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Auf dem Weg zur Ausschusssitzung denke ich kurz darüber nach, einen Redebeitrag mit einer Anspielung auf Stuttgart21 zu garnieren. Passt einerseits ganz gut: eine Entscheidung soll durchgeboxt werden, obwohl es mit über 1000 Unterschriften massiven Protest gegen das Vorhaben und viele, viele offene Fragen gibt.

Andererseits geht es letztlich allen Beteiligten um den langfristigen Erhalt des Bürgerzentrums (das jedenfalls unterstelle ich hier mal). Grundsätzlich ist gegen das Vorhaben gar nichts einzuwenden, eine Zustimmung durch uns Grüne liegt absolut im Bereich des Möglichen. Allerdings erst nach Abwägung von Alternativen im zuständigen Ausschuss für Bildung, Kultur, Schulen und Sport (ABKSS). Und ohne unnötigen Zeitdruck. Der Vergleich mit Stuttgart21 schießt also über das Ziel hinaus, verwerfe ich schnell wieder.

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Der Antrag auf Vertagung des Tagesordungspunktes in den ABKSS und nächsten Infrastrukturausschuss Anfang Dezember wird abgelehnt. Die Schützen habe eine Frist bis Mitte November gesetzt. Hat da wirklich jemand Bedenken, wegen weniger Wochen Verzögerung könnte der Deal platzen? Im übrigen ist es  ziemlich dreist, in diesem Zusammenhang ein enges Ultimatum zu setzen. Es geht hier um eine langfristige Übernahme öffentlicher Aufgaben und Zusammenarbeit mit Bürgern, Politik, Verwaltung und Vereinen vor Ort. Wie ernsthaft ist das Interesse wirklich, wenn die Zusammenarbeit an ein kurzfristiges Ultimatum gebunden wird?

Der Zeitplan wäre klar: Sondersitzung des ABKSS und Infrastrukturausschuss Ende November mit öffentlicher Debatte und politischer Entscheidung. Damit hätten die Weichen Ende November gestellt werden können. Ganz im Sinne der Schützen.

Der Verkauf des Bürgerzentrums ist stark umstritten.
Lesen Sie im Bürgerportal dazu folgende Beiträge:
Lennart Höring (CDU): Bürgerzentrum langfristig gesichert
Maik Außendorf (Grüne): Schildgen 21: Verkauf über's Knie gebrochen
Tomas M. Santillan: Gewaltmarsch gefährdet den sozialen Frieden
TuS Schildgen: Gegen den Verkauf des Bürgerzentrums
Lutz Urbach: Keine Alternative zum Verkauf
Alle Berichte über den Streit um das Bürgerzentrums

In der Debatte bringt Kollege Waldschmidt von der SPD die Schildgen21 Nummer, wird mit Heiterkeit aufgenommen. Naja, ansonsten ein runder Beitrag. Ich weise in meinem Beitrag u.a. auf einige juristische Stolperfallen hin:

  • Der für den Betreibervertrag und Vertragspartner zuständige BKSS wurde nicht mit der Sache befasst – klarer Verstoß gegen die Zuständigkeitsordnung des Rates
  • Kündigungsfrist für den TuS erst Ende 2011
  • Schützen möchten schon im Laufe 2011 mit dem Anbau beginnen, es ist mehr als fraglich, ob der jetzige Mieter TuS die Baumaßnahme hinnehmen muss
  • Wie und durch wen werden die Investitionen des TuS in das Bürgerzentrum (nach eigenen Angaben ca. 100.000€) kompensiert?

Abschließend fasse ich nochmal die Vorteile einer Vertagung in einem Appell an die Vernunft zusammen:

  • Eine Verschiebung hat keine Nachteile, da wird nichts verloren
  • Auf der anderen Seite kann in der Zwischenzeit viel gewonnen werden, u.a.
    • Kärung offener Fragen
    • Interessenausgleich, mit der Möglichkeit den in der Debatte vielfach beschworenen sozialen Frieden in Schildgen zu sichern
    • Faire Chance, eine Alternative zu entwickeln und dem BKSS als Entscheidungsvariante zu präsentieren
    • Ausräumung juristischer Stolpersteine, damit Minderung des Risikos von Klagen gegen das Unterfangen – mit einem Rechtsstreit wäre wirklich niemandem gedient

