Herr Tebroke, es soll hier um Inhalte gehen. Aber zunächst sind wir auf die Person neugierig. Wie kommt man aus Bocholt über Bayreuth nach Lindlar, wie wird man als Finanzwissenschaftler Bürgermeister?
Ich hatte früh verwandtschaftliche Beziehungen nach Lindlar. Für uns war es immer eine Tour in den Urlaub, den Onkel in Lindlar zu besuchen. 2001 haben wir für die Familie eine Standortentscheidung getroffen – und sind nach Lindlar gezogen. Und hier fühlen wir uns mit unseren vier Kindern ausgesprochen wohl, im Herzen den Bergischen Landes.
Und das Bürgermeisteramt?
2001 bekam ich das Angebot der Professur in Bayreuth. Ich habe dann von Lindlar aus in Bayreuth gearbeitet. Nach drei Jahren kam die Anfrage, ob ich mir vorstellen könne, Bürgermeister in Lindlar zu werden. Da kamen zwei Dinge zusammen: erstens die Perspektive einer beruflichen Tätigkeit in der Heimatstadt. Und dann interessiert man sich ja auch als Wissenschaftler für die Frage, was in der Praxis abläuft, nach 20 Jahren an der Uni.
Was reizte Sie an der Lokalpolitik?
Dass es ganz konkret wurde mit der Verantwortung – bis hin zum Schlagloch in der Straße. Hinzu kam die Chance, es mit Menschen aller Altersklassen, aus allen Branchen, zu tun zu haben. Ich fühlte mich eingeladen, eine neue Aufgabe, neue Herausforderungen zu übernehmen. Und wenn ich die Aufgabe als wichtig erachte, dann motiviert mich das – und so bin ich in der Kommunalpolitik gelandet.
Nicht nur in der Kommunalpolitik, sondern auch in der CDU …
… in die ich erst nach der Wahl eingetreten bin. Ich war Kandidat der CDU in Lindlar, aber parteilos. Darauf hatte ich auch bestanden, als ich von der Mitgliederversammlung aufgefordert wurde, erst einmal Parteimitglied zu werden.
Wie ist Ihr Verhältnis zur CDU?
Ich stehe der CDU und ihren Vorstellungen nahe. Das kann man an meinem Lebenslauf ablesen, und das habe ich auch durch meinen Beitritt deutlich gemacht. Ich habe festgestellt, dass das, was mir wichtig ist, zum Programm der CDU passt. Das beginnt beim Menschenbild, das dadurch geprägt ist, dass der Mensch zur Freiheit berufen ist – und zur Verantwortung für sich und für den Nächsten. Daraus ergeben sich viele Punkte, wie Subsidiarität, Natur, Umwelt, Schöpfung …
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Wie setzen Sie diesen Anspruch in der täglichen Arbeit um, wie würden Sie Ihren Politikstil definieren? In Lindlar hatte die SPD bei ihrer Wiederwahl ja noch nicht einmal mehr einen Gegenkandidaten aufgestellt …
Darüber habe ich mich gefreut, weil es eine Bestätigung war, wie ich mit dem sogenannten politischen Gegner umgehe. Für mich ist entscheidend, dass die Vertreter im Rat eine Lösung suchen – und nicht, dass sie bestimmte abgestimmte Aussagen treffen, die nur aus parteipolitischem Kalkül heraus formuliert werden. Unabhängig davon, aus welcher Fraktion sie kommen: wenn die Argumente gut sind, und wenn daraus Lösungsbeiträge resultieren, dann sind sie ernst zu nehmen. Das ist Politik, die aus Verantwortung resultiert – und nicht aus parteipolitischen Schaukämpfen.
In der Realität ist es dann aber doch anders. Wie kommt man darüber hinaus?
