Der Trend zur Brief- und Direktwahl setzt sich auch bei der Europawahl in Bergisch Gladbach fort, zeigen die aktuellen Zahlen. Wer per Brief wählen will und noch keinen Antrag gestellt hat muss sich jetzt allerdings sputen.

Nur noch ein statt drei Direktwahlbüro bietet die Stadt Bergisch Gladbach an – doch auf die Wahlbeteiligung hat das offenbar keinen signifikanten negativen Einfluss. 3712 Wählerinnen und Wähler haben bislang im Wahlbüro auf Zanders ihre Stimme abgegeben, täglich kämen rund 350 hinzu, berichtet Frank Bodengesser, der Leiter des Wahlbüros. Bei früheren Wahlen waren es nie mehr als 240 in der Innenstadt, offenbar nehmen auch die Leute aus Bensberg und Refrath den Weg auf sich.

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Hinweis der Redaktion: Das Wahlbüro befindet sich im alten Zanders-Verwaltungsgebäude an der Gohrsmühe und ist montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr und samstags von 10 bis 13 Uhr geöffnet.

Oder sie nutzen die Briefwahl. Bis jetzt hat das Wahlbüro dafür bereits 23.159 Wahlscheine gedruckt, bis zum Schuss erwarte er ingesamt ca. 27.000, sagt Bodengesser. Bei der Europawahl vor fünf Jahren gab es „nur“ 20.858 Briefwähler. Insgesamt ist damit zu rechnen, dass rund 33.000 Wahlberechtigte in Bergisch Gladbach vor dem eigentlichen Wahltermin 9. Juni ihre Stimme abgeben.

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Insgesamt sind bei der Europawahl in Bergisch Gladbach 84.925 Menschen ab 16 Jahren wahlberechtigt. Unter der Annahme, dass die Beteiligung so hoch wie 2019 ist (65 Prozent) werden rund 55.000 Personen ihre Stimme abgeben – womit die Brief- und Direktwahlquote bei 60 Prozent liegen würde.

Die Brief- und damit auch die Direktwahl ist bis Freitag vor der Wahl 18 Uhr möglich. Wer per Brief wählen will sollte das allerdings jetzt so schnell wie möglich beim Wahlbüro beantragen, denn die Unterlagen müssen ja noch verschickt werden. Formal ist die Online-Beantragung bis zum 5. Juni um 18 Uhr möglich.

des Bürgerportals. Kontakt: info@in-gl.de

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31 Kommentare

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  1. Den hohen Briefwahl-Anteil sehe ich ebenfalls sehr kritisch – allerdings aus ganz anderen Gründen.

    Dass diese oder jene Partei davon (nennenswert) profitieren würde, bezweifle ich stark. Eine hohe Fehlerquote kann ich aus eigener Wahlhelfer-Erfahrung nicht bestätigen – eher deutlich unter 1%. Dass „kurz vor der Wahl stattfindende Ereignisse … nicht mehr bei seiner Wahlentscheidung berücksichtigt“ werden können, ist zwar richtig – aber das wissen Briefwählende bei der Stimmabgabe und nehmen dieses ‚Risiko‘ bewusst in Kauf. Wer noch unentschlossen ist, kann mit dem Abschicken bis kurz vor der Wahl warten; auch am Wahltag ist die Abgabe noch möglich.

    Der Grundsatz der „freien und geheimen“ Wahl kann jedoch bei der Stimmabgabe per Brief nicht sichergestellt werden. Insbesondere sozialer Druck innerhalb der Familie lässt sich nicht ausschließen. Mir sind keine Anzeichen dafür bekannt, dass solches Verhalten verbreitet wäre. Aber angesichts teils deutlicher Unterschiede im Wahlverhalten älterer und jüngerer Menschen ist das demokratietheoretisch ein mindestens potentielles Problem.