Hat alles nicht geholfen, es geht weiter in der Tagesordnung. Der Jahresabschlussbericht 2008 der Abfallwirtschaftsbetriebe (Bilanzsumme 11,4 Mio €) steht an. Zwei externe Wirtschaftsprüfer warten auf ihren Auftritt, um den Bericht zu präsentieren.  Wegen der fortgeschrittenen Zeit wird auf den Vortrag verzichtet, also bauen die Wirtschaftsprüfer ihren Laptop ab und ziehen von dannen. Leicht verdientes Geld, wer bezahlt es?

Noch ein paar TOPs, dann geht es weiter  zum nicht-öffentlichen Teil

Exkurs “nicht-öffentlich”  da darf durchaus drüber berichtet werden, nur Zahlen und Namen der möglichen Vertragspartner unterliegen dem Datenschutz.

Spätestens jetzt wird es endgültig zur Farce

Die Kiditiative stellt nochmal einen Vertagungsantrag. Der Ausschussvorsitzende Nagelschmidt bezweifelt die Zulässigkeit eines weiteren Vertagungsantrag, lässt ihn aber scheinbar großzügig dennoch zu. Es gibt dazu Wortmeldungen, man habe Gerüchte gehört, es gebe eine neue Variante mit Erbpacht. Vor dem Hintergrund müsse eine Vertagung neu bewertet werden. Der Vorsitzende beharrt darauf, jetzt nur über die Vertagung zu beraten. Neue Varianten können nur erörtert werden, falls nicht vertagt würde. Schöne Sophisterei. Wie gehabt – abgelehnt durch die CDU/FDP Mehrheit. Also weiter im Text. CDU stellt einen Änderungsantrag: man wolle das Grundstück per Erbpacht vergeben. Dazu der Vorsitzende süffisant: „Na so eine Überraschung“. Die Verwaltung ist bestens vorbereitet und kann alle Detailfragen zur Erbpacht beantworten, das Szenario war in der Verwaltung gründlich vorbereitet worden. Seltsam nur, dass lediglich die CDU genau Bescheid wusste. Die Grüne Fraktion wurde über diese Variante im Vorfeld jedenfalls nicht informiert. Eine Tischvorlage existiert ebenso wenig.

Es gibt erneut eine hitzige Diskussion. Ich weise nochmal auf die genannten juristischen Probleme hin, hier ergänzt um das Problem, dass etwas ganz anderes beschlossen werden soll als zuvor in den Fraktionen anhand der Vorlage beraten werden konnte. Das Mitwirkungsrecht der Fraktionsmitglieder ist nicht gegeben. Der Vorsitzende fällt mir ins Wort und beginnt über Spielregeln zu schwadronieren. Frechheit, ich war noch lange nicht fertig. Nach Protest darf ich meinen Beitrag zu Ende führen.

Über was soll nun eigentlich ein Beschluss gefasst werden? Es geht immerhin um einen Vertrag mit 99 Jahren Laufzeit. Der Vorsitzende: Ich erlaube mir, Ihnen einen Beschluss vorzulesen, den ich in mühsamer Kleinarbeit gerade zusammengezimmert habe. Darauf wird der Ansatz eines Beschlusses runtergestottert, mehrfach unterbrochen und im Flug korrigiert von den flankierenden Verwaltugsmitarbeitern. Wer hat den Antrag nun eigentlich eingebracht? Worüber wird beschlossen? Formal hat die CDU Fraktion einen vagen Änderungsantrag gestellt, der Vorsitzende hat ihn ansatzweise formuliert, die Verwaltungsmitarbeiter korrigiert und komplettiert. Warum bringt die Verwaltung den Antrag nicht gleich selber in Form einer ausgedruckten Tischvorlage ein? Keiner weiss, was jetzt eigentlich zur Abstimmung steht. Der Vorsitzende liest erneut vor, diesmal flüssiger, fast ohne Unterbrechung. Das Ergebnis der Abstimmung ist bekannt.

Doch Schildgen 21?

