Sabah und Husain Husain trafen beim Jubiläumsfest die Ehrenamtlerin Hanne Geyer wieder. Foto: H & Ä

2015 schrieb Deutschland Geschichte. Die Geschichte der massenhaften Einreise geflüchteter Menschen spielte sich ganz oben in der Bundespolitik ab – und ganz unten in den Städten. In Schildgen gründeten rund 100 Einheimische eine Willkommens-Initiative, die Unglaubliches geleistet hat. Zum Jubiläum erzählen ehemalige Flüchtlinge, was Schildgen mit ihnen gemacht hat.

Zehn Jahre ist es her, dass die ersten Flüchtlinge nach Schildgen kamen. Mehr als 100 Menschen gründeten damals die ökumenische Initiative „Willkommen in Schildgen“. Sie begleiteten die Syrer, Eritreer und Iraker, die in Schildgen landeten, bei Amts- und Arztbesuchen, brachten ihnen Deutsch bei, halfen ihnen in Rechts- und in Berufsfragen, um nur eine kleine Auswahl zu nennen.

+ Anzeige +

Nach zehn Jahren sind 72 Prozent der Flüchtlinge von damals in Arbeit, 15 Prozent in Ausbildung oder Studium. (Zu den restlichen 13 Prozent besteht kein Kontakt mehr.) Die meisten sprechen fließend Deutsch, viele habe deutsche Freunde. Eine Erfolgsstory der Integration, könnte man sagen.

Zum zehnjährigen Jubiläum hatte die Initiative vergangenes Wochenende zu einer Feier in den Pfarrsaal der Herz-Jesu-Kirche eingeladen. Es war ein großes Wiedersehen mit vielen Umarmungen, vielen Gesprächen, vielen Danksagungen. Der Spirit der ersten, intensiven Jahre war wieder spürbar. Die Wärme und Verbundenheit, die sich in der Zeit entwickelt hatten. (Fotos am Ende des Artikels)

Denn bei der Bewältigung der Krise ist in Schildgen etwas Besonderes passiert: Die Menschen, die sich zusammengeschlossen hatten, um zu helfen, sind zusammengewachsen. Eine neue Gemeinschaft ist entstanden. Darüber habe ich schon 2018 ausführlich geschrieben: „Was die Flüchtlinge mit Schildgen gemacht haben“.

Jetzt wollte ich wissen: Was hat Schildgen mit den Flüchtlingen gemacht? In einer kleinen Serie lassen wir in den kommenden Tage fünf von ihnen zu Wort kommen. Sie berichten von ihrer Flucht, ihrer Aufnahme in Schildgen, den Schwierigkeiten und Erfolgen ihrer Integration – und wie sie sich heute in Deutschland fühlen.

Jedes Mal, wenn mir was Schlimmes passiert, gehe ich zurück nach Schildgen, um meinen Glauben nicht zu verlieren, dass diese Gesellschaft stark ist, dass diese Gesellschaft gut ist.Youssef Messraba

Den Auftakt macht Youssef Messraba (37, aus Damaskus, Syrien):

„Der Krieg fing 2011 an, meine Reise 2012. Ich war fast überall, wo man ohne Visum hin kam, in der Türkei, Libanon, Dubai. Ich habe alles gearbeitet, was möglich war. Ende 2015 bin ich nach Deutschland gekommen und nach Bergisch Gladbach geschickt worden. Ich habe alle gefragt, ich war in Hamm oder Dortmund, keiner kannte Bergisch Gladbach. Dann kam ich in Katterbach an, in einem Zelt. Ich war ängstlich, verwirrt, krank. Zerstört als Mensch.

Dann habe ich gehört, dass es hier etwas gibt: „Willkommen in Schildgen“. Ich habe diese schönen Gesichter gesehen mit einem Lächeln, mit offenen Armen und offenen Herzen. Sie haben gesagt, keine Sorge, du bist hier in Sicherheit. Wir unterstützen dich.

Und? Ich weiß nicht, ob ich es „geschafft“ habe, aber ich habe ein paar Sachen gemacht. Eine Ausbildung als Elektroniker. Jetzt studiere ich Elektrotechnik und Medizintechnik. Mein Freundeskreis ist ausschließlich deutsch.

Ich habe drei Jahre mit meiner deutschen Freundin in Köln zusammengewohnt. Aber leider haben wir uns getrennt.

„Angekommen“: Fotos der Geflüchteten zeigt eine Jubiläums-Ausstellung von Philipp J. Bösel im Himmel un Ääd. Die 21 farbigen Porträts sind bis 6. Dezember während der Öffnungszeiten des Cafés zu sehen. Altenberger-Dom-Str. 125, Schildgen

Eine weitere Veranstaltung zum Jubiläumsjahr findet am 28. November im Himmel un Ääd statt: „Angekommen – Erfahrungen und Leben in Deutschland/Schildgen“. Im bewährten Talk-Format „Auf dem Sofa“ werden Marwah und Hosheen über ihre persönlichen Erfahrungen des Ankommens der letzten zehn Jahre berichten. Moderation: Margret Grunwald-Nonte, Online-Anmeldung über Himmel un Ääd

Dieses Jahr war das schlimmste, seit ich hier angekommen bin. Nicht nur wegen der Trennung und weil ich nicht weiß, wo ich jetzt wohnen kann. Ich warte seit 20 Monaten auf meine Einbürgerung. Im Studium werde ich ausgegrenzt. Auch in der Nachbarschaft erlebe ich immer mehr Argwohn und Vorurteile, obwohl ich seit drei Jahren dort lebe und alles okay war.

Jedes Mal, wenn mir sowas passiert, gehe ich zurück nach Schildgen, um meinen Glauben nicht zu verlieren, dass diese Gesellschaft stark ist, dass diese Gesellschaft gut ist. Diese Gesellschaft hat uns mit großem Herzen angenommen. Die Leute in Schildgen haben uns Unterstützung gegeben, ihre Zeit, alles ehrenamtlich.“


Fotos vom Jubiläumsfest der Initiative „Willkommen in Schildgen“:


Sie finden diesen Artikel gut? Sie sind mit unserer Arbeit zufrieden? Dann können Sie uns gerne mit einem Einmalbeitrag unterstützen. Das Geld geht direkt in die journalistische Arbeit.

Oder Sie werden Mitglied im Freundeskreis, erhalten exklusive Vorteile und sichern das Bürgerportal nachhaltig.


Weitere Beiträge zum Thema

Something went wrong. Please refresh the page and/or try again.

ist freie Reporterin des Bürgerportals. Geboren 1984, aufgewachsen in Odenthal und Schildgen. Studium in Tübingen, Volontariat in Heidelberg. Nach einem Jahr als freie Korrespondentin in Rio de Janeiro glücklich zurück in Schildgen.

Reden Sie mit, geben Sie einen Kommentar ab

1

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

  1. Was für eine mutmachende Geschichte! Da kann ich mich verneigen, vor den Menschen die 2015 Initiative ergriffen haben.