Noch ist die Lage in den Krankenhäusern in Bergisch Gladbach relativ ruhig. Die Intensivstationen sind ausgelastet, aber geplante Operationen finden weiterhin statt. Dennoch ist die Stimmung angespannt, die Sorgen wachsen. Wir haben uns im Vinzenz Pallotti Hospital in Bensberg umgehört. Wie geht es den Pfleger:innen und Ärzt:innen? Worauf stellen sie sich ein?

Im Moment herrscht am Vinzenz Pallotti Hospital Normalbetrieb. Erst gestern habe man zugesagt, einen Corona-Patienten aus Bayern aufzunehmen. Doch die Lage könne sich jederzeit ändern, sagt Dr. Gereon Schiffer, der ärztliche Direktor des Hospitals, das zu den GFO Kliniken Rhein-Berg gehört.

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Er sagt das sehr ruhig – in einer Art entspannter Wachsamkeit. Schiffer hat sich gerade die dritte Impfung abgeholt, die den Mitarbeiter:innen der GFO-Kliniken derzeit angeboten wird, und nimmt sich jetzt Zeit, einen intensiven Einblick in die Lage vor Ort zu gewähren.

Dr. Gereon Schiffer, ärztlicher Direktor des VPH, bei der dritten Impfung. Foto: Laura Geyer

Insgesamt hat das VPH zwölf Intensivbetten. Theoretisch. Praktisch gibt es aber nur Personal für zehn Betten. Die Debatte um volle Intensivstationen findet Schiffer dennoch überzogen: „Wenn sie nicht ausgelastet sind, kann man die Intensivstationen zumachen.“

Hintergrund: Heute meldet der Kreis Rhein-Berg , dass die Zahl der Corona-Patient:innen auf den Intensivstationen von fünf auf acht gestiegen sei. Das DIVI Intensivregister weist für die drei Krankenhäuser in Bergisch Gladbach (neben den GFO Kliniken VPH und Marien-Krankenkaus das Evangelische Krankenhaus) keine freien Intensivbetten mehr aus. Die Zahl der Betten schwankt, weil immer wieder einige aufgrund von Personalknappheit abgemeldet werden müssen.

Im Moment befinden sich auf der Intensivstation des VPH zwei Corona-Fälle, außerdem weitere acht auf der Normal-Station.

Allerdings – isolierpflichtige Patient:innen zu betreuen, bedeutet fast 50 Prozent mehr Aufwand. Schutzmaterial an- und ablegen, Kleidung wechseln. Speziell Covid-Erkrankte müssen mehrmals täglich auf den Bauch gedreht werden, weil das der Lunge gut tut. Dazu braucht es mehrere Pfleger:innen. Mehr als vier solcher Patient:innen können daher im VPH nicht betreut werden.

Bisher sei die Lage deutlich entspannter als letztes Jahr, weil die geimpften Patient:innen eher milde Verläufe hätten. „Viele kommen panisch in die Klinik, weil die Erkrankung emotional aufgeheizt ist, und werden nach einem Tag wieder entlassen“, sagt Schiffer.

Bei den aktuellen Fällen sind 50 Prozent geimpft. Sowohl auf der Normal- als auch auf der Intensivstation. Über die letzten drei Monate betrachtet, sei die Quote ungeimpfter Patient:innen auf Intensiv deutlich höher. Sie müssten auch häufiger invasiv beatmet werden, berichtet Dr. Thomas Arenz, Oberarzt der Inneren Medizin.

„Sie sind uns unter den Händen weggestorben“

Doch das alles sei kein Vergleich zum letzten Jahr, als viele Patient:innen von der Station in die Intensivpflege wechselten. „Die Menschen sind uns unter den Händen weggestorben“, sagt Martina Kovacs, Pflegeleiterin der Ambulanz.

Das sei sehr schwierig gewesen, gerade für die Pfleger:innen. Man baue ein Beziehung zu den Patient:innen auf, wenn man sie über mehrere Wochen betreue, alles gebe. „Man lief permanent hinterher und konnte nur noch reagieren.“

Martina Kovacs, Pflegeleiterin der Ambulanz. Foto: GFO-Kliniken

Dazu kam die Sorge, selbst zu erkranken und das Virus weiterzugeben. Intensivpfleger:innen berichteten, dass ihre Kinder von anderen gemieden wurden, aus Angst vor Ansteckung. Gekündigt habe niemand wegen Corona. Aber die physische und psychische Belastung der Mitarbeitenden war deutlich spürbar.