Meine Intention ist es, gerade auch die Beiträge der Opposition ernst zu nehmen. Das führt zu besseren Lösungen. Das ist ja gerade das Spannende an der Kommunalpolitik, dass sie näher an den Menschen und an den Themen ist. Sie haben immer wieder Beiträge von Ratsmitgliedern, die aus dem eigenen Erfahrungswissen kommen. Wenn wir uns über die Sanierung von Schulgebäuden unterhalten, dann meldet sich eben der Dachdecker. Und dann ist es egal, ob es ein Roter, Gelber, Grüner oder Schwarzer ist. Wenn ich Verantwortung übernehme, dann erwarten die Bürger nicht, dass wir uns an die Köpfe kriegen. Es muss auch Streit geben – aber am Ende erwarten die Bürger eine Lösung.
Noch einmal: wie würden Sie Ihren Politikstil nennen?
Partizipativ, kooperativ, wie immer Sie das bezeichnen wollen. Aber der Bürgermeister und auch der Landrat müssen Moderationsfunktionen wahrnehmen, Meinungen zusammenführen.
Jetzt wollen Sie den nächsten Schritt unternehmen, vom konkreten Amt als Bürgermeister zum diffuseren, komplexeren Amt des Landrates und Chef der Kreisverwaltung. Was reizt Sie?
Ich habe über sieben Jahre lang die kommunale Perspektive kennengelernt, bin da hineingewachsen. Dabei habe ich festgestellt, dass „kommunale Familie“ und Selbstverwaltung hohe Güter sind. Ich sehe aber, dass genau das gefährdet ist. Aber wenn interkommunal kooperiert wird, auch mit dem Kreis, dann ergibt sich daraus eine Chance. Und ich habe eine Vorstellung davon, wie die Zusammenarbeit zwischen Kommunen und mit Kreis aussehen könnte.
Kommen wir zu den Inhalten. Was sind die drei wichtigsten Aufgaben, für die Sie als Landrat kämpfen wollen?
Das wären die Weiterentwicklung eines umfassenden und abgestimmten Bildungsangebotes, eine Wirtschaftsförderung zur Sicherung der Arbeitsplätze und der behutsame Ausbau einer bedarfsgerechten Infrastruktur in den Bereichen Verkehr, Telekommunikation und nachhaltige Energieversorgung. Aber bei all dem dürfen wir die Finanzen nicht aus den Augen verlieren. Wir müssen alles tun, um die Haushalte zu konsolidieren und Schulden abzubauen.
Wie wollen Sie das erreichen? Allzu weit reicht die Gestaltungsmacht des Landrates ja nicht, …
Klar, wir entscheiden nicht über das Ausmaß des Rettungsschirms …
Welchen? Des kommunalen Rettungschirms?
Wenn wir den mal nicht brauchen …
Tatsächlich ist der Landrat finanzieller Oberaufseher mit engen rechtlichen Vorgaben. Wie groß ist sein Spielraum, den Kommunen etwa bei den Kürzungen der freiwilligen Ausgaben entgegen zu kommen?
Die Rolle ist unbestritten. Hier trägt der Landrat Verantwortung, hier hat er staatliche Aufgaben wahrzunehmen. Aber er hat Ermessensspielräume, und die kann er nutzen, mit den Kommunen.
In welcher Hinsicht?
Wir diskutieren permanent über die freiwilligen Aufgaben. Aber die Frage, ob man, und wenn ja welche freiwillige Leistungen man kürzt, ist nur das eine. Das andere ist, wie man die pflichtigen Aufgaben ausübt. Da sehe ich viel mehr Handlungsspielraum. Da müssten sich alle, Kreis und Kommunen, um Optimierung bemühen.
Was meinen Sie konkret?
Viele Aufgaben der Jugendarbeit sind freiwillig – also sind die Kommunen gezwungen, dort zu sparen. Dabei sind diese Ausgaben oft absolut sinnvoll, weil sie präventiv sind, vor Ort wirken und hohe positive Effekte haben. Gleichzeitig machen die freiwilligen Ausgaben nur ein oder zwei Prozent des Budgets aus. Im Bereich der Pflichtaufgaben werden ganz andere Summen bewegt, etwa die Ausgaben des Schulträgers. Dort kommt es darauf an, WIE man die Aufgaben wahrnimmt. Da gibt es durchaus noch Potenziale.
