Mädchen stärken ist Mädchen schützen

„Empowerment“ lautet der Schwerpunkt der diesjährigen Aktionswoche „Gegen Gewalt an Frauen“ in Bergisch Gladbach. Mit Power-Partys und Aktionstagen sollen Mädchen und junge Frauen gestärkt werden. Wir haben mit einer der Organisatorinnen darüber gesprochen, worum es geht und wie das funktioniert. Und wir haben uns bei der ersten Veranstaltung im Café Leichtsinn umgesehen.

Dass es in der offenen Jugendarbeit anders läuft als geplant, ist Regina Schumacher gewohnt. Heute kommt aber wirklich alles zusammen: Die Gesangs-Coachin hat keine Stimme, die Sexualpädagogin ist auch krank. Die Teilnehmerinnen des Mädchencafés, die eigentlich dienstags immer im Café Leichtsinn sind, machen diese Woche ein Praktikum.

Es ist 15.30 Uhr. Ich sitze mit Schumacher, der Leiterin des inklusiven Jugendzentrums, und Judith Klaßen, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, an einem großen Tisch. Im Hintergrund läuft arabische Popmusik, die Praktikantin macht Kaffee. Ansonsten ist das Café Leichtsinn leer.

Dabei findet hier seit 13.30 Uhr der „Girls*-Aktionstag“ statt. Eigentlich, so war es geplant, mit einem sexualpädagogischen Workshop, inklusivem Singen, Basteln, Glitzer-Tattoos und Waffel-Backen.

„Du bist du, und du bist etwas wert“

Nun hat Regina Schumacher kurzerhand improvisiert: Im Nebenraum des Jugendzentrums hat sie Karten aufgehängt, die sich in einfacher Sprache mit Sexualpädagogik befassen – Liebe, Hetero- und Homosexualität, Geschlechtsorgane, Sex, Verhütung …

Auf dem Boden liegen Matten mit dunkelroten Decken und herzförmigen Kissen mit der Aufschrift „Ich mag dich“ oder „I love you“. Hier will Schumacher später eine Traumreise zum Thema Weiblichkeit anbieten.

In die Mitte des Mattenkreises hat sie eine rote Decke mit Kerzen und sogenannten Affirmationskarten drapiert: Ich habe Gutes verdient. Ich bin liebenswert. Ich bin wertvoll.

„Das ist die Botschaft des Aktionstages“, sagt Schumacher. „Und das versuchen wir auch sonst hier zu vermitteln: Du bist du, und du bist etwas wert, genauso, wie du bist.“

Selbstwert und Abgrenzung seien im Café Leichtsinn enorm wichtige Themen, denn gut die Hälfte der Stammbesucher:innen hat eine Behinderung – und diesen jungen Menschen falle es noch schwerer als anderen, die eigenen Stärken zu sehen und zu sich zu stehen.

Mädchen und junge Frauen stärken

„Girls*-Aktionstage“ und „Girls*-Power-Partys“ sind ein zentraler Bestandteil der diesjährigen Aktionswoche „Gegen Gewalt an Frauen“.

Worum es dabei geht? Um Empowerment. Also darum, Mädchen und junge Frauen zu stärken. Dazu gibt es Selbstverteidungskurse, Aufklärung, Kino-Filme, die andere Leben zeigen und Tabus brechen.

Die Veranstaltungen finden nicht nur im Café Leichtsinn statt, sondern auch im Ufo und im Cross, in den Jugendzentren in Immekeppel und in Overath (alle Termine weiter unten).

Mit den Angeboten in den Jugendzentren gibt es gezielt auch etwas für die junge Generation. Ausgedacht hat sich das der „Arbeitskreis Mädchen* und junge Frauen*“, ein Zusammenschluss von Personen und Institutionen, die sich im Rheinisch-Bergischen Kreis mit dem Thema befassen.

Ein sicherer Raum

Die Sternchen hinter Mädchen und Frauen stehen übrigens für Vielfalt, erklärt mir Louisa Nicolini von der Mädchenberatungsstelle im Videogespräch: So dürfen sich auch Menschen außerhalb des binären Geschlechtersystems angesprochen fühlen.

Und wozu dienen die Aktionstage und Power-Partys, speziell für „Girls*“?

„Mädchen gehen eher mal unter in großen Gruppen“, sagt Louisa Nicolini. „Wenn sie unter sich sind, können sie sich anders ausleben, in neue Rollen schlüpfen, die sie sich sonst nicht zutrauen, ihre Stärken anders entdecken.“

Das wiederum kann man durchaus als Prävention gegen Gewalt ansehen: „Wenn man klar hat, was man möchte, wo die eigenen Grenzen sind, kann man gefährliche Situationen früher kritisch wahrnehmen“, so Nicolini.

In erster Linie geht es also darum, Mädchen und jungen Frauen einen sicheren Raum zu bieten, in dem sie sich entfalten können. Je nach Zielgruppe der einzelnen Jugendzentren gibt es dazu Musik zum Tanzen, Infos, Anlaufstellen, Kreativangebote oder Workshops.

Mut zum Glitzer-Tattoo

Im Café Leichtsinn sind inzwischen immerhin zwei Mädchen angekommen. Patricia, 16, ist fast jeden Tag nach der Schule hier. Heute hat sie sich besonders auf das Singen und den Workshop gefreut. Eine Traumreise hat sie aber auch schon einmal mit Regina Schumacher gemacht, „war gut!“.

Gut findet sie auch die Glitzer-Tattoos, die Praktikantin Buschra an einem Tisch neben der Theke anbietet. „Ich möchte das Einhorn, die Hundepfote, den Diamanten, oder das Herz?“

„Wir fangen mal mit dem Einhorn an“, sagt Buschra. Sie klebt die Schablone auf das Handgelenk des Mädchens, bestreicht die Zwischenflächen mit Hautkleber, trägt den Glitzer mit einem Pinsel auf. Jetzt muss alles ein paar Minuten trocknen.

Patricia hat noch etwas entdeckt: „Den Kussmund will ich an meinem Hals.“ Buschra lacht. „Das ist mutig!“ Dann pinselt sie los.