Mit einer breit angelegten Strategie ist Miltenyi Biotec auf dem Zukunftsmarkt der Zell- und Gentherapie sehr erfolgreich: Der Umsatz des Konzerns mit Sitz in Moitzfeld erreicht bald die Milliarden-Grenze, rund 4500 Menschen arbeiten bereits für die Firma. Stefan Miltenyi ist nach wie vor Alleineigentümer – und treibt nebenbei auch die Mobilität der Zukunft voran. Das ist für Bergisch Gladbach mindestens so wichtig wie für sein Unternehmen.

Neben dem Lebensmittelkonzern Krüger ist in Bergisch Gladbach ein weiteres Unternehmen herangewachsen, ohne wirklich bekannt geworden zu sein. Von einem „heimlichen Biotech-Star“ spricht das Handelsblatt in einem Unternehmensporträt – und nennt Miltenyi Biotec in Bergisch Gladbach in einem Atemzug mit der ungleich bekannteren Firma Biontech in Mainz.

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„2023 streben wir über eine Milliarde Euro Umsatz an“, zitiert das Handelsblatt Firmenchef Stefan Miltenyi. In 2022 waren es bereits 880 Millionen Euro, rund ein Viertel mehr als im Vorjahr, bestätigt das Unternehmen auf Nachfrage des Bürgerportals. Das von Miltenyi 1989 in Moitzfeld gegründete Unternehmen sei damit nach Biontech und Qiagen bereits die Nummer drei der deutschen Biotechbranche. Der Gewinn wird für 2021 mit 68 Millionen Euro angegeben.

Hintergrund: Der Physiker Stefan Miltenyi startete 1989 in Moitzfeld mit 5000 D-Mark Startkapital und einigen Ideen zur magnetischen Zellseparation aus seiner Diplomarbeit. 1990 ließ er sich die MACS-Technologie (Magnetic Activated Cell Sorting) patentieren: Geräte, die Zellen mit einem magnetischen Verfahren sortieren und analysieren.

4500 Menschen arbeiten derzeit bei Miltenyi Biotec in 28 Ländern, vor gut zwei Jahren waren es erst 3000. Neben Bergisch Gladbach hat der Konzern eine große Niederlassung in Teterow in Mecklenburg-Vorpommern, zudem ist er in den USA mit 900 Mitarbeitenden stark vertreten.

Wieviele Personen am Heimatstandort in Moitzfeld arbeiten, ist nicht bekannt. Aber auch hier wächst das Unternehmen rasch. Im Oktober 2020 wurde der Grundstein für vier neue Gebäuderiegel gelegt, die mehr Platz für Laboratorien, Reinräume und eine eigene Mikrochip-Produktion bieten sollen.

Projektleiterin Christina Bökels und Unternehmenschef Stefan Miltenyi bei der Grundsteinlegung. Foto: Thomas Merkenich

Der Absatz des Unternehmens wird immer globaler, laut Handelsblatt stammen bereits jetzt 93 Prozent der Erlöse aus dem Ausland.

Die Ursprungsidee von Stefan Miltenyi, die magnetische Zellseparation, ist nach wie vor das Fundament der Geschäftstätigkeit. In diesem Bereich führt Miltenyi Biotec laut eigener Einschätzung den Weltmarkt an.

Die Technik ist vielfältig einsetzbar und erschließt immer neue Anwendungsfelder: in der biopharmazeutischen Forschung und in der medizinischen Praxis – von der Blutwäsche über die Stammzelltransplantation bis hin zu innovativen Zelltherapien gegen Krebs.

„Schwere Krankheiten heilbar machen“

 „Uns treibt die Vision, mit unseren Technologien schwere Krankheiten heilbar zu machen und Zelltherapien weltweit vielen Patienten zugänglich zu machen“, zitiert das Handelsblatt Stefan Miltenyi.

Auf der Basis der MACS-Technik habe das Unternehmen tausende Geräte und Reagenzien für die biomedizinische Forschung entwickelt. Weitere Geschäftsfelder sind über Zukäufe und über Eigenentwicklungen hinzu gekommen. Inzwischen ist Miltenyi auch in der Mikroskopie und der Gensequenzierung aktiv.