Nennen Sie ein Beispiel.
Nehmen wir die demographische Entwicklung. Wenn wir hier die Lage fortschreiben, dann fliegt uns die gesamte Struktur um die Ohren. Wenn die Kommunen nicht rechtzeitig reagieren und ihre Schulkapazitäten entsprechend gestalten, dann hat das negative Auswirkungen auf die Haushalte in einer Größenordnung, die ganz unvergleichbar ist mit den zwei, drei Prozent an freiwilligen Ausgaben. Unsere Aufmerksamkeit muss viel mehr auf diese Fragen gerichtet werden.
Was heißt das für die Schulformen?
Darum sind diese Fragen so schwierig – weil sie bedeuten, dass in Zukunft nicht mehr in jeder Kommune jede Schulform angeboten werden kann. Wenn für uns die Qualität im Vordergrund steht, dann müssen sich die Kommunen abstimmen, welche Schule an welchem Standtort richtig ist. Die Eltern fragen doch: wo ist eine gute Schule für meine Kinder in erreichbarer Nähe. Da ist von sekundärer Bedeutung, ob diese Schule diesseits oder jenseits der Ortsgrenze steht. Da kann der Landrat über die Kommunalaufsicht, über die Schulaufsicht, schon einiges bewirken.
Also geht es um Dinge wie die Zusammenarbeit zwischen Bergisch Gladbach und Rösrath bei einer weiteren Gesamtschule, den Standort der Sekundarschulen oder die Zukunft der Gymnasien. Da muss man also auf höherer Ebene ansetzen?
Ja. Und die Bereitschaft dafür ist da. Aber weil das Thema so schwierig ist, muss man es offen kommunizieren. Ich bin überzeugt, dass die Eltern das auch nachvollziehen, wenn man sagt, dass man den Austausch sucht.
Den Landrat dürfen auch schon die 16-Jährigen wählen. Wie lassen sich Jugendliche motivieren, sich mit dem Thema Kreis und Landrat auseinanderzusetzen?
Der Zugang geht sicher nicht über das Gesundheitsamt. Die Jugendlichen fragen immer nach der Schullandschaft, nach den Verkehrsverbindungen, den offenen Jugendzentren. Darüber ergibt sich schon ein Zugang.
Zum Beispiel über das Schülerticket. In Bergisch Gladbach erleben die Jugendlichen gerade, dass ihr Ticket unbezahlbar wird. In Lindlar haben Sie das Schülerticket kostenlos gemacht. Könnten Sie als Landrat den Bürgermeistern hier den Weg weisen?
Es ist ja nicht so, dass der Landrat die Weisheit gepachtet hat und den Bürgermeistern erklärt, wie es geht. Ich sehe die große Chance in dem Austausch, das habe ich bereits an der Uni so praktiziert. Genau so sehe ich das im politischen Bereich. Heute hatten wir ein Gespräch mit einem Vereinsvorstand, der seine Sportanlage sanieren will – aber wir können das als Gemeinde nicht tun. Wenn dann beide Seite grummeln, kommt man nicht weiter. Wenn man Ideen austauscht, dann kommt man vielleicht auf einen Lösungsansatz, der beiden weiterhilft.
Zurück zum Schülerticket …
Da hatten wir eine Situation voller Widersprüche und Ungerechtigkeiten. Einige Schüler bekamen verbilligte Tickets, andere nicht. Da haben wir uns zusammengesetzt, nach einer ganz neuen Lösung gesucht. Am Ende haben wir die Tickets en bloque gekauft und umsonst weitergegeben, zum Vorteil aller. Und dem öffenlichen Nahverkehr konnten wir auch noch einen Dienst erweisen, weil wir ihm mehr Nachfrage zugeführt haben.
