Wie gefordert zieht die Stadt bereits jetzt eine erste Bilanz der Öffnung der Fußgängerzone für Radfahrer. Die Datenlage ist noch dünn, doch die Forderungen der Betroffenen sind eindeutig.

Seit April ist es offiziell erlaubt, mit dem Rad durch die Fußgängerzone zu fahren, in Schrittgeschwindigkeit und im zentralen Bereich nur vor 10 bzw. nach 17 Uhr. Die gebremste Form der Öffnung hatten CDU und SPD in letzter Minute durchgesetzt, um in einer Probezeit Erfahrungen mit dieser Regelung sammeln zu können.

Im Verkehrsausschuss legt die Stadtverwaltung am Dienstag eine erste Evaluation vor. Sie stützt sich auf stichpunktartige Verkehrszählungen, die die Situation im Oktober 2018 mit Oktober 2017 vergleichen. Zudem wurde im Januar und Juni 2018 gezählt, für diese Monate fehlen aber die Vergleichszahlen.

Dabei fällt auf, dass die Zahl der Radfahrenden seit der Öffnung leicht zurückgegangen sei. Immerhin ist ihre Zahl in den erlaubten Zeiten in der Kernzone (Gebotszeit) gestiegen, in der Verbotszeit gefallen. In den Hauptverkehrszeiten nutzen pro Stunde immerhin 100 Radfahrer die Fußgängerzone. Am Tag waren es im Oktober jeweils rund 700.

Über die Verkehrszählung hinaus hat die Verwaltung Fragen gestellt, in Form einer nicht repräsentativen Befragung von Passanten und von Interviews mit dem Bürgermeister und Vertretern des Einzelhandels. 75 Prozent der 72 Befragten sehen die Öffnung positiv.

Eindeutig (und unverändert) ist die Stellungnahme der Kreispolizei: Sie plädiert für eine durchgehende Öffnung der Fußgängerzone. Ein Rad- oder Fußgängerunfall ist in den Monaten der Teilöffnung nicht registriert worden.

Allerdings berichtet die Ordnungsbehörde, dass nahezu täglich Beschwerden von Fußgängern eingehen.

Friedhelm Bihn, Vorsitzender des Inklusionsrates, sieht keine grundlegenden Probleme, wünscht sich aber stärkere Kontrollen von Polizei und Ordnungsamt.

Mark Peters, Optiker mit einem Geschäft in der Hauptstraße („Brillen Potyka”) fordert eine vollständige Freigabe der Fußgängerzone (mit Ausnahme von Markt- und Kirmestagen) und klare Regeln. Viele seiner Kunden fahren ein E-Bike oder ein Pedelec; für sie sei es ein Gewinn, bis vor der Ladentür radeln zu können. 

Bettina Wisniewski, Managerin der RheinBerg Galerie, die in der Regel selbst mit dem Rad zur Arbeit fährt, kritisiert die neuen Regeln. Sie hätten „alles verkompliziert und für Irritationen und Disharmonie unter den Verkehrsteilnehmern” gesorgt. Der Einzelhandel profitiere nicht direkt von einer Öffnung, aber die Innenstadt werde „deutlich attraktiver, wenn die Besucher die freie Wahl haben, mit welchem Verkehrsmittel sie hier hinkommen”. 

Bürgermeister Lutz Urbach hält es für eine Beurteilung noch für zu früh; ihm sei es jedoch wichtig, dass zusätzliche Fahrradabstellanlagen rund um die Fußgängerzone kommen und das Radwegenetz ausgebaut wird. Er selbst nutze hin und wieder eines der Pedelecs der Stadtverwaltung.  

Das vorläufige Fazit der Vorlage für den Verkehrsaussschuss: „Die Verwaltung stellt fest, dass in der laufenden Testphase keine schwerwiegenden Probleme zu verzeichnen sind. Fahrradfahrende waren vor Öffnung der Fußgängerzone in ähnlich hoher Anzahl vertreten wie bei der aktuellsten Zählung.” Probleme mit rücksichtslosen Radfahrern könnten „durch weitere kommunikative Maßnahmen weiter eingeschränkt” werden. 

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3 Kommentare

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  1. Als in Münster aufgewachsene Radfahrerin kann ich überhaupt nicht verstehen, dass der Vorrang von Radverkehr noch immer in Frage gestellt wird. Jede Stadt und Gemeinde muss doch inzwischen einmal gemerkt haben, dass es wie bisher nicht weitergeht. Ständige Staus, schlechte Luft, Aggeression der Autofahrer/-innen…die Liste ist lang! Ich bin täglich zwischen Bensberg und Bergisch Gladbach Zentrum unterwegs und immer schneller als alle Autos. Und das, obwohl die Rücksichtlosigkeit der Autofahrer nur eine defensive Fahrweise zulässt. Auf die Vorfahrtsstraße einbiegende Autos halten niemals vor dem Radweg. Fahre ich wie vorgeschrieben auf der Straße, ist das Hupkonzert laut, wenn man hinter mir Gegenverkehr abwarten muss – was viele nicht tun und mich in Bedrängnis führen. Dazu kommt, dass die Radwege nicht gekehrt werden, da das bei kombinierten Rad- und Fußwegen die Anleger tun müssten. Wer mal an der Kirche in Heitkamp oder auf Höhe des Zanderbades vorbeifährt, weiß, wovon ich spreche. Es fehlt in Bergisch Gladbach einfach der Wille, die Freude und ein Konzept, um eine lebenswerte Stadt zu gestalten. Die „Öffnung“ der Fußgängerzone ist nur ein Feigenblatt.

  2. Ich stimme dem vollkommen zu.
    Man muß gar nicht so weit fahren, schauen Sie sich Leverkusen und z.b. in Köln die Breitestraße an. Rücksichtnahme wird großgeschrieben und dann klappt das auch.

  3. Warum werden in GL Radfahrer immer so stiefmütterlich behandelt und als Risiko dargestellt? Die Innenstadt ist unter der Woche überwiegend leer, ganztägig. Und über die Frage, ob man Radverkehr in der Innenstadt erlaubt gibt man auch Auskunft darüber, wie ernst man es mit Klimaschutz und modernem Verkehr meint.
    Das leuchtende Vorbild gibt es allenthalben in Spanien: https://www.fairkehr-magazin.de/4_2015_vitoria-gasteiz_verkehr.html
    Aber so weit muss man garnicht gehen, selbst in Weimar, mit 2 Millionen Besuchern pro Jahr ist die Fußgängerzone freigegeben. Was bitte ist in GL anders?