Nach Aussage von Baudezernent Harald Flügge rennt die Nachbargemeinde Kürten mit neu belebten Plänen für ein gemeinsames Gewerbegebiet in Bergisch Gladbach offene Türen ein. Die Stadt kündigt eine Verkehrsstudie an – dabei liegt eine solche Untersuchung für die L289 seit geraumer Zeit vor. 

Es geht um das sogenannte interkommunale Gewerbegebiet Spitze, dass zum Teil auf Kürtener Gebiet, zum Teil auf Bergisch Gladbacher Gebiet liegt. Zusammen mit einem Park-and-Ride-Platz geht es um insgesamt 23 Hektar (also 230.000 qm) – und um eine auf einer Kuppe gelegenen und unter Naturschutz stehenden Fläche direkt an der Deutschen Alleenstraße.

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Das potenzielle Gewerbegebiet As2a (Spitze) liegt im äußersten Nordosten des Bergisch Gladbacher Stadtgebiets an der L289, die von der A4 nach Kürten führt. Es ist 11 Hektar groß, im ersten Entwurf hatte die Stadtverwaltung eine Fläche von 49 Hektar geprüft und weitgehend verworfen. 

Zum Hintergrund: „Offene Türen einrennen‘
Eine Nachfrage des Kölner Stadt-Anzeigers, wie die Stadt Bergisch Gladbach zu Kürtens neuem Anlauf für ein interkommunales Gewerbegebiet Spitze steht, hatte zu einer ausführlichen Antwort und einer markanten Reaktion der CDU geführt. Wer hatte was gesagt?

Die Anfrage des Stadt-Anzeigers hatte Stadtsprecher Martin Rölen beantwortet, nach Rücksprache mit dem Dezernat von Stadtbaurat Harald Flügge. Rölen erklärte, Kürten renne mit der Anfrage „offene Türen” ein. Flügge habe auf die „besondere Bedeutung“ von Spitze hingewiesen: Das Gebiet mache mit einer Größe von 11 Hektar immerhin ein Drittel aller Flächen aus, die im Flächennutzungsplan 2030 neu ausgewiesen wurden.

Rölen sagte aber auch, dass die Stadtverwaltung „die Verkehrsproblematik auf dem Schirm“ habe. „Selbstverständlich“ werde es vor Einstieg in die Planungen eine umfassende Verkehrsstudie geben. Auch die Entwässerungsfrage werde in Gladbach erörtert, die Kooperation mit den Kürtenern sei „sehr wünschenswert“.

Für eine Einordnung des Themas sind folgende Punkte von Bedeutung:

1. Trotz massiver Bedenken, auch von Wirtschaftsverbänden, weil diese Gebiet von allen am weitesten von einem Autobahnanschluss entfernt ist, wurden diese große Gebiete im FNP aufgenommen.

Jüngst äußerte im Bürgerportal der Fraktionsvorsitzende einer der Parteien in der GroKo Kritik am Vorgehen der Verwaltung , insbesondere wegen des Fehlens eines  „schlüssigen Verkehrskonzept für die L 289 von Spitze nach Herkenrath bis zur Autobahn“, denn „schon jetzt sei die Zubringerstraße aus dem Bergischen Land besonders in Zeiten des starken Berufsverkehrs völlig überlastet. Diese Situation werde sich noch zuspitzen, sobald die Pendler des Neubaugebietes zwischen Dürscheid und Biesfeld hinzukämen.”

2.   Dies gibt Anlaß über eine der Stadt seit Januar 2018 (und im abgeänderten Entwurf schon spätestens im September 2016) vorliegende Verkehrsuntersuchung für die L 289 zu berichten.

Vorab: Diese bezieht sich zwar nur auf ein zu begrüßendes einzelnes größeres Bauprojekt im Bereich Herkenrath, deutet jedoch an, wie die Verwaltung der Stadt Bergisch Gladbach – zumindest bislang –  mit dem Problem einer “völlig überlasteten” alleinigen Verbindungsstrasse in der Praxis umgeht.