Sie sind ein Verfechter des öffentlichen Personen-Nahverkehrs?
Ich bin da unideologisch. Natürlich genießt der ÖPNV den Vorzug, weil er tendenziell die Umwelt und das Verkehrsaufkommen entlastet. Trotzdem bin ich Realist: es gibt Bereiche in einer ländlichen Region, wo die Ergänzung durch den Individualverkehr nötig ist. Und da muss man dann unter Umständen auch Straßen erweitern, um Staus zu vermeiden – denn stehender Verkehr ist die größte Belastung, für Umwelt und Anwohner.
In Bergisch Gladbach spielt der Streit über die Autobahnanbindung eine große Rolle. Wie ist Ihre Position in dieser Frage?
Ich weiß, dass darum seit Jahrzehnten gerungen wird. Ich bin aber noch nicht tief genug in der Diskussion, als dass ich das jetzt bewerten könnte. Es ist aber klar: wenn man attraktive Gebiete für Wohnen und für Gewerbe bieten möchte, dann spielt die Infrastruktur eine entscheidende Rolle. Und wenn Unternehmen angesiedelt werden sollen, dann muss ihnen auch aufgezeigt werden, wie sie die Welt erreichen.
Damit sprechen Sie Gewerbeansiedlungen an. Neue Gewerbegebiete stoßen häufig auf Widerstand der Anwohner, gleichzeitig gibt es große Industriebrachen – wie sie in Bergisch Gladbach akut beim Fall Zanders drohen. Wie stehen Sie zu dem Thema?
Zanders ist eine ganz heiße Nummer, das wird eine große Herausforderung. Städtebaulich und wirtschaftspolitisch. Dabei verstehe ich Wirtschaftspolitik nicht als Industriepolitik – in dem Sinne, dass zum Beispiel ein Kreis bestimmte Industriezweige vorgibt. Ich halte es für wichtig, dass man einen Branchenmix realisiert, das macht einen Standort unabhängiger von der Konjunkturlage und stabilisiert die Beschäftigung.
Welche Aufgaben hat dabei ein Landrat?
Er kann in der Koordination eine wichtige Rolle spielen. Alle Entscheidungen, die eine Kommune trifft, wirken sich auf alle anderen Kommunen aus. Beim Verkehr, bei der Gewerbesteuer, bei den Arbeitsplätzen. Anstatt in Konkurrenzdenken zu verfallen, sollte den Kommunen klar sein, dass es besser ist, ein Unternehmen siedelt in der Nachbarschaft an, als dass es in eine ganz andere Region abwandert.
Der RBK ist durch die Beziehung zu Köln geprägt: Attraktive Städte zum Wohnen, zum Leben. Inzwischen gehen die Unternehmen jedoch den umgekehrten Weg: zogen sie früher ins Umland, suchen sie heute wieder die Zentren, wie etwa der Verlag Bastei Lübbe. Wo ist da die Perspektive für eine Stadt für Bergisch Gladbach?
Wir sollten uns dafür einsetzen, dass Gewerbe und Industrie bleiben. Wir sind nicht die Schlafstädte für Köln. Vielleicht ergibt sich eine Chance aus der Abstimmung mit einem Standort wie Köln-Mülheim oder Köln-Deutz. Wenn dort Vorteile locken, die wir nicht bieten können, würde ich mich da nicht auf einen ruinösen Kampf einlassen. Sondern überlegen: wie können wir erreichen, dass die Menschen, deren Arbeitsplätze nun in Mülheim liegen, sich hier wohl fühlen. Klar, dann sind wir beim Thema Schlafstädte. Aber lieber eine attraktive Schlafstadt, als völlig sterben.

„Jeder, der eine Regressionsanalyse fährt, weiß doch, dass er die Plausibilität der Gewichtungsfaktoren testen muss.“
Bei den Kommunalfinanzen wird vor allem über die Ausgaben diskutiert. Sehen sie bei den Einnahmen Spielraum, etwa durch Steuererhöhungen?
