Vor dem Verwaltungsgericht Köln hatte Bergisch Gladbach gegen eine Mutter und Rechtsanwältin verloren, die sich so zwar einen Kita-Platz einklagte, ihn aber dennoch nicht bekommt. Der Rechtsstreit sei noch nicht beendet, betont die Stadt – und wehrt sich gegen den Vorwurf, rechtswidrig zu handeln. Dem Bürgerportal liegen zudem Daten vor, die ein differenzierte Bild darüber geben, wo welche Kita-Plätze fehlen.
Die Stadt Bergisch Gladbach hat den Vorwurf der Rechtsanwältin Sabrina Fahlenbock zurückgewiesen, eine erfolgreiche Klage auf einen angemessenen Kita-Platz für ihren zweijährigen Sohn nicht zu beachten. „Der Vorwurf des Rechtsbruchs wird zurückgewiesen“, stellte Marion Linnenbrink, Pressesprecherin der Stadt, auf Nachfrage klar.
Zum einen liege noch keine rechtskräftige Entscheidung über die streitigen Rechtsfragen vor. Die Stadt habe Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln (verbunden mit einer einstweiligen Verfügung) eingelegt, über die nun das Oberverwaltungsgericht entscheiden müsse. Über den Inhalt der Beschwerde macht die Stadt mit Verweis auf das laufende Verfahren keine Angabe.
Trotz der Beschwerde (die keine aufschiebende Wirkung hat) bemühe sich das Jugendamt, einen wohnortnahen Kita-Platz für das Kind der Klägerin zu finden, berichtet Linnenbrink weiter. Alle Kitas im Umkreis von fünf Kilometern um den Wohnort herum seien angefragt worden, bislang sei aber noch kein Platz gefunden worden.
Verwaltung sucht stadtweit nach Grundstücken
Fahlenbock war nicht nur vor Gericht gezogen, sondern hatte ihren Fall (und den von 25 weiteren Familien, die sie als Anwältin vertritt) auch in den Ausschuss für Anregungen und Beschwerden eingebracht. Ihr Vorschlag, auf der Wiese gegenüber des Moitzfelder Dorfplatzes rasch eine Kita zu bauen, war dort aber auf einhelligen Widerstand gestoßen.
Inzwischen hat Fahlenbock angekündigt, eine zivilgesellschaftliche Initiative zu gründen, um „Bergisch Gladbach zu einer familienfreundlichen Stadt zu machen“, zunächst durch die Bereitstellung von mehr Kita- und OGS-Plätzen.
Die Anwältin gehört zu den vielen Müttern (nicht nur in Bergisch Gladbach), die bei der Verteilung von Kita-Plätzen leer ausgegangen waren. Mehrere hundert Familien stehen auf diversen Warteliste und auch für das kommende Kita-Jahr rechnet die Stadt mit einem Defizit von gut 400 Plätzen.
Die Stadtverwaltung prüft derzeit alle eigenen Grundstücke und wägt dabei ab, ob sie sich für den Bau einer Kita eignen. Dabei hat sie auch Grundstücke in Lückerath (Carpark-Gelände und Lena-Wiese) im Fokus; zudem wird nicht weit entfernt in der Straße Mondsröttchen bereits eine große Kita gebaut. Außerdem hatte die Stadt ein Interessensbekundungsverfahren angekündigt, um private Investoren zum Bau von Kitas zu ermutigen.
Ausreichende Versorgung in Moitzfeld
Differenzierte Zahlen für den Bedarf an Kita-Plätzen, die die Stadt jetzt auf Nachfrage des Bürgerportals herausgeben hat, deuten darauf hin, dass tatsächlich im Bereich Lückerath und Bensberg der Bedarf besonders hoch ist – in Moitzfeld (dem Wohnort der Familie Fahlenbock) dagegen weitgehend gedeckt.
Im Jugendhilfeausschuss hatte das Jugendamt noch aggregierte Daten für die Bezirke 4 und 5 vorgelegt und auch auf Nachfrage keine detaillierten Angaben gemacht. Die Zahlen, die dem Bürgerportal jetzt vorliegen, schlüsseln das Defizit von 188 Plätzen zum kommenden Kita-Jahr weiter auf:
168 Kita-Plätze fehlen im Bezirk 5A (Lückerath, Bensberg, Bockenberg, Kaule), davon 26 für Kinder unter drei Jahren.
Im Bezirk 5B, der nur Moitzfeld umfasst, sind rein rechnerisch sogar 4 Plätze mehr für das kommende Kita-Jahr verfügbar als benötigt werden. Gerade bei den Kindern unter drei Jahren wird dort ein Überschuss ausgewiesen.