2.1.  Die Erlangung dieser Verkehrsuntersuchung von der Stadt Bergisch Gladbach unter Hinweis auf den Rechtsanspruch gem. §§ 4-5 Informationsfreiheitsgesetz (IFG) war recht mühsam:

  • 27.09.2016: Aufstellungsbeschluß des Ausschusses unter Hinweis auf eine vorliegende Verkehrsuntersuchung
  • 24.10.2016: Antrag um Übersendung der in dem o.g. Ausschussprotokoll erwähnten Verkehrsuntersuchung
  • 03.11.2016: Antwort der Stadt GL, dass Antrag nicht stattgegeben werden kann, da das Verkehrsgutachten “faktisch noch in Bearbeitung” sei, im Frühjahr 2017 werde diese voraussichtlich vorliegen und werden dann “auch den politischen Entscheidungsträgern zur Kenntnis gegeben.”
    Anm: Danach haben mithin die Ratsmitglieder im Ausschuss am 27.09.1029 ohne Kenntnis der in der Beschlussvorlage als Grundlage aufgeführten Verkehrsuntersuchung und ohne diese  von der Verwaltung anzufordern, ihren Beschluss gefasst.
  • 03.11.2016: Schreiben an Stadt GL unter Hinweis darauf, dass entgegen des Schreiben der Stadt GL sich aus deren eigenen Beschlussvorlage ergibt (die Grundlage des Beschlusses der Ratsmitglieder war), dass eine Verkehrsuntersuchung bereits vorliegt.
  • 03.11.2016: Antwort Stadt GL:
    Die Formulierung in der Beschlussvorlage “mag etwas unglücklich formuliert sein, da versäumt wurde, darauf hinzuweisen, dass das Gutachten der Verwaltung erst im Entwurf vorliegt. Während die von Ihnen aus der Vorlage zitierte Aussage bereits Konsens zwischen Gutachter und Stadtverwaltung ist, gibt es andere Punkte im Entwurf des Gutachtens, die noch nicht endgültig abgestimmt sind.”
  • 03.11.2016: Weiteres Schreiben an Stadt GL und Antragspräzisierung, daß, wenn kein endgültige Verkehrsgutachten vorliegt, Einsicht in die Unterlagen beantragt wird, die der (vom Ausschuss auch so beschlossenen) Verwaltungsvorlage zugrunde lag.
  • 11.11.2016: Antwort Stadt GL:
    Die Stadt “hat ein Gutachten beauftragt und üblicherweise gibt es parallel zur Erstellung eines solchen Gutachtens Abstimmungstermine…. insbesondere von Einschätzungen und Bewertungen der erhoben Daten. Das in Rede stehende Gutachten liegt wie bereits mitgeteilt im Entwurf vor, die Plausibilität von Teilen der Untersuchung ist jedoch noch nicht abschließend durch die Stadt testiert.”
  • 11.11.2016: Schreiben an die Stadt GL mit dem Hinweis, dass es bedenklich erscheine, wenn ein externes Gutachten in Auftrag gegeben wird und wenn dieses im Entwurf vorliege und die Stadt mit diesem  teilweise nicht einverstanden sei, auf Wunsch der Stadt Eingriffe in das Gutachten erfolgen, insb. wenn nach außen die Unabhängigkeit des Sachverständigenbüro betont wird.
  • 08.05.2017: Nachfrage an die Stadt GL.
  • 16.08.2017: Weitere Nachfrage an die Stadt GL. Antwort der Stadt GL, man werde kurzfristig reagieren.
  • 19.01.2018: Weitere Nachfrage an die Stadt GL.
  • 25.01.2018: Weitere Nachfrage an die Stadt GL
  • 26.01.2018: Antwort der Stadt GL, das “nach Abstimmungen hier im Hause…die politischen Fraktionen Anfang kommender Woche über das Gutachten informiert” werden. Anschließend werde das Gutachten zur Verfügung gestellt.
  • 30.1.2018: Übersendung der Verkehrsuntersuchung

2.2. Diese endgültige Verkehrsuntersuchung datiert vom 07.12.2017 und stammt von der BRENNER INGENIEURGESELLSCHAFT GmbH aus Köln.

Was die Verkehrsbelastung an der L 289 angeht (mit welchen Teile der Gutachtenentwurf die Stadt zuvor nicht einverstanden ist, bleibt offen), heißt es in dem Gutachten u.a.