Bei den Gewerbesteuern sind wir hier in der Region ja durchaus auf einem nicht ganz niedrigen Niveau. Und wenn man die Hebelsätze zu hoch ansetzt, dann könnte das schnell den Standort belasten. Man kann sich über die Grundsteuern noch mal Gedanken machen, aber auch da bewegen wir uns ja eher im oberen Bereich.
Wie ist eine Sanierung der Kommunalfinanzen dann denkbar?
Sanierungsbeiträge können nur über die Schlüsselzuweisungen kommen. Das Land verteilt Aufgaben an Kreis und Kommunen , alimentiert sie aber nur unzureichend. Wer die Musik bestellt, der bezahlt, heißt es ja eigentlich – nur hier wird das manchmal vergessen. Das hat zu einer strukturellen Unterfinanzierung der Kommunen geführt. Und auch gegen das Gemeindefinanzierungsgesetz gibt es viele Einwände. Da sind so viele Inplausibilitäten in den Verteilungsregeln.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Die Mittelzuweisung für Schüler: ein Ganztagsschüler kostet eine Kommune viermal soviel wie ein Halbtagsschüler, das ist absurd. Das ist aus einer Regression abgeleitet. Aber jeder, der eine Regressionsanalyse fährt, weiß doch, dass er die Plausibilität der Gewichtungsfaktoren testen muss. Das ärgert mich kolossal. Denn es bedeutet gerade für Kommunen in ländlichen Bereichen einen erheblichen strukturellen Nachteil.
Wie realistisch ist ihre Erwartung, dass das Gemeindefinanzierungsgesetz in absehbarer Zeit geändert wird?
Das habe ich gelernt: Geduld und Beharrlichkeit spielen auch in der Politik eine große Rolle. Ich bin realistisch genug, dass ich weiß, dass so etwas nicht von heute auf morgen gelingt. Aber ich bin geduldig genug, das noch mal und noch mal auf Wiedervorlage zu nehmen. Und dann auch beharrlich genug, nicht nachzulassen, immer wieder die Probleme anzusprechen. Aber natürlich müssen die Kommunen auch zeigen, was sie zur Konsolidierung beitragen.
Sehr optimistisch stimmt das nicht. Sie hatten das Wort Rettungsschirm in den Mund genommen – ist die Lage der Kommunen ähnlich der Lage Griechenlands?
Wenn ich dieser Auffassung wäre, dann würde ich mich nicht auf so eine Position einlassen wollen. Ich glaube, dass da noch etwas zu reißen ist. Es gibt ja auch positive Anzeichen. Die Landesregierung sagt, dass sie eine Freundin der Kommunen ist. Und wenn der Bund für die Kosten im Sozialbereich 2014 mehr bereitstellt, dann sinkt die strukturelle Unterfinanzierung. Wenn dann der Konjunkturaufschwung weiter geht und die Kommunen bei der Kapazitätssteuerung vorsichtig agieren, dann kriegen wir das hin. Wir müssen das hinkriegen. Denn das, was gerade in Griechenland passiert, ist katastrophal. Besonders schlimm finde ich, wenn man so tut, als wäre man überrascht. Das kann ich nicht haben.
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Was regt Sie bei der Finanzkrise besonders auf, bezogen auf die Kommunen?
