In der 4. Folge der Serie geht es um Max Bruchs erfolglose Suche nach einer Frau fürs Leben, um eine patriotische Komposition, um die Suche nach einem festen Domizil. Und darum, wie er dann doch eine Lebensgefährtin findet.

Text: Siegfried R. Schenke Illustrationen: Uwe Hintz

Nach dem Tod des Firmenchefs Carl Richard Zanders 1870 änderte sich für Maria Zanders und Max Bruch Einiges. Maria musste sich gegen Widerstände auf die Übernahme und Leitung der Firma einstellen und sich gleichzeitig als Mutter von drei kleinen Kindern – im Alter von 9, 10 und 11 Jahren – bewähren. Max tat sich schwer mit der Entscheidung, entweder ein freischaffender Komponist zu sein, oder eine feste Stelle zu finden.

Dies hing jedoch mit der persönlichen Entscheidung zusammen, ob er sein Leben als Junggeselle oder als Ehemann und Vater führen wollte. Da die Antwort darauf nicht so einfach war, dauerte diese Phase bis 1873/74, als Max sich ernsthaft verliebte.

Die „Liebesaffäre“ zwischen dem 35-jährigen Max und der 19-jährigen Amalie fand in Crefeld statt. Sie war heftig, ging bis zur versprochenen Verlobung mit dem Ziel, in Bonn eine Familie zu gründen. Die Geschichte ist in zwei Briefen an den Verleger Simrock dokumentiert.

Stadtansicht Krefeld 1856. Foto: Wikimedia

 „Ich bin seit Kurzem im Stillen verlobt mit einem sehr liebenswürdigen 19-jährigen Mädchen aus einer der ersten Familien des Rheinlandes. … Wir sind also einig, und wollen nicht voneinander lassen, die Familie aber setzt noch einigen Widerstand entgegen.“  

Die Mutter, die Max für einen Mitgiftjäger hielt, verlangte den „Nachweis gesicherter Einnahmen.“ Der war aber nicht leicht zu erbringen.

Das liebe Mädchen ist treu und fest und denkt nicht daran, von mir zu lassen; sie liebt mich mit einer leidenschaftlichen Innigkeit, die mich glücklich macht, denn wie könnte ich in meinen ziemlich complizierten Verhältnissen erwarten, dies höchst menschliche Glück noch zu finden! … Lally ist schön und einfach und lieb! Haben Sie sich nun bald von Ihrem Erstaunen erholt? Odysseus, der ‚Unzugängliche‘ verliebt, verlobt, geliebt – wenn das einmal unsere Berliner Freunde erfahren!!“  

Wegen des anhaltenden Widerstands der Mutter hatte Max bald keine Lust mehr, um Lally zu kämpfen. „Für mich würde es weder eine Ehre noch eine Freude sein, mit einer so steifen Familie verwandt zu werden“, heißt es in dem Brief an Simrock am 27.12.1873.

Ein paar Tage später, am 6. Januar 1874, seinem Geburtstag, war es Max immer noch nicht möglich, eine Entscheidung zu treffen. 

„Die Sache steht nun so: wir lieben uns mehr wie je, und keine äußeren Hindernisse werden und können mich jemals abhalten auf den Besitz dieses holdseligen, einfachen und in jeder Hinsicht so sehr liebenswerten Mädchens zu verzichten.“ 

Der Gürzenich in Köln, Anfang des 19. Jahrhunderts. Foto: Wikimedia

Doch dann, nach einer triumphalen Aufführung seines Odysseus am 27. Januar 1874 im Kölner Gürzenich, war Bruch „fest entschlossen: 1. nicht vom Rhein fortzugehen und 2. keine Stelle anzunehmen, die mein Schaffen lähmt. Hiernach mag sich nun alles andere richten. Ich habe keine Lust, einen geistigen Selbstmord zu begehen.“

„Die elende Crefelder Geschichte“ schrieb Bruch an Simrock Ende April 1874, „macht mich tagelang unfähig zu denken, zu arbeiten, sie ist beinahe aus, ich habe der Familie die Wahrheit gesagt.“

Am 6. Januar 1875 erhielt Bruch eine Verlobungsanzeige von Amalie, und eine Woche danach die Mitteilung, dass ihre Mutter gestorben sei.