Im Bezirk 4 (Herkenrath) fehlen der Prognose zufolge 24 Plätze, auch hier vor allem im Ü3-Bereich.
Hinweis der Redaktion: Bei diesen Zahlen handelt es sich nicht um den aktuellen Status quo, sondern um eine Prognose auf Basis von Kinderzahlen und Annahmen zur künftigen Nachfrage. Mehr zum Hintergrund in diesem Beitrag.
Diese Daten deuten daraufhin, dass der Bau einer weiteren Kita in Moitzfeld keine so hohe Priorität hat wie der Ausbau weiter unten in Lückerath und Bensberg. Allerdings sind Kitas in Moitzfeld auch für Familien aus Herkenrath und Bockenberg erreichbar.
Die Beschreibung der Bedarfe in den Bezirken liest sich für Laien so, als sei das Problem minimal, sprich es betrifft nur 15-20 Kinder.
In den Bezirken in meiner Nähe ist der Bedarf an Ü3 Plätzen aber enorm hoch. So kenne ich z.B. auch Kinder, die ein ärztliches Attest haben, dass sie dringend einen Kindergartenplatz brauchen und trotzdem keinen bekommen. Wie gesagt mit fast 4 Jahren hat dieses Kind noch keinen Platz und das ist kein Einzelfall. Was das für Folgen hat ist jedem klar, der mit Kindern arbeitet. Kinder brauchen soziale Kontakte wie Erwachsene die Luft zum Atmen. Ich finde jede Initiative pro Kinder und Familien für Bergisch Gladbach eine Bereicherung.
Denn sind wir Mal ehrlich, die Wählerschaft in Bergisch Gladbach ist tendenziell Ü60 und so sieht auch das Programm der Stadt aus. Auf dem letzten Familienfest in BGL war eine riesige Oldtimerausstellung, aber nur 3 Buden von Firmen für Kinder.
Wenn man da mal nach Leverkusen schaut, die jedes Jahr ein riesiges Kinderfest mit „Leverkusen spielt3“ veranstaltet, dann sieht man, dass es auch anders geht. Gut, dass sich endlich Menschen für Kinder einsetzen! Auch wenn die Stadt nicht alle Probleme zeitnah lösen kann, oder daran Schuld ist. Man muss mehr Engagement zeigen.
Alleine im Bezirk Bezirk 5A (Lückerath, Bensberg, Bockenberg, Kaule) fehlen 168 Plätze, in ganz Bergisch Gladbach sind es nach offiziellen Berechnungen der Stadt 416 Plätze (plus Kinder auf der Warteliste).
Klarstellung meinerseits:
Es handelt sich bei dem hier angesprochenen einstweiligen Verfügungsverfahren, bei welchem die Stadt hier in die Beschwerde vor dem OVG gegangen ist, tatsächlich nur um den Primäranspruch, also den Platzanspruch, und nicht darum, die Stadt zu weiteren Maßnahmen zu zwingen (z.B. Zwangsvollstreckung), das sind gesonderte Verfahren.
Frau Schmidt hat in Ihrem Kommentar recht: Solange die Stadt keinen Platz bereitstellt und den Beschluss nicht einhält ignoriert sie geltendes Recht somit liegt ein Rechtsbruch vor.
Der Anspruch des Kindes steht nicht unter einem Kapazitätsvorbehalt.
„Der Anspruch des Kindes steht nicht unter einem Kapazitätsvorbehalt“
Daraus könnte man in Anbetracht des demographischen Problems und des schon jetzt bestehenden Personalmangels eine politische Forderung ableiten: der Anspruch könnte in Zukunft wegfallen. Das wird dann passieren, wenn eine kritische Masse an Eltern klagt und es für die Gemeinden zu teuer wird.
Herr Weber, unbewiesene Behauptung, rechtsfreie Bewertung, wer sind die andren!?
Ich glaube die Stadt brauch hier juristische Nachhilfe Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) § 149 – Aufschiebende Wirkung.
Die Beschwerde hat bei einer einstweiligen Verfügung keine aufschiebende Wirkung. Erstes Semester Jura-Studium.