    Die Möglichkeit der Briefwahl muss selbstverständlich bestehen (bleiben).
    Aber es sollte versucht werden, den Anteil einzudämmen, indem Anreize für den Gang zum Wahllokal geschaffen werden. Wie wär’s mit Kaffee und Kuchen für Alle, um den Urnengang zu einem kleinen ‚Fest‘ zu machen?

    1. Die von mir verlinkte Studie zur letzten Bundestagswahl geht von Fehlerquoten deutlich über 1% aus. Das deckt sich auch mit Berichten von Wahlhelfern.

      Das „Risiko der frühen Stimmabgabe“ werden sicherlich die meisten Briefwähler eingehen. Kaum ein Briefwähler wird den Brief erst am Wahltag vorbeibringen, am Wahltag will oder muss man ja als Briefwähler meist etwas anderes machen. Bei bestimmten Ereignissen (Fukushima) kann es bei hohem Briefwahlanteil passieren, das das Wahlergebnis am Wahltag nicht mehr die Mehrheitsmeinung abbildet.

      Das Problem mit der freien und geheimen Wahl nennt auch der Jurist im DLF Interview. Wenn ein Haustyrann beim Ausfüllen der Wahlunterlagen am Küchentisch aufpasst, dass die Familie auch richtig wählt, ist beides nicht mehr gewährleistet. Sowas darf halt nicht zu oft vorkommen.

      1. Wahrscheinlich kommt es auch nur selten vor – aber es gibt halt keine Möglichkeit, das zu kontrollieren bzw. auszuschließen. Und ich halte es durchaus für denkbar(!), dass sich in bestimmten Kreisen ein solcher „Trend“ entwickeln könnte.

        Die anderen Punkte halte ich für vergleichsweise irrelevant. Ich war selbst mehrmals Briefwahlhelfer und kann die Aussage „hohe Fehlerquote“ nicht bestätigen. Zur elektronischen Wahl siehe xkcd #2030… ;-)

    1. Finde ich nicht, es sollte eher die Leute mal ans Nachdenken bringen, wie Wahlen in der Zukunft stattfinden können.

      1. Hoffentlich werden die Wahlen der Zukunft nicht digital sein.
        Das wäre der Supergau für die Demokratie und so manchem BlackHat würde man Tür und Tor öffnen
        Ob jetzt jemand Brief wählt oder zur Wahlurne geht soll mir wurscht sein Habe auch Per Brief gewählt und finde es toll das es den Service gibt

      2. Da, wo sie digital ablaufen, funktionieren sie. Also, welchen Popanz malen Sie hier an die Wand?

      3. Demokratische Wahlen sollten frei, geheim, öffentlich, gleich und allgemein sein. Die Briefwahl fördert die Allgemeinheit, kann allerdings die anderen Dinge einschränken. Deswegen sollte sie die Ausnahme und nicht der Regelfall sein. Das kommt doch eigentlich in dem Interview des DLF (siehe oben) ganz gut raus.

      4. Das Interview präsentiert die Position und die Ansichten eines einzelnen Juristen. Denen kann man sich anschließen, zwingend ist das aber keineswegs.

      5. Natürlich ist das eine Einzelmeinung von Verfassungsrechtler Markus Ogorek, der ich mich aber gern anschließe. Interessant wären natürlich begründete Einwände gegen diese Einzelmeinung. Die reine Bequemlichkeit der Briefwahl scheint mir dabei nicht ein hinreichender Einwand zu sein.

        Was hier noch garnicht angemerkt wurde ist ein Dunkelfeld bei den nicht erfassten ungültigen Stimmen. Man denkt vielleicht, dass das Briefwahlverfahren idiotensicher sei. In der Praxis kann man aber viele Formfehler machen, die die Stimme ungültig machen. Aus Berichten von Wahlhelfern (also Bauchgefühl) hätte ich den Anteil auf 3-5% geschätzt. Jetzt gibt es sogar eine Studie dazu (file:///C:/Users/EliteBook%20HP840/Downloads/s11615-021-00358-3.pdf), die das sogar in dieser Größenordung bestätigen.

