
Eine Reisegruppe des Ganey Tikva-Verein im Atelier von Orna Ben Ami
Kämpferisch reagiert der Ganey Tikva-Verein auf Urbachs Rauswurf. Der Rest-Vorstand hat sich verstärkt, will seine Mitglieder einberufen und die Arbeit mit der Partnerstadt in Israel alleine fortsetzen. Den Antisemitismus-Vorwurf hat er relativiert, jetzt ist von „Antiisraelismus” die Rede.
Unter der Überschrift „Wir sind das Original” berichtet der Ganey Tikva-Verein (GTV) in einer ausführlichen Pressemitteilung, dass Bürgermeister Lutz Urbach dem Verein am 15. Juli verboten hat, im Namen der Stadt aktiv zu werden. Der hatte auf Vorwürfte des Vereins reagiert, der Beit Jala-Verein leiste antisemitischen Äußerungen Vorschub und die Stadt nehme zu Gunsten dieses Vereins (und der Palästinenser) einseitig Partei.
Urbach, so der GTV, diskreditiere damit die „jahrelange, sehr engagierte Ehrenamtsarbeit mehrerer Vorstandsmitglieder”, insbesondere die der Vorsitzenden Petra Hemming. Statt mit dem im Mai frisch gewählten Vorstand zu sprechen weise er dem Ganey Tikva-Verein „die Rolle des Sündenbocks” zu.
„Historisch unkorrekt, tendenziell antiisraelisch”
Der Verein wiederholt die Kritik, der Entwurf für eine gemeinsame Erklärung von Beit Jala-Verein, Ganey Tikva Verein und Stadtverwaltung nach einem Runden Tisch, habe „historisch unkorrekte und tendenziell antiisraelische Formulierungen” enthalten.
Im Anhang zur Pressemitteilung ist ein Teil dieser Passagen gelb markiert. Dabei geht es um den Begriff „Besatzungsrealität”, aber auch um kritische Einschätzungen des Verhältnisses zwischen den beiden Vereinen und einer Zusammenarbeit zwischen Palästinensern und Israelis.
Außerdem kritisiert der GTV, Petra Hemming und Geschäftsführerin Judith Walter seien im Abstimmungsprozess der gemeinsamen Erklärung von einem später ausgetretenen Mitglied „unter erheblichen Druck gesetzt” worden. Hemming und Walter, so die Erklärung, hätten die Mehrheit des geschäftsführenden Vorstands repräsentiert und seien daher berechtigt gewesen, die Veröffentlichung abzulehnen.
Vier Mitglieder des Vorstands hatten moniert, bei dieser Entscheidung nicht beteiligt geworden zu sein, einige warfen Petra Hemming eine „Radikalisierung” vor, auch hier war von massivem Druck auf die Vorstandskollegen die Rede. Achim Dehmel, Susanne und Peter Schlösser, Petra Holtzmann und Stephan Dekker legten ihre Ämter nieder und traten aus dem Verein aus.
Axel Bolte rückt nach
Laut Signatur der aktuelle Pressemitteilung gehören dem amtierenden Vorstand derzeit neben Hemming und Walter nach wie vor Jürgen Sterzenbach, Anita Rick-Blunck und Fritz Bolte an. Neu hinzugekommen ist am 15. Juli Axel Bolte, der als einfaches Mitglied zuletzt offenbar bereits eine wichtige Rolle gespielt hatte.
Nicht mehr genannt wird Roman Salyutov, der vor wenigen Wochen in den Vorstand kooptiert worden war. Er habe die aktive Tätigkeit beendet, sei aber noch Vereinsmitglied, sagte Salyutov dem Bürgerportal.
Im Gegensatz zur Kritik Urbachs, so der GTV-Vorstand weiter, sei der Verein kooperativ eingestellt: „Die Gesprächsbereitschaft war und ist jederzeit vorhanden”, heißt es in der Mitteilung.
„Tendenziöses, einseitig negatives Israelbild”
Jedoch könne man vom Vorstand eines Städtepartnerschaftsverein mit einer israelischen Stadt nicht erwarten, „öffentlich Positionen mit antiisraelischer Tendenz zu vertreten”. Der GTV habe „im Gegensatz zum Beit Jala Verein niemals politisch agitiert”. Er betrachtet es aber als „staatsbürgerliche Pflicht, vor den möglichen Folgen zu warnen, wenn Akteure in Bergisch Gladbach ein tendenziöses, einseitig negatives Israelbild vermitteln”. Dabei verweist der GTV auch auf die Website des Beit Jala-Vereins.
