Foto: Thomas Merkenich

Der Mangel bei den Erzieher:innen zeigt massive Auswirkungen: Die Kita Kunterbunt der AWO in der Hans-Zanders-Straße streicht Anfang Februar den Betreuungsumfang auf die Hälfte zusammen. Eltern protestieren scharf: Berufstätige müssen nun ad hoc eine Lösung finden. Der Elternbeirat befürchtet, dass es nur die Spitze des Eisbergs ist – und startet eine Umfrage unter den Eltern.

„Ab dem 6. Februar 2023 können die Kinder der Kita nur jeden 2. Tag besuchen“, heißt es in einem Schreiben des AWO Familienzentrum „Kunterbunt“ vom 25. Januar, das den Eltern jetzt ins Haus flatterte.

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Nach einer Abfrage bei den Eltern könne die Kita unter „Berücksichtigung des Bildungsauftrages und der Aufsichtspflicht“ einer täglichen Betreuung aller Kinder nicht mehr leisten. Man befinde sich 96 Stunden unter der notwendigen Mindestbelegung.

Ab dem 6. Februar starte man daher in zwei Gruppen, die Kinder könnten je nach Gruppe abwechselnd jeweils drei (Montag, Mittwoch, Freitag) bzw zwei Tage pro Woche (Dienstag, Donnerstag) in die Kita gebracht werden. Ausnahmen würde z.B. für Kinder kurz vor der Einschulung gelten.

Faktisch bedeutet das eine Halbierung des Betreuungsumfangs. Sie gelte „zunächst befristet“ bis zum 31. Juli 2023, Betreuungsverträge würden von der AWO entsprechend angepasst.

Die Kleiderhaken in der Kita Kunterbunt leeren sich künftig deutlich (Symbolbild) , Foto: Thomas Merkenich

Betreuung organisieren

Eine berufstätige Mutter mit zwei Kindern in der Kita reagiert entsetzt: „Ich bin selbstständig, muss nun meine Stunden reduzieren und verliere Umsatz.“ Auch ihr Mann, der als Angesteller arbeitet, fahre sein Pensum zurück.

Home office sei bei beiden nicht machbar. Zum Glück gebe noch die Großeltern, welche die Betreuung ein Stück weit auffangen könnten. „Wir kennen aber auch Eltern, die nun ihren Job kündigen müssen oder überlegen, ihr Kind von der Kita abzumelden,“ berichtete die Mutter.

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Elternbeirat ausgetrickst?

Neben den massiven Auswirkungen auf den Familienalltag kritisiert sie aber auch das Vorgehen der AWO. „Erst vor rund zehn Tagen wurde dem Elternbeirat der Kita die Reduzierung des Betreuungsumfangs vorgestellt,“ sagt die Betroffene. Die Streichungen seien in dem Gespräch jedoch noch als Notfallprogramm vorgestellt worden – für den Fall, dass weitere Erzieherinnen ausfallen.

Dafür wurde der Elternbeirat um Zustimmung gebeten. Was er auch tat.

„Kurze Zeit später wird dann das Notfallprogramm mit dem Schreiben vom 25. Januar Realität, und zwar als Generallösung bis in den Juli hinein“, beklagt sich die Mutter. Auch der Elternbeirat fühle sich ausgetrickst: Denn seit der Vorstellung der Lösung sei keine Erzieherin mehr ausgefallen: „Die Stimmung ist am Boden!“

Foto: Thomas Merkenich

Mehr Beiträge für weniger Leistung?

Zudem monieren die Eltern die Änderung der Verträge: Laut neuem Notfall-Betreuungsplan kommt jedes Kind auf 2,5 Tage pro Woche. Macht bei 9 Stunden Betreuung pro Tag 22,5 Stunden pro Woche. „Verträge z.B. über 45 Stunden werden aber nur auf 35 Stunden geändert – damit legen Eltern bei den Beiträgen drauf, sofern sie der Vertragsänderung denn zustimmen,“ kritisiert die betroffene Mutter.

