Mit einer kleinen Aufführung des Ensembles „jetzt & hier“ machte die Max-Bruch-Musikschule auf ihr inklusives Angebot aufmerksam. Das gibt es in Anfängen bereits seit 2010, und wird überwiegend mit Bordmitteln gestemmt. Mit Spenden soll das Angebot weiter ausgebaut werden – auch der Bau eines Plattformliftes für Rollstühle ist geplant. Wir waren bei dem Mini-Konzert dabei.

„Alle bereit?“ fragt Musikschullehrerin Uta Vossebrecker in die Runde. „Alle bereit!“ schallt es zurück. Die Musiker:innen des inklusiven Ensembles „jetzt & hier“ haben sich im Kammermusiksaal der Max-Bruch-Musikschule versammelt. Und präsentieren ihr gleichnamiges Titelstück. Es basiert auf dem Song „Live ist live“.

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Das Lied handelt von der selbstbewussten Behauptung dieses wunderbaren kleinen Orchesters in der Welt der Töne, in der Welt der Menschen mit und ohne Handicap. Trommel, Becken, Keyboard, Bass und Gitarre sind zu hören. Drei Sänger:innen geben den Ton vor. Derweil dirigiert Uta Vossebrecker die Truppe, weist mit dem Fuß auf die Noten, die gerade zu spielen sind.

Die Augen der Musiker:innen, die zwischen 26 und 38 Jahre alt sind, leuchten während der Aufführung. Einige sind schon seit Anfang an dabei. Die Akteure sind ganz bei sich. Und freuen sich riesig, als nach dem Song der Applaus aufbrandet. Applaus – das ist natürlich auch bei inklusiven Orchestern das Brot des Künstlers.

Das Ensemble spielt im ersten Stock, seinen Rollstuhl musste ein Musiker von „jetzt & hier“ mangels Lift im Treppenhaus steheh lasse, Foto: Holger Crump

Angebote an Kitas und Schulen

Seit 2010 gibt es inklusive Angebote an der Max-Bruch-Musikschule. „Aktuell in fünf Kursen, immer in Gruppen“, erklärt Musikschulleiterin Agnes Pohl-Gratkowski. Dabei handele es sich nicht um Musiktherapie, sondern um ein heilpädagogisches Musikangebot. Im Fokus stehe nicht das Erlernen eines Instruments oder bestimmter Literatur, nicht um das was die Teilnehmer:innen noch nicht können.

„Es geht dabei immer von der Person aus, was sie mit einbringt, um den musikalischen Ausdruck – potenzialorientiert“, sagt Pohl-Gratkowski. Das sei der Unterschied zum herkömmlichen Musikunterricht. Die Kosten sind mit 21 Euro im Monat (Ensemble-Entgelt) überschaubar.

Auch aufsuchende Angebote

Gespielt würde gerne auf Trommeln und Keyboards. Auf Instrumenten, die weniger Fertigkeiten zur Klangerzeugung erforderten. Eine Gitarre würde zum Beispiel in Pentatonik gestimmt, damit sie ordentlich klingt wenn man in die Saiten greift. Wer ein Blasinstrument wie Flöte einbringen wolle, könne diese von zuhause mitbringen.

Die Teilnehmer:innen suchten sich oft Lieder aus, die dann in der eigenen Fassung des Ensembles erarbeitet würden, so Pohl-Gratkowski zu den Musikstücken.

Ihre Kollegin Uta Vossebrecker leitet das Angebot. Die Musikpädagogin, die das Fach Oboe sowie musikalische Grundausbildung unterrichtet, hat eine Zusatzqualifikation „Instrumentalspiel für Menschen mit Behinderung“. Sie bietet nicht nur inklusive Kurse an der Musikschule an, sondern seit April 2023 auch an der Fröbelschule.

Hinzu kommen im Rahmen von JeKits (NRW-Bildungsprogramm für Musik an Schulen) auch Projekte an Grundschulen. Auch in inklusiven Kitas ist sie unterwegs.