Der GTV widerspricht der Kritik, er habe dem Beit-Jala-Verein „pauschalen Antisemitismus” unterstellt. Der Vorstand – in diesem Fall Petra Hemming – habe lediglich gesagt, „dass verzerrte antiisraelische Darstellungen dem Antisemitismus Vorschub leisten können”. Immerhin sei „israelbezogener Antisemitismus” ein ernsthaftes Problem, betont der Verein – und liefert den Antisemitismusbericht der Bundesregierung von 2017 mit (siehe Dokumentation unten).
„Wir sind das Original”
Der Ganey Tikva-Verein selbst lasse sich die „Begeisterung für das Partnerschaftsprojekt” nicht nehmen. Er werde kurzfristig eine öffentliche Mitgliederversammlung einberufen. In den vergangenen Tagen seien sieben Mitglieder neu eingetreten, insgesamt seien es derzeit 40. Bei der Sitzung soll über die aktuellen Ereignisse „aufgeklärt” werden. Zudem soll beraten werden, wie die Verbindungen zu Ganey Tikva fortgesetzt werden können. „Wir sind das Original“ sei die Devise für einen Neuanfang.
Die Mitgliederversammlung soll am 2. August stattfinden; auf die Frage, ob Petra Hemming erneut für den Vorsitz antritt, antwortet ihr Stellvertreter Jürgen Sterzenbach: „Wer sonst.”
Dokumentationen:
Die Presse-Erklärung des Ganey Tikva-Vereins im Wortlaut:
Der Entwurf einer gemeinsamen Erklärung mit farblichen Markierungen:
Der Antisemitismusbericht der Bundesregierung von 2017, S. 66/67:
Weitere Beiträge zum Thema:
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Guten Tag Herr Steinhoff, zu Ihrem letzten Beitrag gäbe es so Einiges anzumerken, das wäre dann kein Kurzbeitrag mehr. Ein erhebliches Hindernis für eine Friedenslösung ist der Umstand, dass es auf der palästinensischer Seite keinen kontroversen öffentlichen Diskurs, keine offene Gesellschaft gibt. Der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde Abbas hatte sich zum Beispiel für eine Amtszeit für 4 Jahre – bis 2009 – wählen lassen, ist aber immer noch im Amt. Von Wahlen weit und breit keine Spur. Wo bleiben die Proteste ? Die palästinensische Öffentlichkeit ist auf einen Kompromiß mit Israel nicht eingestimmt. Auch wohlwollende palästinensische Politiker, die einen solchen Kompromiß anstreben, gehen als angebliche „Verräter“ ein lebensgefährliches Risiko ein.
Zumindest riskieren sie, jeden politischen Einfluss zu riskieren. Es gibt keinen „palästinensischen Sadat“ – das ist ein gravierendes Problem. Mehrfach war das Ziel ja in greifbarer Nähe – zum Beispiel bei den Camp David Verhandlungen zu Zeiten Bill Clintons. – Auf Wunsch gehe ich gerne ausführlich auf die Punkte Ihrer letzten mail ein, die ich sehr kritisch sehe. –
Guten Tag JTMeyer, die Besatzung besteht seit 50 Jahren, da sind Ursache und Wirkung nicht mehr auseinanderzuhalten. Beide Seiten nehmen sich nur noch in einer Spirale der Eskalation wahr. Die Besatzung könnte nur in einem Friedensvertrag aufgehoben werden, der von beiden Seiten Zugeständnisse verlangt: Anerkennung des Existenzrechts von Israel und Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat, Verzicht auf Gewalt und Terror.
Das Problem ist nur, dass sich die Besatzung längst in Richtung einer Annexion bewegt. Gut 600.000 Siedler, zum Teil in dritter Generation, willkürliche Landnahmen, israelische Währung, dichtes Straßen- und Militärnetz, ein Erstarken rechter Kräfte in Israel, die ganz ungeniert die Annektion des Westjordanlandes fordern: Da fehlt mir die Phantasie, was Israel in Friedensverhandlungen anbieten will, ohne sich selbst in Frage zu stellen.
Sehr geehrter Herr Steinhoff,
das Umland des eigentlichen Stadtgebietes wurde in der Tat vom Area A-Gebiet abge-trennt. Dass in dem Gebiet Besatzungsrecht gilt, wird von dem dortigen Israelischen Militär nicht in Frage gestellt. Es geht auch keineswegs darum, das Wort „Besatzung“ zu vermeiden, aus Sorge, damit jemanden zu nahe zu treten. Problematisch ist nur, dass häufig so formuliert wird, dass eine einseitige Schuldzuweisung zu Lasten Israels damit verbunden wird. Es ist doch ein nicht ganz unwichtiger Unterschied, ob man meint, die israelische Besatzung sei Ursache für eine fehlende Friedensordnung, oder ob man meint, die fehlende Friedensordnung ist Ursache für die Fortdauer der israelischen Besatzung. Der zweite Ansatz kommt – ohne dass die Besatzung geleugnet wird – ohne einseitige Schuldzuweisungen aus.