Die Eltern sind frustriert, zumal einige in der Vergangenheit immer wieder auf die Betreuung verzichtet hatten, wenn es personell in der Kita Kunterbunt knapp wurde. Und sie blicken sorgenvoll in die Zukunft: „Unsere große Angst ist, dass die verbliebenden Erzieherinnen das sinkende Schiff verlassen.“

Kein „grünes“ Licht der Stadt

AWO-Geschäftsführerin Alwine Pfefferle verweist auf Anfrage des Bürgerportals auf den Fachkräftemangel sowie auf aktuelle Krankheitswellen. Es gebe rechtliche Vorgaben im Kinderbildungsgesetz (Kibiz) für die Mindestbesetzung in Kitas, die je nach Gruppenform und Kinderzahl im Jahresdurchschnitt nicht dauerhaft unterschritten werden dürfe. Kitas seien schließlich in erster Linie Bildungseinrichtungen, hier gelte es Sorgfalt walten zu lassen.

Was die Verträge betrifft verweist die AWO auf die Stadt, welche die Elternbeiträge für die Kita-Plätze einziehe. Die AWO könne Verträge mit Eltern nur im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Staffelungen aufsetzen oder ändern (25, 35 oder 45 Stunden). Ob die Beitragserhebung dann dem realen, geringeren Betreuungsumfang angesichts der Notsituation in der Kita Kunterbunt angepasst würde, „das müssen gegebenenfalls politische Gremien entscheiden.“

Über das Vorgehen sei man „nach Beratungen mit dem Jugendamt übereingekommen“, schreibt die AWO. Im Rathaus wird dies verneint: Die Stadt sei zwar über die bevorstehenden Kürzungen der Betreuungszeiten in der Kita Kunterbunt in Kenntnis gesetzt worden, sagt ein Sprecher auf Anfrage.

Aber: „Eine Übereinkunft mit der Stadt über die nun getroffenen Maßnahmen hat es in dem Sinne nicht gegeben, die Entscheidung ist auch letztendlich Sache des Trägers, der wiederum der Fachaufsicht des Landesjugendamtes unterliegt“, heißt es weiter.

Keine schnelle Lösung

Alternativen zur Betreuung könne man den betroffenen Eltern nicht anbieten, so Pfefferle von der AWO weiter: „Wir versuchen aber gerne zusammen mit dem Jugendamt zu unterstützen, falls es Eltern geben sollte, die die Kita wechseln möchten“, so Pfefferle.

Grundsätzlich werde das Problem aber so lange bestehen bis es wieder Fachkräfte auf dem Markt gibt, macht die AWO-Chefin den Eltern wenig Hoffnung auf eine rasche Besserung.

Und das Problem zieht Kreise: Im Verbandsgebiet der AWO Rhein-Oberberg seien von 44 Kitas bereits drei von den Kürzungen der Betreuung betroffen. Mit Sorge betrachte man die Entwicklung an den Offenen Ganztagsschulen (OGS), wo ebenfalls großer Fachkräftemangel herrsche.

JAEB startet Umfrage

Unterdessen hat sich der Jugendamtselternbeirat (JAEB) eingeschaltet. Das Gremium moniert, dass die dünne Personaldecke bereits seit Sommer 2022 in der Kita Kunterbunt bekannt gewesen sei. Es appelliert an die Sorgfaltspflicht des Trägers, auch Personalengpässe einzuplanen. Das sei die AWO den Eltern, aber auch ihren Mitarbeiter:innen schuldig.

Von der Stadt verlangt der JAEB Aufklärung über den Fall, Unterstützung der betroffenen Eltern bei der Betreuung der Kinder sowie Informationen, welche Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel getroffen würden.

Und er will sich ein Lagebild verschaffen, denn offenbar sind weitere Kitas betroffen: Anfragen aus der Elternschaft zeigten, dass sich die Lage im Stadtgebiet an einigen Einrichtungen so sehr zuspitzt, dass komplette Betreuungszeiten für die gesamten Kinder einer Einrichtung massivst gekürzt werden, heißt es beim JAEB.

Daher hat das Gremiu eine Online-Umfrage unter Eltern gestartet und erhofft sich Informationen über die Situation an den Kindertagesstätten.

Gespräche geplant

Die Situation ist verfahren, immerhin sollen nun Gespräche zwischen den Beteiligten geführt werden: Man wolle Anfang Februar zusammen mit dem Jugendamt eine Elternbeiratssitzung anberaumen, um die Lage nochmals zu erörtern, heißt es bei der AWO.

