zu großen Verbänden usw.

  2. Was man für unsere Freunde in Ganey Tikva tun kann?

    Man könnte zum Beispiel ein unmissverständliches Commitment zur Integrität und zum Verteidigungsrecht Israels aussprechen.

    Man könnte den unseligen Pro-BDS-Beschluss des Stadtrates von 2018 kassieren.

    Vielleicht könnte man sogar den latenten und offenen Antsemitismus, den es zweifelsohne in unserer Stadt gibt, wenigstens mal benennen.

    Das sind nur ein paar Ideen, ich ich dazu habe, wie man helfen kann.

    1. Sehr gut Herr Verleger
      2 Ergänzungen:
      1. Wir sollten Empathie für BEIDE Seiten haben: für die Opfer der Hamas Terrormassaker in Israel und auch für die von der Hamas in Geiselhaft genommene Zivilbevölkerung in Gaza.
      2. verlangen, dass auch die MoslemVerbämde (auch in unserer Stadt !) den Terrorismus der Hamas verurteilen und Empathie auch für die israelische Bevölkerung zeigen.

      1. Die islamischen Verbände zu kritisieren ist auf jeden Fall richtig, ich verstehe nur immer nicht, was die Menschen sich davon versprechen, irgendwelche Verurteilungen und Bekenntnisse von ihnen zu verlangen. Wem nützt denn ein instrumentelles Bekenntnis zum Existenzrecht Israels und zum jüdischen Leben im Deutschland?

        Es braucht ein ehrliches Interesse und eine Veränderung der Strukturen, keine Lippenbekenntnisse.

        Disclaimer: Ich halte viele Verlautbarungen von Mehrheitsangehörigen für ebenso unnötige Lippenbekenntnisse.