Das weiß das Rechtsamt der Stadt und ist nicht strittig; daher versucht das Jugendamt ja, einen Kitaplatz zu finden.
Aber dann ist die Aussage der Stadt konsequenter weise falsch und es ist ein Rechtsbruch.
Die Stadt mag zwar bemüht sein, doch solange sie keinen Platz bereitstellt und den Beschluss nicht einhält, begeht sie einen Rechtsbruch ob Sie will oder nicht.
Was ich nicht verstehe und was der Artikel offenlässt, ist folgendes: Die Stadt hat in einer Pressemitteilung behauptet, sie erkenne den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz an.
Wie kann es dann sein, dass Eltern bis vor das OVG gehen müssen? Das erscheint mir sehr widersprüchlich.
Versucht die Stadt hier, sich Zeit zu kaufen?
Der Anspruch auf einen Kitaplatz ist kein hochkomplexer rechtlicher Sachverhalt. Ist das Kind älter als ein Jahr, wohnt es in Bergisch Gladbach und hat es seinen Bedarf rechtzeitig angemeldet?
Natürlich erkennt die Stadt den Rechtsanspruch an. Sie kann aber nur Kita-Plätze vergeben, die existieren. Daher versucht sie seit Jahren, Kitas zu erweitern und neue zu bauen, kann aber den Bedarf aber nach wie vor nicht decken. Wie nun der individuelle Anspruch auf eine Kitaplatz juristisch durchgesetzt werden kann ist dann doch etwas komplexer – daher ein Feld, dass inzwischen bundesweit von spezialisierten Anwalt:innen bearbeitet wird.
Frau Fahlenbock will die Stadt dazu zwingen lassen, weitere Maßnahmen zu unternehmen. Darüber muss jetzt das OVG entscheiden. Darüber haben wir mehrfach berichtet, die Beiträge dazu finden Sie oben im Beitrag verlinkt.
Um das Problem fehlender Betreuungsplätze für Kinder (mit gutem Bildungs- und Erziehungsangebot!!!) zu verbessern, ist ein wichtiger Schritt neue Kitas zu errichten. Wenn gut ausgebildetes Personal fehlt, nützen die Gebäude nichts. Bereits jetzt sind Gruppen in bestehenden Einrichtungen wegen Personalmangels geschlossen oder reduziert geöffnet.
Der Fachkräftemangel ist in allen Bereichen ein großes Problem. Vielleicht wäre es von Nöten, seitens der Träger, über die Arbeitsbedingungen des pädagogischen Fachpersonals und deren Verbesserung nachzudenken. In erster Linie ist eine positive Arbeitsatmosphäre ein Pluspunkt. Diese kann durch ausreichendes Personal und damit einhergehender Stressreduzierung, (Zeit für Beziehungszeiten mit den Kindern macht Erziehende zufrieden) erreicht werden.
Während z.B im Handwerk die vier Tage Woche bei gleichem Lohn immer häufiger praktiziert wird, ist dieser Gedanke im sozialen Bereich – soviel ich höre, noch nicht mal angedacht.
Stichwort „Work – Life – Balance“.
Grundlage für gut funktionierendes öffentliches Leben und die Wirtschaft ist, wenn berufstätige Eltern ihre Kinder in guten Händen wissen und so die Köpfe frei haben.
Dazu braucht es gut ausgebildetes, zufriedenes Personal und hier schließt sich für mich der Kreis….
Anita Grupp: Danke!
Ich bin selbst Erzieherin und Leitung und kann es einfach nicht mehr hören, dass der Kitabau permanent als Priorität angesehen wird, wo wir in allen Kitas völlig unterbesetzt arbeiten müssen.
Würde man als oberste Priorität die Arbeitsbedingungen von päd. Personal verbessern und den Beruf attraktiver gestalten, könnte man die bestehenden Einrichtungen mit Fachkräften füllen und dort auch wieder mehr Kinder aufnehmen.
Wir haben 80 Betreuungsplätze, aufgrund von Personalmangel sind aber nur 66 Plätze besetzt.
Hätten wir mehr Personal, könnten wir weitere 14 Kinder aufnehmen.
Das auf die Kitas in Bgl gerechnet, wären mal wieder locker 200 Betreuungsplätze mehr zu vergeben.
Neue Kitas bedeuten für mich, dass noch mehr Fachkräfte ihre Einrichtung verlassen ergo dort wieder weniger Plätze vergeben werden können.