J T Meyer, das stimmt nicht. Beit Jala, obwohl A-Zone, hat in den letzten Jahren 60 % seines Territoriums an Siedlungen verloren, darunter das Cremisan-Tal als landwirtschaftliches Hinterland. Soldaten der IDF machen regelmäßig Razzien in den Flüchtlingslagern, manchmal mit Schusswaffengebrauch. Die Trennmauer verläuft mitten durch den Ort, in dem die Mieten aufrund der Platznot explodieren. Die israelischen Militärbehörden haben erst neulich wieder Häuser im Stadtgebiet abgerissen, weil sie zu nah an der Mauer waren. Israelis ist es von ihrer Regierung verboten, in die A-Zone zu reisen, Menschen von Beit Jala dürfen nicht nach Israel, es sei denn, mit Arbeitsgenehmiung und langwieriger Prüfung am Kontrollposten. A-Zone hin oder her, darf man von Besatzung sprechen?
Städtepartnerschaft beschädigt
Zentraler Gegenstand der Rathaus-Runde mit den beiden Referenten aus Hannover waren nicht etwa inhaltliche Festlegungen Richtung Nahost, sondern ein Verfahren respektvollen Dialogs zwischen den beiden Vereinen hier in Bergisch Gladbach. „Gemeinsamkeiten ausbauen, Unterschiede respektieren“, die Überschrift des Presseberichts bringt dieses bekannte Verfahren aus der Konfliktpsychologie auf den Punkt.
Man kann nur darüber spekulieren, warum der Rumpf-Vorstand des Ganey-Tikva-Vereins bereits eine Diskussion über diesen Ansatz, der in Hannover seit Jahren erfolgreich gelebt wird, vorab als „enttäuschend“ und „perspektivlos“ diskreditiert. Rätselhaft bleibt, warum die Vorsitzende einem beweisbar einvernehmlich abgestimmten Bericht, unter den sie sogar ihre Namen setzen ließ, nach tagelangem Schweigen abrupt und ohne Begründung uns gegenüber ihre Unterstützung entzog. Plötzlich dürfen nicht einmal mehr Pressefotos, die sie und die beteiligten Ganey-Tikva-Vorstandsmitglieder freundlich blickend im Kreis aller Gesprächsteilnehmer zeigen, veröffentlicht werden.
Stattdessen macht man aus dem Affront eine Opferstory, meint, den Bürgermeister belehren zu müssen, dass ein Totschweigen gut für Bergisch Gladbach sei. Und rechtfertigt den radikalen Schwenk mit allgemein gehaltenen „Antisemitismus-“ und „Antiisraelismus-“ Diffamierungen. Merken die Urheber solcher Ungeheuerlichkeiten eigentlich noch, in welchen Dunstkreis sie die beiden Referenten rücken? Michael Fürsts Familie hat durch den Nazi-Terror gelitten, sein Vater hat die Jüdische Gemeinde in Hannover nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut.
Schade, dass die Idee der Städtepartnerschaft, von der gerade wir Deutschen so sehr profitieren, hier ganz ohne Not beschädigt wird.
Jörg Bärschneider, Vorstand Städtepartnerschaft Bergisch Gladbach – Beit Jala e. V.
Das eigentliche Stadtgebiet von Beit Jala gehört zu den „Area A“-Gebieten, die vollständig unter palästinensischer Verwaltung stehen. Der Ausdruck Besatzung ist daher sachlich fehl am Platze. In der umstrittenen Vereinbarung hätte man besser auf die alltäglichen Auswirkungen des Fehlens einer umfassenden Friedensordnung hingewiesen.
Mit einer solchen Formulierung hätte man leicht unter Beweis stellen können, keine Weltpolitik treiben zu wollen. Soll man nun glauben, dass es hier nur an diplomatischem Fingerspitzengefühl gefehlt hat ?
Werte/r Frau/Herr Duerrenberg,
seit wann wird Unrecht Recht, nur weil es schon seit 70 Jahren Unrecht ist? Wann hätten die Palästinenser je der Annexion der Ihnen tatsächlich zustehenden Gebiete zugestimmt? Den schlechten Scherz machen Sie, wenn Sie mit solchen Vergleichen den Nahostkonflikt lösen wollen. Es sind Meinungen wie Ihre und daraus hervorgehende Taten, die dort jeden Tag Menschen sterben lassen.
Ja so ist es seit 70 Jahren gibt es nun Israel und noch immer kampieren die Palästinenser nichts. !! Das wäre ja so als würde Deutschland die Rückgabe von den deutschen Ostgebieten fordern..nach 70 Jahren wohl ein schlechter Scherz….!!!