Das bestätigt auch die Stadt: Es seien bereits weitere Gespräche auch unter Einbeziehung der Eltern terminiert, um probate Lösungen im Sinne aller Beteiligten zu finden, insbesondere auch mit Blick auf das Wohl der betreuten Kinder, so ein Sprecher im Rathaus. Er betont aber auch, dass man ein konstruktive Arbeitsbasis mit den Trägern der Einrichtungen unterhalten wolle.

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war bis Anfang 2024 Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals.

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9 Kommentare

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  1. Ich schätze Erzieherinnen und Erzieher sehr. Die haben das Problem auch nicht verursacht, sondern die Politik. Es gibt weder genug Gebäude noch Personal und das war absehbar wie beim Lehrermangel in der Grundschule auch.
    Ausbaden müssen es nun alle Beteiligten außer der Politik.
    Im diesem konkreten Fall ist die Lösung aber sehr ungünstig um es nett auszudrücken. Welcher Arbeitgeber macht denn dieses Modell (in der einen Woche die Tage in der anderen die anderen Tage )mit? Da ist eine Kündigung ja quasi vorprogrammiert. Das wiederum ist so spontan wie diese Änderung der Betreuung kommt ja noch nicht Mal möglich. Wenn mir das passieren würde hätte ich/wir keine Betreuung für unser Kind. Da wir keine Opas/Omas oder sonstigen Verwandten haben müssten wir unser Kind also dem Jugendamt zur Unterbringung übergeben? Oder wie?????
    Ein solches Vorgehen ( so kurzfristig) und eine solche Lösung (so ungünstig) ist eine Frechheit. Da man dafür auch noch bezahlt und dann dadurch seinen Job verliert ist doppelt grausam. Die Stadt sollte die betroffenen Eltern finanziell entlasten und nicht noch durch überhöhte Gebühren zur Kasse bitten. Wie kann es sein, dass man 35Std. bezahlen muss, aber nur 22,5 in Anspruch nehmen darf. Bitte liebe Eltern klagt dagegen!

    1. Meines Wissens nach waren die Eltern schon früh informiert, dass die personelle Situation sehr schwierig ist. So überraschend kann es für die Eltern also nicht gekommen sein. Aber was man nicht will, das nennt man häufig nicht zur Kenntnis! Was die Eltern Beiträge angeht, denke ich, wird man Lösungen finden. Und man darf nicht vergessen: viele Eltern zahlen auch gar nichts, weil sie unter der Einkommensgrenze liegen oder das „freie Kindergartenjahr“ nutzen. Mich würde ernsthaft interessieren, welche Idee Sie denn hätten? Ohne dass es zu Verletzung der Aufsichtspflicht, Einschränkungen des Kinderschutzes und Überlastung der Mitarbeiter kommt?

  2. Wenn wir ehrlich sind, in den nächsten Jahren wird es nicht besser. Woher soll das Personal kommen? Wir werden nach Lösungen suchen müssen gemeinsam. Denn: das Kind steht im Mittelpunkt. Sollte es zumindest. Nur leider sehe ich das nicht bei Debatten um Personalausfälle. Daher ist es wichtig, dass Erzieher:innen und Eltern zusammenhalten und gemeinsam an die Politik herantreten und die Kluft nicht noch ausgeweitet wird zwischen den Parteien.

  3. Erzieherin hat eine 5-jährige Ausbildung, so viel wie ein Studium(10 Semester). Erkennt es als Studium an und bezahlt entsprechend, dann kommen sicher einige zurück. Einige werden sich für dieses Studium entscheiden, sonst sehe ich für die Zukunft schwarz und es ist so, wie ich einen Platz für meinen Sohn gesucht habe 1968-1971.