„Als im Frühjahr die Impfung kam, ist die Spannung im Haus deutlich runter gegangen“, sagt Schiffer. Ein Personalproblem gibt es, wie überall, natürlich trotzdem. Nicht nur in der Intensivpflege. Im Moment fallen auch wieder viele aus, weil sie selbst krank sind oder weil die Kitas ihrer Kinder krankheitsbedingt schließen.

Vorbereitung auf die Triage-Situation

Das verschärft die Beanspruchung derer, die weiter arbeiten. Gedanklich bereitet sich die Belegschaft bereits darauf vor, „relativ kurzfristig in der Handlungsfähigkeit eingeschränkt zu werden“, formuliert Schiffer vorsichtig.

Das heißt: Patient:innen abweisen, geplante Eingriffe verschieben zu müssen. „Ich sehe uns in eine Situation rennen, in die wir nicht wollen, nämlich in eine Triage-Situation.“ Davor hätten alle im Haus den größten Respekt.

Dr. Gereon Schiffer, ärztlicher Direktor des VPH

Schiffer schildert, wie so eine Triage-Situation aussehen könnte: Auf der einen Seite gibt es einen Krebs-Patienten, der aktuell stabil ist, aber nach der Tumor-OP wahrscheinlich ein Intensivbett benötigt. Auf der anderen Seite eine Corona-Patientin, die stirbt, wenn sie nicht auf der Intensivstation behandelt wird. Aufgrund der bisherigen Erfahrung wahrscheinlich ungeimpft.

Es ist klar: Alle Patient:innen werden bestmöglich versorgt. Aber: „Das ist eine unangenehme ethisch-moralische Situation“, sagt Schiffer.

Ein weiteres Gedankenspiel: Zwei Corona-Patient:innen, ein 59-jähriger Vater und eine 80-Jährige mit Vorerkrankungen, nur ein verfügbares Bett. Dann werden Laborwerte und medizinische Wahrscheinlichkeiten abgewogen, vermutlich zugunsten des jüngeren Mannes.

„Ersticken ist eine der schlimmsten Formen zu sterben“

Auf Nachfrage schildert Schiffer ruhig, wie ein Mensch mit Corona stirbt.

Die Erkrankung verursacht ein Lungenproblem. Der Tausch von Kohlendioxid gegen Sauerstoff funktioniert nicht mehr. Wenn die Sauerstoff-Sättigung im Blut abfällt, bekommt die Person Atemnot. Sie hat das Gefühl zu ersticken. Auf der Intensivstation wird sie dann in Narkose versetzt und künstlich beatmet. Wenn der Körper auch bei maximaler Beatmung keinen Sauerstoff mehr aufnimmt, ist eine Erholung nicht möglich. Es folgt in der Regel ein Herz-Kreislauf-Versagen. Die Person ist dabei normalerweise nicht bei Bewusstsein.

Anders sieht das aus, wenn kein Intensivbett zur Verfügung steht. Dann können die Ärzt:innen und Pfleger:innen nur Schmerzmedikamente verabreichen, um den Prozess erträglicher zu machen. Schiffer sagt es ganz deutlich: „Ersticken ist eine der schlimmsten Formen zu sterben.“

Auch das möchte kein Pfleger und keine Ärztin bei ihren Patient:innen erleben müssen. Schiffer: „Es ist eine bittere Erkenntnis, dass wir erneut in eine Situation gedrängt werden, die durch eine höhere Impfquote hätte vermieden werden können.“

Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo so viele andere Menschen beeinträchtigt werden.

Gereon Schiffer

Nach eineinhalb Jahren intensiver Forschung sei die Impfung bislang das einzige Mittel, das wirklich zuverlässig vor schweren Corona-Verläufen schütze. Doch Aufklärung scheine kaum noch zu wirken.

Deshalb steht Schiffer einer Impfpflicht positiv gegenüber. „Die Freiheit des Einzelnen, die Impfung abzulehnen, endet für mich dort, wo so viele andere Menschen beeinträchtigt werden.“

ist freie Reporterin des Bürgerportals. Geboren 1984, aufgewachsen in Odenthal und Schildgen. Studium in Tübingen, Volontariat in Heidelberg. Nach einem Jahr als freie Korrespondentin in Rio de Janeiro glücklich zurück in Schildgen.

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