Ein vaterländisches Oratorium

Die Affäre war vorüber und sein kompositorischer Eifer wiedererwacht. Nach dem Odysseus komponierte Bruch ein zweites weltliches Oratorium:  Arminius.

Ein großer Teil davon entstand auf dem Igeler Hof. Seine Themen Freiheit und Vaterland drückten den Zeitgeist aus. Das Stück blickt zurück auf Deutschland im Jahre 9 n. Chr., als die Cherusker unter ihrem Anführer Arminius die von Varus angeführten Römer in der Schlacht im Teutoburger Wald schlugen.

Das Hermannsdenkmal

Arminius‘ deutscher Name war Herrmann, und Bruch hatte ursprünglich den Titel „Die Hermannschlacht“ für sein Oratorium vorgesehen. Das Kompositionsjahr 1875 fiel mit der Einweihung von Ernst von Bandels 57 Meter hohem Denkmal für den Germanenkrieger auf der Grotenburg im Teutoburger Wald zusammen.  

Da Maria Zanders „durchweg alle Konzerte im Gladbacher Umkreis besuchte“, war es trotz des Aufwands für sie klar, dass sie „mit ihren Kindern und deren Erziehern, einem Teil des Hauspersonals, ihren Geschäftsführern und mit weiteren musikalischen Herren“ auch zur Uraufführung des Arminius (op.43) nach Wuppertal-Barmen fahren würde, die dort am 4. Dezember 1875 unter Bruchs Leitung stattfinden sollte.

Zwei Wochen vor dem Ereignis schrieb Maria an Max:

„Lieber getreuer Max, ich weiß Sie in vieler Arbeit und allerlei Sorge u. da möchte ich mit einem herzlichen Freundesgruß Ihnen sagen, wie viel Antheil das ganze Haus, ja die ganze Firma an Ihrem Ergehen nimmt u. sehr mitempfindet, wie die Wogen und Wellen der Arbeit manchmal über Ihr Haupt gehen mögen!

Aber ‚Muth Odysseus‘, es wird alles schön am 4. Dez. – Die Schar der begeisterten Freunde aus Gladbach freut sich nicht wenig. Schwester Emma u. Tully mit Männern haben Billette schon bestellt, es ist alles in freudigster Erwartung auf die schönen lieben frommen Klänge.“  

Wuppertal-Barmen um 1870. Foto: Wikimedia

In diesem 90-minütigen patriotischen Stück hat der Chor in 11 von 19 Szenen die Gelegenheit, dem Kampfesmut des deutschen und römischen Heeres laut Ausdruck zu verleihen. Am Schluss des Werkes vereinen sich Arminius und seine siegreichen Männer, um die Freiheit zu besingen.

„Wir aber ziehen hinauf zur Höh´, zu Wodans Altar hinauf,
wir kränzen und schmücken mit Blumen den Pfad,
und weihen ihm Opfer und Tänze, und singen der Freiheit hehres Lied,
der goldenen und süßen Freiheit!“

Vier Tage nach der Premiere schilderte Maria ihre persönlichen Eindrücke in einem Brief an Max:

„Unsere Rückfahrt am Abend per Bahn und Omnibus war sehr gelungen. Keine Kälte, keine Unbehaglichkeit war zu spüren, man war innerlich so begeistert und gab durch Gesang dem fortwährend Ausdruck. In der Eisenbahn erklangen die Arminius-Chöre u. im Omnibus das feierliche Tafellied. Es war eine so wohlgelungene Expedition in öden kalten Winter, wie man sie nur denken kann.  Niemand ist erkältet, alle doppelt heiter u. angeregt. Der Dank für Alles, was uns der liebe Onkel Max ist, glüht still in aller Herzen als ein nie auszulöschender heiliger Funke!

Wir sind alle glücklich mit Ihnen – es waren hehre Momente für mich am Samstag, concentrierte Freude, die mir noch lange, lange nachklingen wird. Die befreiende Macht der echten Kunst habe ich wieder so recht erfahren dürfen, das Leben breitet sich lustig und glänzend wieder vor mir aus u. das `frei schwebt der Adler in den Lüften` ist mir eine stete u. dringende Mahnung zum freien Flug nach oben. O lieber Freund. Sie haben Gutes gesungen den empfänglichen Menschenherzen.“

Quelle: Neuhauser, S. 82-84

In diesen Briefzitaten wird deutlich, mit welcher inneren Kraft und Ausstrahlung Maria Zanders auf ihre Mitwelt einwirkte – und wie groß Max Bruchs Einfluss auf ihre musischen Ambitionen war.