Noch nicht komplett barrierefrei

Uta Vossebrecker dirigiert und deutet mit dem Fuß auf die Noten des Musikstücks, Foto: Holger Crump

Das inklusive Angebot der Max-Bruch-Musikschule richte sich an jede und jeden, macht die Leiterin der städtischen Musikschule klar. Niemand werde ausgegrenzt, alle könnten kommen. Auch Schüler:innen mit eingeschränkter Mobilität seien willkommen.

„Der Rollstuhl bleibt unten“, schränkt sie jedoch ein. Das Gebäude ist noch nicht komplett barrierefrei. Ein Mitglied des Ensembles „Jetzt & hier“, der auf eben diesen Rollstuhl angewiesen ist, musste mit Unterstützung den Weg in das erste Obergeschoss bewältigen.

Zwar gebe es eine Rampe für Rollis am Eingang sowie behindertengerechte WCs. „Aber innerhalb der Musikschule fehlt ein Plattformlift“, so Pohl-Gratkowski. Die Maßnahme sei bei den Baumaßnahmen der Stadt gelistet, man schätze die Kosten zur Erschließung des ersten Stockwerks auf 70.000 Euro. Gegenwärtig würden Projekte an den Schulen jedoch vorzugsweise realisiert.

Spendenaktion gestartet

Es hakt aber nicht nur bei der Infrastruktur. Auch für die Kurse in der Musikschule müssten dringend Anschaffungen gemacht werden, erklärt Uta Vossebrecker. Die inklusiven Angebote würden derzeit mit vorhandenen Instrumenten realisiert.

„Nötig sind aber weitere Instrumente, wie eine Trommel mit spezieller Aufhängung, damit sie auch einhändig gespielt werden kann. Oder einen Paravent im Proberaum, um den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei Bedarf eine Rückzugsmöglichkeit zu bieten.“ Auch einfache Zeitanzeiger seien erforderlich, um optisch auf den Fortschritt der Unterrichtsstunden hinzuweisen – das ist durchaus relevant im inklusiven Musikunterricht.

Dazu hat der Förderverein der Musikschule nun eine Spendenaktion gestartet. Die Information über das inklusive Angebot sollen aufgebaut, Barrieren im Gebäude sollen abgebaut werden. Zudem Instrumente angeschafft und in die Fortbildung der Lehrer:innen an der Musikschule investiert werden. Da geht es auch um die Haltung des Kollegiums gegenüber dieser Form der Musikschularbeit.

Spendenaktion „Inklusion“
Wer: Förderverein der Städtischen Max-Bruch-Musikschule Bergisch Gladbach e. V.
Wozu
: Erweiterung der inklusiven Arbeit an der Musikschule

Spendenkonto:
Kreissparkasse Köln
IBAN DE07 3705 0299 0311 5613 77
Stichwort Inklusion

Der nächste Auftritt des inklusiven Ensembles „jetzt & hier“ findet am Sonntag, 10. Dezember (11 Uhr) beim musikalischen Adventskalender der Musikschule im Rathaus Bensberg statt.

Das bekommt in punkto inklusiver Arbeit übrigens Verstärkung. Im Januar 2024 startet Cellist Holger Faust-Peters von der Max-Bruch-Musikschule seine Zusatzqualifikation, ab Herbst des kommendes Jahres wird er dann ebenfalls inklusive Projekte anbieten.

Zurück ins Konzert von „jetzt & hier“: Am Ende des Konzerts greift eine der Musikerinnen aus dem Ensemble nach ihrer Mundharmonika. Und fängt an, ein wunderbares Solo auf dem kleinen aber feinen Instrument zu spielen.

Zum Schluss haut ein Kollege kräftig aufs Becken – ein satter Crash braust auf. Tosender Applaus und helle Freude. Bei Zuhörer:innen und Musiker:innen gleichermaßen.

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ist Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals.

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