Der Vorwurf, dass Sparen unsozial sei. Etwa dann, wenn soziale Wohltaten verteilt werden, uns aber keine Mittel an die Hand gegeben werden, das zu finanzieren – wie beim beitragsfreien letzten Kindergartenjahr. Wer dann sagt, das geht nicht, wird schnell als unsozial dargestellt. Aber die Frage ist doch: wer soll da solidarisch sein? Nicht wir! Die Zeche zahlen die künftigen Generationen. Das ist unsozial : sich für Maßnahmen zu entscheiden, die wir selbst gar nicht finanzieren – und sich dafür auch noch feiern zu lassen. Ehrlich sozial wäre es nur, wenn wir dafür keinen Kredit aufnehmen, sondern auf etwas verzichten, was wir uns heute leisten. Dafür gibt es bei den Wählern auch ein Grundverständnis – es wird nur als unpopulär nicht versucht. Das halte ich für unverantwortlich, und auch für verlogen. Wenn man das weitertreibt, dann hat man in der Tat irgendwann ein kleines Griechenland, weil eine nachfolgende Generation etwas nicht mehr bezahlen kann, was sie auch gar nicht entschieden hat.
Sie treten als Quereinsteiger an, gegen einen SPD-Kandidaten, der den Kreis gut kennt und sehr gut vernetzt ist. Andererseits ist der Landratsposten traditionell ein Erbhof der CDU. Wie schätzen Sie selbst Ihre Chancen ein?
Das Ergebnis wird auch von der Wahlbeteiligung abhängen. Es werden sich möglicherweise bundes- und landespolitische Stimmungslagen auswirken, was schwer zu kalkulieren ist. Dennoch rechne ich mir Chancen aus. Sonst würde ich auch nicht als Landrat kandieren.
Was haben Sie, was Ihr Gegenkandidat Zorn nicht hat?
Ich weiß, dass Herr Zorn schon lange im RBK aktiv ist, viele Details und Entwicklungen kennt. Was ich mitbringe, ist eine andere Erfahrung und andere Kenntnisse, ein anderer Hintergrund. Zudem kann ich mich in neue Aufgabenstellungen hineinarbeiten und bringe eine Sicht der Dinge mit, die als erfrischend, konstruktiv und anders wahrgenommen wird. Ich erlebe, dass es immer wieder gut ist, Menschen einzubeziehen, die einen anderen Hintergrund haben, die noch nicht so verwachsen und verwurzelt sind in den Strukturen – und dann auch Veränderungsprozesse anstoßen. Da gibt es ja diesen Terminus „betriebsblind“.
Wer zieht ins Kreishaus ein? Nicht repräsentative Umfrage von Anfang Oktober
[poll id=”12″]Der Abgang von Landrat Rolf Menzel mitten in der Legislaturperiode hat die allgemeine Politikverdrossenheit weiter geschürt. Fällt das auf die CDU, auf Sie zurück?
Rolf Menzel hat immerhin sieben Jahre lang das Amt ausgeübt und sich aus bestimmten Gründen entscheiden auszuscheiden. Das gibt es in anderen Berufszweigen auch. Aber man sollte es so tun, dass hinter einem nicht alles zusammenbricht. Als ich aus der Universität ausgeschieden bin, bin ich noch zwei Jahre lang nach Bayreuth gefahren, um Prüfungen abzunehmen. Genauso sehe ich das jetzt bei meiner Person auch für Lindlar, da macht sich keiner aus dem Staub, sondern hat eine Entscheidung getroffen für eine andere Position.
Dennoch, die Politikverdrossenheit nimmt zu …
Stimmt, das ist ein schwieriger Punkt. Das hat mit Glaubwürdigkeit zu tun, mit dem Umgang der Politiker miteinander. Und da gibt es aktuelle Beispiele, wo nicht wertschätzend miteinander umgegangen wird. Daneben gibt es aber auch sehr viele positive Fälle. Ich habe viele stille Politiker kennen gelernt, die sich ernsthaft mit ihren Themen auseinandersetzen, ernsthafte Vorschläge machen und nicht immer auf die Trommel schlagen. Ich selbst habe, was ich bisher gemacht habe, immer zu 100 Prozent gemacht – weil ich von der Aufgabe überzeugt war. Das werde ich, wenn man mich wählt, auch als Landrat machen. Mit allem, was ich weiß und kann.
Herr Tebroke, wir danken für das Gespräch.
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Fotos: Werner Schmitz-Dietsch
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