      6. Der wichtigste Einwand gegen die Meinung des Juristen ist wohl, dass sie in der Praxis irrelevant ist. Da man den Antrag auf Briefwahl wohl kaum mit einer Gewissensprüfung verbinden oder das Beifügen gerichtsfester Beweise für eine Verhinderung am Wahltag verlangen kann, muss man die Entwicklung der Briefwählerzahlen entweder so hinnehmen, wie sie ist, oder die Briefwahl grundsätzlich abschaffen – womit die Wahlen nicht mehr allgemein wären.

        Die Sache mit den ungültigen Stimmen ist interessant. Allerdings fände ich sie erst dann problematisch, wenn nachgewiesen wäre, dass eine bestimmte Partei oder politische Richtung dadurch benachteiligt würde. Solange das nicht der Fall ist, bin ich der Ansicht, dass jeder einzelne Briefwähler nun mal selbst dafür verantwortlich ist, seine Stimme gültig abzugeben. Die Anleitung, die mit den Briefwahlunterlagen kommt, ist nun wirklich nicht schwer zu verstehen und zu befolgen – die Sorgfalt, sich daran zu halten, kann man ohne weiteres verlangen. Und wer das partout nicht schafft, weil er oder sie mental oder körperlich eingeschränkt ist, würde auch im Wahllokal die Unterstützung einer sogenannten Hilfsperson benötigen.

      7. Das mit der Hilfsperson werte ich mal als Satire. Bei der Urnenwahl ist die Anzahl der möglichen Formfehler nachweislich viel geringer.

        Man könnte darüber spekulieren, wer von der hohen Fehlerquote profitiert oder benachteiligt wird. Risikofaktoren für einen Formfehler scheinen höheres Lebensalter und geringe Literalität in der deutschen Sprache zu sein. Welche Parteien könnten davon benachteiligt werden? Weiter ist bekannt, dass die AfD in den Briefwahlbezirken oft schlechter abschneidet als bei der Urnenwahl. Das finden bekannte AfD-Politiker irgendwie „auffällig“ und nehmen es zum Anlass, ihren Wählern die Urnenwahl zu empfehlen. Welche Partei könnte davon profitieren?

        Abschaffen sollte man die Briefwahl nicht. Aber man sollte sie nicht auch noch fördern. Ein Direktwahlbüro reicht völlig aus. Die Parteien sollten nicht aktiv für die Briefwahl werben, etwa damit, dass man am Wahltag viel besser mit den Enkelkindern spielen (CDU) oder lange ausschlafen (Grüne) könnte, als zur Wahl zu gehen. Stattdessen sollte die Parteien Werbung für die Urnenwahl machen, auch um oben genannten Verwunderungen von bekannten AfD-Politikern und sich daraus ergebendem Geraune den Wind aus den Segeln zu nehmen. Man sieht also, dass es zwischen bloßem Hinnehmen der steigenden Briefwahlquote und Abschaffen der Briefwahl noch vielfältige Grautöne geben könnte.

        Den Kommentar von Herrn Flosbach kann man leider nicht als „Popanz an die Wand malen“ vom Tisch wischen. Eine Gefahr für die Demokratie besteht darin, dass man die Korrektheit des Wahlergebnisses infrage stellt. Da ist Trump das beste Beispiel. Man ist sich in der Bevölkerung nicht einmal mehr über das Wahlergebnis einig.

      8. Spekulieren sollte man eher nicht, sondern belegte Fakten zur Hand haben. Und da ist die Situation ziemlich uneindeutig. Hierzulande mag die AfD eventuell darunter leiden, weil sie bildungsferne Wähler anzieht, in den USA vermutet man, dass Trump bei der letzten Wahl darunter litt, weil die Stimmabgabe niederschwelliger möglich war. Aber belegt ist da nichts, deshalb muss man zunächst davon ausgehen, dass sich die ungültigen Stimmen quer über die Parteienlandschaft verteilen – für diese Annahme sind die wenigsten Variablen und Hypothesen erforderlich.