Es ist sehr verwunderlich wie die Aussage der Stadt in Bezug auf die zur Verfügung stehenden Kitaplätze in Moitzfeld zustande gekommen ist.
Eine Anfrage bei den drei Kitas hätte schnell Klarheit über die tatsächliche Anzahl der abgewiesenen Kinder gegeben.
Zu beachten ist weiterhin, dass die Kitaplätze in der Kita der Firma Miltenyi in Moitzfeld nicht zur Verfügung stehen, da sie weitestgehend an Kinder der Angestellten dieser Firma vergeben werden, die größtenteils ihren Wohnsitz nicht in Moitzfeld oder Bergisch Gladbach haben. Hierbei wäre es sehr interessant zu erfahren, ob bzw. in welcher Höhe die Stadt Bergisch Gladbach diese Kitaplätze (für Kinder aus anderen Städten bzw. Gemeinden) finanziert.
Ob die Stadt sich wirklich „bemüht“ einen Platz für dieses und auch die anderen abgewiesenen Kinder zu finden, werden wir ja in Kürze erfahren. Die Stadt war ja auch in vielen anderen Themen „stehts bemüht“.
Zur aktuellen Verfügbarkeit von Kita-Plätzen macht die Stadt nur die Aussage, dass sie alle Kitas im Umfeld angefragt und bislang keinen freien Platz gefunden hat.
Die grundsätzlichen Aussagen zu den Kitaplätzen in den Bezirken 4 und 5 haben wir aus Unterlagen abgeleitet, die die Stadt der Redaktion auf Nachfrage zur Verfügung gestellt hat. Dabei handelt es sich wie gesagt um den formalen Abgleich von Bedarf (auf Basis von Kinderzahlen und Nutzungsquoten) und im Herbst voraussichtlich zur Verfügung stehenden Plätzen.
Das Verfahren wird in diesem Beitrag erläutert: https://in-gl.de/2023/02/24/ueber-700-kita-plaetze-fehlen-in-gl-denkverbote-gibt-es-nicht/
Vielen Dank für die Klarstellung.
Es erscheint mir jedoch, seitens der Stadt, etwas naiv, falls die „Bemühungen“ sich lediglich auf die Abfrage von freien Plätzen beschränkt.
Wie bereits seitens der Redaktion dargestellt: „ … Daher versucht sie seit Jahren, Kitas zu erweitern und neue zu bauen, …“ fehlt mir der Glaube, dass es sich hierbei um eine zielführende Maßnahme handelt, den aktuellen Mangel an Kitaplätzen, für alle betroffenen Kinder, wirklich zeitnah und nachhaltig zu beheben.
Es hat leider eher (für mich als juristischer Laie) den Anschein, dass man seitens der Stadt auf ein Urteil des OVGs hofft, damit man (mal wieder bzw. auch weiterhin) nicht tätig werden muss.
Es ist für mich sehr bedenklich und zeugt nicht wirlich von Bürgernähe, dass eine Stadt lieber den Klageweg gegen die eigenen Bürger (in diesem Fall gegen die Familien mit Kindern) beschreitet, an Stelle das Problem zu lösen.
Es würde mich nicht wundern, wenn die Stadt hierzu lieber nicht unerhebliche Kosten und Aufwand, für die juristische Lösung in Kauf nimmt, anstatt den betroffenen Familien zeitnah zu helfen.
Uwe, wie sieht denn eine zeitnahe Lösung für den Kitastart im August aus?
Diese Redaktion ist genauso gekauft wie alle anderen
Interessante These. Von wem denn, Ihrer Meinung nach? Und was hat das mit diesem Beitrag zu tun?
Wenn in Moitzfeld kein Mangel an Plätzen besteht, sollte der dort wohnenden Klägerin doch ein wohnortnaher Platz zugewiesen werden können? Irgendwie steht hier ein Widerspruch im Raum.
Das eine sind Berechnungen, wie hoch der Bedarf im kommenden Kita-Jahr unter gewissen Annahmen (u.a. Zielquoten) wahrscheinlich sein könnte. Das andere ist die Praxis. Mehr zum Hintergrund finden Sie in diesem Beitrag:
https://in-gl.de/2023/02/24/ueber-700-kita-plaetze-fehlen-in-gl-denkverbote-gibt-es-nicht/