In Hinblick auf die politische Kultur passt das Wortspiel. Pure Arroganz gegenüber artikuliertem Bürgerwillen und dem berechtigten Diskussionsbedarf der Fraktionen. Die Chance auf eine Lösung auf breiter Basis und weiter Akzeptanz wurde vorerst vertan.

Bündnis 90 / Die Grünen haben am 29.10.10 den Bürgermeister aufgefordert, den Beschluss als rechtsungültig gemäß §54 Gemeindeordnung NRW zu beanstanden, mit aufschiebender Wirkung für die Umsetzung des Beschlusses. Dies würde den Weg freimachen für eine angemessene Beratung in einer Sondersitzung von ABKSS und Infrastrukturausschuss oder sogar im Rat, wie es die Gemeindeordnung für den Fall eines ungültigen Beschlusses eines Ausschusses vorsieht.

Vielleicht hat der Bürgermeister seit dem Sündenfall der Abstimmung zur Ausschussgröße ja dazugelernt und läuft nicht noch einmal mit dem Kopf vor die juristische Wand.

Dipl.-Math. Maik Außendorf - Stadtratsmitglied für Bündnis 90 / Die Grünen - Sprecher für Verkehr und Wirtschaft - Stellv. Vorsitzender des Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz, Infrastruktur und Verkehr - Ordentliches Mitglied Haupt- und Finanzausschuss - Mitglied im Ortsvorstand und Vorstand...

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1 Kommentar

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  1. Ich selbst habe nur an dem „öffentlichen“ Teil der Sitzung als stimmberechtigtes Mitglied des Stadtrats für DIE LINKE./BfBB teilgenommen und mich an der Debatte beteiligt.

    Die Privatisierung des Bürgerzentrums ist ein Lehrstück wie bürgernahe Politik und Demokratie nicht aussehen sollten. Im Vorfeld der Entscheidung wurden nicht alle Möglichkeiten für den weiteren Bestand des Zentrums ausgelotet. Die Verkaufsverhandlungen wurden geheim geführt und sowohl Bürger als auch deren Vertreter im Rat wurden erst kurzfristig über das Vorhaben unterrichtet.
    Es wurde die Chance verspielt, einen breiten Konsens herzustellen, der den sozialen Frieden in Schildgen wieder hergestellt hätte.

    Ich habe mich klar gegen eine Privatisierung und den verkauf ausgesprochen. Doch sicher hätte man zusammen mit den anderen Parteien, Schildgener Vereine und Bürger einen Kompromiss erarbeiten können, der eine breite Unterstützung im Rat und bei den Bürgerinnen und Bürgern bekommen hätte. Lutz Urbach und CDU/FDP jedoch wollten knallhart durchziehen und haben über die Köpfe der Beteiligten hinweg entschieden. Dieser „Gewaltmarsch“ ist Klientelpolitik wie sie im Buche steht. Bei „Gewaltmärschen“ gibt es immer Verluste. Diesmal ist es der soziale Frieden und am Ende müssen die Bürger wieder die Zeche zahlen.

    Die Frage der „Nichöffentlichkeit“ war nun wirklich eine Farce. Schon im „öffentlichen“ Teil der Debatte wurde der Name des Käufers genannte, ohne das der Ausschussvorsitzende dagegen eingeschritten ist. Der Kaufpreis von 180.000 € und die geplante symbolische Erbpacht von 1 € pro Jahr waren längst vor der Sitzung des Ausschusses den Bürgerinnen und Bürgern bekannt, denn der Schützenverein ist ja in Schildgen verankert. Auch ohne Tischvorlage war fast allen Sitzungsteilnehmern bekannt, welche Vertragskonditionen eigentlich diskutiert werden, ohne dass sie „hoheitlich“ durch den Bürgermeister darüber informiert wurden. Diese Punkte waren ein „offenes Geheimnis“ und tatsächlich war es eine Farce, dass man zwar den Namen des Käufers in der Sitzung aussprechen durfte, aber nicht den Kaufpreis. Die Bürger haben ein Recht zu wissen, wieviel sie die Privatisierung kostet. Wer der neue Eigentümer sein wird, kann man ja eh nicht verheimlichen, wenn man wirklich ein Bürgerzentrum betreiben möchte.