        Das mögliche Geraune von notorischen Demagogen, Verschwörungserzählern und Chaosprofiteuren zum Maßstab des eigenen Handelns zu machen, lehne ich ab. Die werden so oder so ihre Märchen erfinden, mit denen sie das eigene Versagen bei Wahlen erklären können, ganz gleich, wie die Wahl technisch durchgeführt wurde..

      9. Spekulieren sollte man unbedingt, weil sonst kein Wissensmehrwert entstehen kann. Wenn man nichts weiß, wäre die Gleichverteilung tatsächlich die naheliegendste Spekulation. Allerdings weiß man, dass die AfD bei Urnenwahlen in vielen Fällen besser als bei der Briefwahl abschneidet. Der der Hypothese zugrundeliegende Mechanismus wäre also: AfD Wähler gehen öfter zur Urne als andere Wähler-> AfD Wähler machen weniger Formfehler bei Briefwahlen -> AfD profitiert von der hohen Briefwahlquote. Diese Hypothese könnte sich in einer empirischen Untersuchung als falsch erweisen. Es könnte auch sein, dass die Falsifizierung der Hypothese nicht gelingt.

      10. Gut, wenn Sie Forschungshypothese und Spekulation gleichsetzen, dann kann man spekulieren. Aber dass Sie vorbringen, AfD-Kandidaten würden bei Urnenwahlen besser abschneiden und dann bei der Erklärung des Mechanismus zum dem Schluss kommen, dass die AfD von einer hohen Briefwahlquote profitiere, legt den Schluss nahe, dass Ihre Überlegungen auf einem eher schmalen Brett stehen.

      11. Hallo Drucker, Sie erklären ja gar nicht, an welcher Stelle das Brett ganz genau schmal sein soll. Deswegen verstehe ich das nicht. Vielleicht mögen Sie das anhand dieser Modellrechnung erklären:

        Datenbasis: Statista und verlinkte Studie oben
        Annahme: 4% aller Wahlbriefe gehen wegen Formfehlern nicht in die Auszählung, gleicher Anteil für alle Parteien
        Briefwähleranteil CDU: mindestens 45%, höchstens 62 %
        Briefwähleranteil AfD: Mindestens 24 %, höchstens 32 %
        Die CDU verliert 1,8 % bis 2,5 % ihrer Stimmen.
        Die AfD verliert 1 % bis 1,3 % ihrer Stimmen.

        Bei einem Parlament wie dem Bundestag kann das einen Effekt bringen, der die Anzahl der Mandate beeinflusst. Die Daten haben zwar den Corona-Effekt, aber der Trend geht wohl eher zu noch höheren Briefwahlanteilen. Es würde mich nicht wundern, wenn demnächst Vereinfachungen des Briefwahlverfahrens gefordert werden, etwa nach dem Beispiel der Schweiz.

        https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1259467/umfrage/umfrage-briefwahl-bei-bundestagswahl-nach-parteipraeferenz/

      12. @Christian-Andreas Ihre Überlegung würde aber nur funktionieren, wenn die Briefwähler in der Kabine nicht ebenfalls den selben Fehler wiederholen und es müsste berücksichtigt werden, wieviele überhaupt nicht wählen würden, wenn das Angebot weniger beworben oder unterstützt wird.
        Am Ende würde eventuell sogar die AFD von weniger Briefwähler profitieren.

      13. Kein Problem Herr Lesnik, ich erkläre gern nochmal den springenden Punkt. Es geht hier um Fehler, die nur Briefwähler machen können und die bei Urnenwahlen nicht möglich sind. Diese Wahlbriefe kommen nicht in die Auszählung und gehen auch nicht als ungültige Stimmen in das Wahlergebnis ein. Einige davon kommen dadurch zustande, dass Personen aus einem Haushalt ihre Wahlunterlagen durcheinanderwerfen. Praxisrelevante Fehler sind z.B.:

        1. Wahlschein nicht unterschrieben.
        2. Wahlschein von einer Person mit anderem Namen unterschrieben (gemeint sind keine Fälle mit Hilfsperson).
        3. Unterschrift so nachlässig, dass die Wahlhelfer die Unterschrift nicht mit dem Namen in Verbindung bringen können.
        3. Wahlschein nicht offen im Wahlbrief, z.B. weil er fehlt oder in den Stimmzettelumschlag gegeben wurde.
        4. Wahlbrief enthält zwei Wahlscheine aber nur einen Stimmzettelumschlag.
        5. Wahlbrief enthält zwei Stimmzettelumschläge und nur einen Wahlschein.
        6. Nummer auf Wahlbrief passt nicht zur Nummer auf Wahlschein und die Wahlhelfer finden den zugehörigen Brief nicht, weil er z.B. in einem anderen Wahlraum gelandet ist.
        7. Stimmzettel offen im Wahlbrief oder Stimmzettelumschlag nicht verschlossen.
        8. Wähler schreibt seinen Namen auf Stimmzettelumschlag.
        9. Verwendung nicht amtlicher Umschläge.
        10. Kein Stimmzettel im Wahlbrief (Abgabe des Stimmzettels bei der Urnenwahl zu vergessen scheint möglich, aber eher seltener zu sein).

        Hinzu kommen sicher noch Fälle, wo der Wahlbrief zu spät in die Post gegeben wurde oder versehentlich im Altpapier gelandet ist.

        Sollte es durch die Stärkung des Wahltages, z.B. durch die Werbung von Parteien, tatsächlich zu weniger Briefwählern und gleichzeitig schlechterer Wahlbeteiligung kommen, könnte das natürlich gegenläufige Effekte haben. Es wurde oft angeführt, dass schlechte Wahlbeteiligung radikale Parteien begünstigen würde. Allerdings hatten wir zuletzt z.B. bei Landtagswahl in Hessen bei einer recht ordentlichen Wahlbeteiligung die AfD als zweitstärkste Kraft.

    2. Hier wird völlig ignoriert, dass in einer modernen Gesellschaft nun einmal auch am Wochenende oft Vollzeit gearbeitet wird. So auch ich.
      Sie nicht? Herzlichen Glückwunsch. Muss ich Ihrer schmalen Meinung nach in Zukunft dann meinen Dienstplan ins Wahlbüro bringen, damit ich das darf? Das geht Sie einen Dreck an.
      Und wenn ich vor oder nach dem Dienst noch eine Stunde Zeit hätte, wählen zu gehen, wollen Sie mir vorschreiben, dass ich das muss, anstatt mich zu erholen? Sie sind derart anmaßend und überheblich.
      Wie jemand anderes hier bereits konstatiert hat, auch digitale Wahlen funktionieren in anderen Ländern hervorragend. Haben unabhängige Wahlbeobachter festgestellt. Und jetzt?

      1. Herr Schiffer ist möglicherweise mehr an seiner eigenen Stimmabgabe interessiert als an staatsrechtlichen Vorbehalten gegenüber einem hohen Briefwähleranteil. Ich interessiere mich nur für letzteres, deswegen spreche ich noch das Problem der zeitlichen Ausdehnung der Wahl an. Bei früher Stimmabgabe man kurz vor der Wahl stattfindende Ereignisse wie Reaktorkatastrophen oder Festnahmen/Durchsuchungen bei Spionageverdacht nicht mehr bei seiner Wahlentscheidung berücksichtige. Dies, und die schon genannten Probleme sieht auch ein unten verlinkter Artikel. Und auch der Name eines zweiten Staatsrechtlers taucht auf.
        https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/kommunalwahl-eu-wahl-rlp-briefwahl-chancen-risiken-100.html

    3. Da in den Kommentaren abfällig von der Meinung eines einzelnen Juristen gesprochen wird (besser wohl: eines sehr renommierten Staatsrechtsprofessors), hier vielleicht einfach mal ein Auszug des Bundesverfassungsgerichts, der genau das aufgezeigte Spannungsfeld darlegt und aber auch anerkennt, warum Briefwahl dennoch zulässig ist:

      „Bei der Briefwahl ist die öffentliche Kontrolle der Stimmabgabe zurückgenommen. Auch ist die Integrität der Wahl nicht gleichermaßen gewährleistet wie bei der Urnenwahl im Wahllokal. Die Zulassung der Briefwahl dient aber dem Ziel, eine möglichst umfassende Wahlbeteiligung zu erreichen und damit dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl Rechnung zu tragen. Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl stellt – jedenfalls im Zusammenhang mit der Briefwahl – eine zu den Grundsätzen der Freiheit, Geheimheit und Öffentlichkeit der Wahl gegenläufige verfassungsrechtliche Grundentscheidung dar, die grundsätzlich geeignet ist, Einschränkungen anderer Grundentscheidungen der Verfassung zu rechtfertigen.“

      (BVerfG, Beschl. v. 09.07.2013, 2 BvC 7/10)

      1. Dass da abfällig gesprochen wurde, ist ihr subjektiver Eindruck, der nicht von Fakten gestützt ist. Klar ist vielmehr, dass das Referieren einer einzelnen Äußerung nicht genügt, um der eigenen Argumentation eine breitere Bedeutung zu verschaffen – da mag der Äußernde noch so renommiert sein.

        Der Bezug auf das Bundesverfasungsgericht bringt da schon mehr Substanz in die Diskussion. Interessnt ist nicht zuletzt das Fazit, das das Gericht nach erfolgter Güterabwägung zieht: „Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist gegenwärtig auch nicht erkennbar, dass die geltenden wahlrechtlichen Bestimmungen keine ausreichende Gewähr für den Schutz vor Gefahren bieten, die bei der Durchführung der Briefwahl für die Integrität der Wahl, das Wahlgeheimnis und die Wahlfreiheit entstehen können […]. Der Verordnungsgeber hat den diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Vorgaben […] bei der Neuregelung des Europawahlrechts Rechnung getragen.“

      2. Es ist ja mehrere Fachleute und nicht nur einer. Neben Markus Ogorek (Köln) und Alexander Thiele (Göttingen) hat auch Bundeswahlleiter Georg Thiel den hohen Briefwahlanteil schon vor Jahren kritisch bewertet. Es ist aber unerheblich, wie viele Fachleute es sind. Es kommt nur auf die Stichhaltigkeit der Argumente an, welche für mich gegeben ist. Wenn jemand stichhaltige Gegenargumente vorbringen kann, immer her damit. Schwarz-Weiß Argumente wie „es geht nur Briefwahlverbot oder weiterlaufen lassen der Entwicklung“ erscheinen mir nicht stichhaltig.

        Allerdings nennen weder Frau Lysen Marie noch Drucker den entscheidenden Punkt bei der Argumentation des Bundesverfassungsgerichtes, welche den Fachleuten natürlich sehr wohl bekannt ist. Grundlage für die Zulässigkeit der Briefwahl (genauer Briefwahl mit Verzicht auf Begründungserfordernis) ist nämlich, dass die Briefwahl ihren Ausnahmecharakter behält. Bei der Briefwahlquote 2013 kann man wohl noch von einen Ausnahmecharakter sehen. Bei Briefwahlquoten über 50% fällt es schon schwerer.

        Aber wo fängt es an und wo hört es auf mit dem Ausnahmecharakter? Dazu ist dieses Kurzitat aus dem DLF-Interview extrem aufschlussreich:

        „Küpper: Ab welcher Quote wäre das verfassungsrechtlich, juristisch ein Problem, beispielsweise wenn 60 Prozent, mehr als die Hälfte per Briefwahl abstimmen würden?
        Ogorek: Das kann letztverbindlich nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Generell wird man aber sagen können, dass in Pandemie-Zeiten, wenn Bürger von dem Gang zur Wahlurne absehen, weil sie Angst haben, sich anzustecken, weil sie um ihre Gesundheit fürchten, dass man dann auch rechtlich eine höhere Briefwahlquote akzeptieren wird, rechtlich. Ob das so ist nach dem Abschwächen der Pandemie, wenn die Corona-Zeit vorüber ist, das steht auf einem anderen Blatt. Das Bundesverfassungsgericht geht jedenfalls bislang davon aus, dass die Briefwahl eine Ausnahme ist.”