Das alte Pfarrhaus in Sand

Ein Pfarrhaus in Sand

Während Max Bruch 1875, von August bis Oktober, auf der Igel am Arminius arbeitete, versuchte er sich vorzustellen, ob es und wie es möglich sein könnte, im (damaligen) Dörfchen Sand bei Gladbach, ein Haus zu erwerben. In einem Brief an Maria, den diese wohl im Sommer auf Sylt erhalten hat, stellte Max ihr das Sander Projekt vor:

„Liebe Mama! Beste Freundin. In diesen Tagen habe ich ein paar Mal den Katholischen Pastor Fußbahn von Sand gesehen. … Da hab ich denn gehört, daß das Kath. Pastorat in Sand verkäuflich ist. Sie bauen ein neues neben der neuen Kirche. Bis zur Vollendung können aber noch ein paar Jahre vergehen.

Mich verläßt der Gedanke nicht mehr (und der Pastor findet ihn sehr hübsch und realisierbar), dies herrlich gelegene Haus als Eigentum zu erwerben. … Es ist Eigentum der Gemeinde. Der Pastor stellt die Erwerbung als für mich nicht schwierig dar. … Ich würde dann die ganzen Sommer hierherkommen.

Ein kleines Eigentum in diesem von mir so geliebten Bergischen Lande zu haben, – im Übrigen nicht weit von den Städten entfernt, und nicht zu weit von Gladbach, von Euch. – Ich muß sagen, daß dies immer mein Ideal war. Und daß dies Ideal nun erreichbar scheint, macht mich vor Wonne zittern. “

Altes Pfarrhaus Sand

Franz Heinrich Krey, der diesen Brief 2012 in dem Text „Max Bruch und das alte Pastorat in Sand“ zitierte, schrieb abschließend:

„Aber der Traum des großen Tonsetzers zerplatzte. Pfarrer Fußbahn, seit 1862 Pastor in Sand, hat sein Angebot zurückziehen müssen. Die Sander haben das schöne Pfarrhaus bis auf den heutigen Tag nicht verkauft. Nur auf Erbpacht ist es heute eine respektable private Bleibe.“

Ein Konzert mit Folgen

Bei einer Konzertreise im Sommer 1880 lernte Max die Altistin Clara Tuczek (1854- 1919) kennen. Trotz des Altersunterschiedes von 16 Jahren (wie bei Amalie) zögerte er diesmal nicht wie bei seinen vorherigen Liebesangelegenheiten.

Er schrieb Simrock auf der offiziellen, gedruckten Verlobungsanzeige vom 22.8. 80 (die er mit „Max Bruch, Director der Philharmonic Society in Liverpool` unterzeichnet“ hatte):

„Was sagen Sie nun? Spät, ach sehr spät kommt diese Fülle des reichsten und wahrsten Glückes über mich, aber nicht zu spät. Sie können sich nicht denken, wie Clara mich liebt, und wie ich an dem lieblichen musterhaften Kinde hänge. Öffentlich soll sie nicht mehr singen, ich will sie bloß für mich haben.“

Gegenüber Ferdinand Hiller, seinem früheren Lehrer in Cöln, äußerte er sich so:

Wie Sie sehen, hat Odysseus endlich seine Penelope gefunden.“

Allerdings hat sich die Beziehung dann anders entwickelt. Bruchs Biograph Fifield schreibt: „Seine Pläne für Clara waren genau festgelegt: Sie hatte keine Zukunft als Sängerin, ihr Los war das Hausfrauendasein. Aber sie war willensstark, sang weiterhin (meist mit ihrem Mann am Pult oder am Klavier) und gewann das Ansehen des Publikums.“

Max und Clara Buch. Foto: Fifield

Hier noch einige Zitate aus einem Brief Bruchs aus Liverpool an Verleger Simrock, wo er im Juni 1880 einen Vertrag mit der Philh. Society unterzeichnet hatte, (Okt. 1880):