    1. Bekommt eine Erzieherin in den 5 Jahren kein Geld? Muss sie ihre Sozialabgaben selbst bezahlen und organisieren? Und zahlt sie für jedes überfüllte Semester Studiengebühren? Kann sie erst mit Abschluss ihrer Fachhochschulreife starten und hat schwere Aufnahmeprüfungen bei Fächern wie Kunst oder Musik? Jeder der Erzieher gelernt hat weiß doch worauf er sich einlässt? Ein Grundschullehrer verdient auch nicht das Geld eines Lehrers von der weiterführenden Schule! Wenn Gehälter angepasst werden sollen, könnte man ja wirklich mit den Ausbildungen anfangen und ein Hochschulstudium für Erzieher anbieten. Des weiteren ist der Gehaltsunterschied garnicht so groß. Nach 10 Arbeitsjahren liegen bei beiden Vollzeitstellen wenn angestellt etwa gleich. Lediglich Beamte verdienen mehr.

      1. Wir sollten nicht anfangen, einander auszuspielen. Überall gibt es Probleme, die angegangen werden müssen. Auf einen Missstand bei Erzieher/innen aufmerksam zu machen heißt doch nicht, dass es nicht auch an anderen Stellen etwas zu tun gibt.

      2. Die allermeisten Erzieherin wissen nicht, worauf sie sich eingelassen haben, wenn sie diesen Job wählen. Sie werden ausgebildet um Kinder zu bilden und nicht um Betreuungsprobleme der Eltern zu lösen. Die mangelnde Wertschätzung, die sie in ihrem Beitrag ihr zum Ausdruck bringen, führt dazu, dass immer weniger diesen Job machen möchten.

      3. Ja, ganz genau. Eine Erzieherin bekommt in 4 von fünf Jahren der Ausbildung kein Geld! Viele Erzieherinnen zahlen Schulgeld, allerdings nicht um in überfüllten Hörsälen zu sitzen, sondern um eine erstklassige Ausbildung zu erhalten. Die kostenlosen staatlichen Fachschulen kann man nämlich leider meißt vergessen. Sozialabgaben muss eine Erzieherauszubildende genau so wenig selber organisieren wie eine Studentin. Denn sie haben beide keine Sozialabgaben. Es sei denn, sie haben einen Nebenjob. Aber hier geht es ja nicht um das Thema wie Studenten und Erzieher ihre unbezahlten Ausbildungen finanzieren, wenn sie nicht auf die Familie zählen können. Und wer hätte es gedacht, auch in der Erzieherausbildung gibt es Klausuren und sogar Prüfungen. Sogar mündliche und praktische Prüfungen…So was aber auch! Mein Studium der Kindheitswissenschften fand ich ehrlich gesagt nicht sonderlich anspruchsvoller als meine Erzieherausbildung. Und sie können mir glauben: In der Praxis sind die Fachkräfte die an Fachschulen und nicht an Hochschulen ausgebildet wurden oft mit Abstand am brauchbarsten, weil sie auch was tun und nicht nur geschnörkelt daher reden.

        Als ich Erzieherin wurde wusste ich übrigens nicht worauf ich mich einlasse! Mir war das Geld nicht so wichtig, ist es heute noch immer nicht. Mir war aber schon immer wichtig, einen guten Job zu machen, eine liebevolle, geborgene und anregungsreiche Kitazeit für die Kinder zu schaffen. Das ist mir unter den derzeitigen Gegebenheiten (Fachkräftemangel, Aufbewahrung statt pädagogischer Arbeit…) aber nicht möglich.
        Wie mich könnte man viele Fachkräfte für die Kitaarbeit zurückgewinnen, wenn man die Rahmenbedingungen massiv verbessern würde (weniger Kinder pro Erzieherin, kleinere Gruppen, gesicherte Vor- und Nachbereitungszeiten…) Um das wiederum zu gewährleisten müsste man mehr Menschen für diesen Beruf gewinnen. Und wie schaft man dazu Anreize? Genau, Wertschätzung! Die einen würden sich schon über gesellschaftliche Anerkennung freuen, also zum Beispiel nicht von irgendwelchen frustrierten Studierten unseren Wert abgesprochen zu bekommen und für die anderen zählt vielleicht auch ein besseres Gehalt als Zeichen der Wertschätzung und damit als Anreiz diesen Beruf zu ergreifen.

        Warum so ein Frust? Warum kann man es Erzieherinnen nicht gönnen mehr Gehalt zu bekommen? Sollten Sie Grunschullehrerin sein, sind sie herzlich eingeladen in der Kita zu arbeiten. Sie gelten dort als Fachkraft und können dann von den tollen Gehältern dort profitieren!