„Die L 289 ist eine überörtliche Verbindungsstraße, die auch für Verkehr der weiter im Bergischen gelegenen Nachbargemeinden eine wichtige Zubringerfunktion zur Autobahn BAB 4, Anschlussstelle Moitzfeld aufweist. Der Stadtteil Herkenrath ist aus diesem Grund sehr stark verkehrlich vorbelastet, morgens zusätzlich durch Bringverkehr am Gymnasium Herkenrath. Es bestehen nach Aussage der Stadt Bergisch Gladbach ausgeprägte Lastrichtungen, die morgens in Richtung Autobahn BAB 4 und nachmittags entgegengesetzt gerichtet sind. Die Stauanfälligkeit des Straßenzuges im Ortsteil Herkenrath ist sehr hoch.”

Im Ergebnis kommt die Untersuchung zum Ergebnis, durch den Umbau einer Kreuzung in Herkenrath  könne dem konkreten Bauvorhaben entsprochen werden (bzgl. dieses – einen – Bauvorhaben spricht für die Richtigkeit dieser Einschätzung einiges).

Bedenklich ist die Datengrundlage dieses Gutachtens:

Im Textteil wird dies nur angedeutet, aus den Anlagen ergibt sich eine mehr als schmale, veraltete und nicht aussagekräftige Faktengrundlage: Das gesamte Gutachten beruht auf einer einzigen Verkehrszählung, die zum Zeitpunkt des endgültigen Gutachten 1 1/2 Jahre zurücklag. Es gab nur eine Verkehrszählung am 16.6.2015, also ein Monat, an dem erfahrungsgemäß eine im Schnitt geringe Staubelastung vorliegt.

Jedenfalls lösen solche Gutachten nicht das Problem bzgl. der “völlig überlasteten” L 289, da es ja

  • keinerlei Planungen für den Ausbau durch eine weitere Fahrspur gibt (was aufgrund der engen Bebauung in Herkenrath ohne umfangreiche, sehr kostenträchtige und rechtlich kaum durchsetzbare Enteignungsmaßnahmen nicht möglich wäre),
  • ein Ausbau des ÖPNV durch etwaige Taktverdichtung o.a. kaum weiterhilft
  • und eine KVB-Linie 1 und/oder Seilbahn bis Kürten-Spitze ebenso interessant wie im Ergebnis (insb. betriebswirtschaftlich) unwahrscheinlich ist, jedenfalls eine Realisierung bezogen auf einen Zeitraum der nächsten 15-20 Jahre  ausgeschlossen sein dürfte.

Damit können diese Überlegungen für eine nach dem Wunsch der Verwaltung anstehende Planung und Realisierung  des ca 23 Hektar großen Gewerbegebietes in eine Bauleitplanung in Form eines B-Planes nicht eingestellt werden.

3. Im Rahmen des im Jahr 2008 erlassenen FNP der Stadt Kürten war die Stadt GL damals einer der Beteiligten.

Die Stadt GL führt mit Schreiben vom 19.08.2008 (die Stadt GL hatte die Herausgabe dieses Schreiben verweigert, die Stadt Kürten hat es demgegenüber unverzüglich zur Verfügung gestellt) aus, daß die

Stadt Bergisch Gladbach die Neuausweisung von Gewerbegebieten und gewerblich nutzbaren Mischbauflächen in einer Größenordnung von 15 Hektar kritisch [sieht].

Es ist darauf hinzuweisen, dass ein Großteil der durch die gewerblichen Flächen induzierte Verkehr zu den Autobahnanschlüssen, vor allem der A 4, über Bergisch Gladbacher Stadtgebiet führt.

Damit besteht die Gefahr, dass die Leistungsfähigkeit der regionalen bzw. klassifizierten Straßenverbindungen in Bergisch Gladbach erheblich beeinträchtigt wird. Betroffen sind insbesondere die B 508, L 286 und L 289/L 195, die durch ihre Ortslagen im Bergisch Gladbacher Stadtgebiet bereits heute deutliche Engstellen darstellen.

Es erfolgte keine Stellungnahme der Verwaltung der Stadt GL, warum deren Stellungnahme aus diesem Schreiben nunmehr nicht mehr zutreffen sollen, zumal sich die Verkehrssituation insbesondere an der L 289 seit 2008 nicht verbessert, sondern nach übereinstimmender Bewertung deutlich verschlechtert hat und sich kurz- und mittelfristig durch schon bereits genehmigte oder alsbald zu genehmigende Bauvorhaben im Bereich Kürten und Herkenrath weiter zuspitzen dürfte.

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