„Es wird nicht an Leuten fehlen, welche diese Verlobung vom gewöhnlichen Welt Standpunkt aus für eine Thorheit erklären; denn sie hat kein Vermögen, und ich habe auch so gut wie keines … Sie liebt mich leidenschaftlich und verzehrt sich vor Kummer und Schmerz, als ich Berlin im Juni verließ; ich hatte sie immer sehr gerne gehabt, … es war aber bis dahin nie ein Wort von Liebe zwischen uns gesprochen worden, und fühlte nun, als ich von ihr getrennt war, daß ihr bescheidenes musterhaftes liebliches Wesen sich mir tiefer eingeprägt hatte, als ich es wußte.

Einige Wochen schwankte ich noch, denn mit 42 Jahren kennt man das Leben, … auch hatte ich nicht mehr ernsthaft an heiraten gedacht. … Nach menschlichem Ermessen werden wir sehr glücklich zusammen sein. … Ich habe mich mit dem Mädchen verlobt, nicht mit der angehenden Künstlerin. … Die ungewisse, an Enttäuschungen reiche Carriere … bleibt nun dem lieben Kinde erspart – und das ist gut.

Sie wird im Schutz des Hauses die bessere Carriere meines liebenden und geliebten Weibes machen. Ihre wirklich schöne Stimme wird im Privatkreis viele erfreuen. ( … )“ 

Fifield, S. 167-169)

Max und Clara heirateten am 3. Januar 1881 in Berlin. Das Ehepaar Bruch hatte vier Kinder, zuerst ein Mädchen, dann drei Jungen.

Quelle: Fifield

Vom jüngsten Sohn Ewald (1890-1974) gibt es „Persönliche Erinnerungen an meinen Vater Max Bruch“, die er zum 50. Todestag seines Vaters (2.10.1970) verfasst hat. Über die liebevolle Beziehung zwischen den Eltern schreibt Ewald Bruch:

„…das Schönste, was ich in meinem Gedächtnis bewahrt habe: Das ideale Verhältnis meines Vaters zu meiner Mutter. Das Ehebündnis meiner Eltern beruhte auf gegenseitiger, tiefer Zuneigung. Hierbei spielte auch wohl ihre beiderseitige, künstlerische Veranlagung eine Rolle.

Mein Vater … fühlte sich zu meiner Mutter hingezogen, nachdem er sie in einem Konzert hatte singen hören. Er erzählte mir in seinen späteren Jahren, daß ihre schöne, beseelte Altstimme ihn so beeindruckt hatte, daß er sie unbedingt kennenlernen wollte. … Ihre Ehe wurde vorbildlich. … Mein Vater berichtete mir auch, wie erfolgreich sie sowohl in England wie auch später in Breslau in vielen Konzerten öffentlich gesungen hätte. Mein Vater besprach alle beruflichen Pläne mit ‚Mamachen‘, und sie war ‚Papachen‘ immer eine verständnisvolle Beraterin. …“

In der nächsten Folge geht es um die Anfänge und den Aufbau des Cäcilienchors. Es werden einige der Kompositionen vorgestellt, die Max Bruch für diesen Chor geschrieben hat. Und es geht um die besondere Rolle der Vertonung von Schillers Das Lied von der Glocke im Cäcilienchor.

Quellen

  • Ewald Bruch, Persönliche Erinnerungen an meinen Vater Max Bruch
  • Fifield, Christopher. 1990. Max Bruch. Biographie eines Komponisten. Zürich: Schweizer Verlagshaus, S. 92
  • Krey, Herbert, Max Bruch und Bergisch Gladbach. o.J.
  • Neuhauser, Hildegard. 2004. Musikpflege in Bergisch Gladbach im 19. Jahrhundert – die Unternehmerin Maria Zanders und der Komponist Max Bruch. Fernwald. Musikverlag Burkhard Muth

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Siegfried R. Schenke ist Studienrat im Hochschuldienst für Deutsch als Fremdsprache i.R., Dozent für Musikseminare am Kath. Bildungswerk und Hobby-Pianist. Schon 2005 führte er Studenten der Kölner Musikhochschule auf den Spuren von Max Bruch durch Bergisch Gladbach. Uwe Hintz war beim Rheinisch-Bergischen...

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