      3. Das mit dem Ausnahmecharakter ist aber auch nicht zwingend. In der Schweiz z.B. liegt die durchschnittliche Briefwahlquote bei 90%, ein Problem scheint das nicht zu sein. Oder sehen Sie da die Legitimität der Wahlen in Gefahr?

        A propos Schwarz-Weiß-Argument: Wenn die möglichen Lösungen außer Abschaffung und Weiterlaufenlassen sich darauf beschränken, Appelle an die Parteien zu richten, nicht zur Briefwahl aufzufordern, dann scheint dieser Spielraum nicht groß zu sein – das unterstreicht eher die Hilflosigkeit gegenüber dem Phänomen.

        Man könnte natürlich den Begründungszwang wieder einführen, aber der ist 2008 ja gerade deshalb abgeschafft worden, weil immer mehr Leute auf den Wahrheitsgehalt der Begründung gepfiffen haben und niemand genug Zeit, Personal und Geld hatte, das zu kontrollieren.

        Die Entwicklung wird aber mittelfristig ohnehin vom Papierfalten weggehen. Gut möglich, dass in 10 oder 20 Jahren diese Debatte nur noch von akademischem Wert ist. In Ländern wie Estland, die uns in Sachen Digitalisierung weit voraus sind, wird die digitale Stimmabgabe von zu Hause aus schon erfolgreich praktiziert.

      4. Ein Schweizvergleich passt nicht, wenn man mit Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes seine eigene Position zum Thema Briefwahl stützen will. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet ausschließlich auf Grundlage der Verfassung, was andere Länder machen ist da egal. Und bei dieser Entscheidung war der Ausnahmecharakter nun einmal zwingend.

        Zugegeben, die Schweiz ist mit ihrem wesentlich einfacheren Briefwahlverfahren besser dran, so dass viele der an anderer Stelle aufgezählten Fehlermöglichkeiten in Deutschland dort wegfallen. Aber da die Verfahren nicht gleich sind, ist es leider, wie so viele andere Schweizvergleiche auch, ein Vergleich von Äpfeln und Birnen.

        Ich würde sagen, die Integrität der Wahlen ist durch den hohen Briefwahlanteil gefährdet. Es wurden viele Gründe genannt. Man könnte noch die im Vergleich zur Urnenwahl höhere Anfälligkeit der Briefwahl für Wahlbetrug nennen. Kommt in Deutschland selten vor, kommt aber vor (z.B. Kommunalwahl in Sachsen-Anhalt 2014 in Stendal). Das Tam-Tam um solche Ereignisse ist nie gut für die Demokratie.

        Klagen oder Verfassungsbeschwerden wegen der hohen Briefwahlquote werden mit Sicherheit kommen. Wenn der Ausnahmecharakter nicht mehr gesehen wird, ist denkbar, dass das Verfassungsgericht Maßnahmen zur Senkung des Briefwahlanteils anmahnt. Hier habe ich keine Einschränkungen vorgenommen und erhebe auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ein Verbot von Wahlwerbung mit Briefwahlaufruf wäre eine Idee. Andere Maßnahmen wäre die Vertretung verhinderter Wähler durch Vertrauenswähler (wie in Frankreich nach Briefwahlfälschungen eingeführt) oder mobile Wahllokale. Was man macht, wäre dann eine Sache der Politik. Jedenfalls steht man der Sache nicht hilflos gegenüber.

        Themenwechsel zur digitalen Wahl: Jedes digitale System ist nur so lange sicher, wie es nicht geknackt wurde. Die Tatsache, dass das in Estland bislang noch nicht versucht wurde oder passiert ist, erlaubt keinerlei Aussage für die Zukunft. Deswegen finden wohl auch viele CCC-Nerds das in Deutschland vom Verfassungsgericht verhängte Verbot von Wahlautomaten gut. Natürlich hätten verschiedene Akteure von Innen und Außen Interesse daran, eine digitale Wahl zu fälschen. Die Wahrscheinlichkeit für so etwas würde für Wahlen in politisch, wirtschaftlich und militärisch bedeutsameren Ländern als Estland natürlich steigen. Und auch wenn nicht gefälscht wird, könnten und werden gewisse Kräfte doch von Fälschung sprechen, was dann schwer zu widerlegen sein wird und viele nicht glauben werden (Trump lässt grüßen).

        Und was Papier angeht. Wer das reduzieren will, geht zur Urnenwahl. Jetzt mache ich mal einen Punkt.

      5. Da müssen Sie wohl mal etwas genauer hinsehen: Die Schweiz ist ein Beispiel dafür, dass der Ausnahmecharakter der Briefwahl nicht zwingend ist, sondern Folge einer Entscheidung, die ebensogut und ohne nachteilige Folgen anders gefällt werden kann. Nicht mehr und nicht weniger, ganz unabhängig vom Verfassungsgericht. Und wenn es daran liegt, dass die Briefwahl dort einfacher ist, dann wäre eine denkbare Möglichkleit, sie hier ebenfalls einfacher zu gestalten. Es ist sicher kein Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen, wenn man über den Tellerrand schaut und aus dem zu lernen versucht, womit andere Erfolg haben.

        Zur digitalen Wahl in Estland: Die hat nichts mit Wahlautomaten zu tun, deshalb tut die darauf bezogene Haltung des CCC nichts zur Sache, sondern sie läuft von zu Hause oder sonstwo aus übers Netz – bei den Parlamentswahlen im März 2023 gab es bei hoher Wahlbeteiligung erstmals mehr digitale als auf Papier abgegebene Stimmen. Und dass Estland als (wie das gesamte Baltikum) strategisch seit dem Überfall auf die Ukraine äußerst lohnendes Ziel für staatlich beauftragte Hacker uninteressant sei, ist schon eine steile These.

        Schließlich, wie schon einmal angesprochen: Was sich die Verschwörungsfreunde so ausdenken mögen, kann für staatliches Handeln kein Maßstab sein. Die finden immer etwas, egal was geschieht oder entschieden wird. Etwas aus Sorge vor möglichen Märchen dieser mentalen Underperformer zu unterlassen, wäre eine Kapitulation vor der Dummheit.

      6. Bei dem wichtigen Thema müssen alle genauer hinsehen.

        Es geht um Deutschland, hier gilt das Grundgesetz, aus dem folgt der Ausnahmecharakter, deswegen ist der hier zwingend. Sie selbst wollten für Ihre Argumente das Bundesverfassungsgericht vereinnahmen, was leicht widerlegbar war. Das gestehen Sie nicht ein und bringen stattdessen den Schweizvergleich.

        Nirgendwo wurde behauptet, Estland sei uninteressant für Hackerangriffe fremder Mächte.

        Immerhin sehen Sie offenbar, dass digitale Systeme gehackt werden können. Deswegen ist der zweite Teil des Kommentars von Herrn Flosbach kein an die Wand gemalter Popanz, sondern eine zutreffende Aussage.

      7. „Die Wahrscheinlichkeit für so etwas würde für Wahlen in politisch, wirtschaftlich und militärisch bedeutsameren Ländern als Estland natürlich steigen.“ – Versuch, Estland als Beispiel abzuwerten. „Nirgendwo wurde behauptet, Estland sei uninteressant für Hackerangriffe fremder Mächte.“ – Rolle rückwärts, weil es gerade passt. Dieser Hang zum Sophismus zieht sich durch Ihre gesamte Argumentationslinie. Damit kann man nichts anfangen.

        Wenn Sie also darauf beharren wollen, dass die Briefwahl böse ist, dann tun Sie das getrost, ich gönne es Ihnen.