Von einem Zulieferer für die Biotech-Industrie hat sich Miltenyi zu einem eigenständigen Akteur in der klinischen Forschung und Entwicklung gewandelt – der die dabei entwickelten Produkte entweder in eigener Regie oder in Kooperation mit Partnern aus der Pharmaindustrie vermarkt.

Hintergrund: Stefan Miltenyi ist der alleinige Eigentümer seines Unternehmens. Die rasche Expansion finanziere er aus dem Cashflow und mit Bankkrediten. Von externen Investoren oder gar einem Börsengang will Miltenyi nichts wissen, sagt er dem Handelsblatt: „Es ist Teil des Unternehmenserfolges und eine große Freiheit, ohne Investoreninteressen im Blick unsere Vision zusammen mit und für unsere Kunden voranzutreiben.“

Miltenyi bewegt sich in einem Umfeld, in dem deutlich größere multinationale Konzerne unterwegs sind. Dagegen setzt Stefan Miltenyi die „multidisziplinäre Innovationskraft“ seines Unternehmens – in dem Experten aus den Bereichen Biotechnologie, Physik, Chemie, Medizin, Pharmazie und Ingenieurwesen eng zusammenarbeiten.

Einstieg in die Zelltherapieforschung

Miltenyi entwickelt und baut nicht nur komplexe Medizingeräte, sondern kann eben auch Biomoleküle oder Genvektoren entwerfen und herstellen, erläutert Stefan Miltenyi im Handelsblatt-Gespräch. Dabei könne man neben der Gentechnologie auch Kunststofftechnik, Mikrostrukturtechnik, Optik oder Instrumentendesign einsetzen.

Zudem sei man innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft gut vernetzt und mache die eigene Expertise bei der Entwicklung von Zelltherapien den Unternehmenskunden zugänglich.

Ein Beispiel für diese Strategie, verschiedene Wissenschaften zusammenzubringen, sei der Einstieg in die Zelltherapieforschung 2019 gewesen. Die Komponenten hatte Miltenyi bereits im Portfolio – und führte sie nun zusammen, um selbst neue Therapien zu entwickeln.

Dazu wurde das Tochterunternehmen Miltenyi Biomedicine in Bergisch Gladbach gegründet, das inzwischen mehrere Zelltherapien in klinischen Studien teste. Weitere Produkte wie eine Therapie für die schwere Immunkrankheit Lupus Erythematodes (gemeinsam mit der Uni Erlangen) seien in Arbeit.

Noch ein Geschäftsfeld: Autonomes Fahren

Auch in Mecklenburg-Vorpommern ist Miltenyi mit mehr als 500 Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber und baut seine Aktivitäten aus; das Werk in Teterow wird erweitert, ein weiterer für die Produktion von medizintechnischen Geräten in Rostock-Laage aufgebaut.

Hintergrund: Miltenyi Biotec verfügt inzwischen über eine ganze Reihe von Standorten in Deutschland:

  • Bergisch Gladbach (Konzernzentrale, Forschung, Entwicklung, Engineering, Produktion, Marketing)
  • Teterow (Produktion)
  • Bielefeld (Entwicklung und Produktion Imaging)
  • Köln-Mülheim (Produktion und Logistikhub, noch im Ausbau befindlich)
  • Radolfzell (Entwicklung und Produktion Imaging)
  • Göttingen (Software Engineering)
  • Rostock-Laage (Produktion und Logistikhub in Planung)

Und genau wie in Bergisch Gladbach spielt Miltenyi Biotec im hohen Norden eine wichtige Rolle beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, um die Bahnanbindung des Standorts zu verbessern, berichtet der lokale Nordkurier. Denn das Unternehmen hat einen sehr hohen Bedarf an Fachkräften, die aus dem weiten Umkreis zum Arbeitsplatz anreisen.

Genauso in Bergisch Gladbach. Hier unterstützt Miltenyi schon lange eine Verlängerung der KVB Linie 1 über Bensberg hinaus, wenigstens bis nach Moitzfeld. Die Idee einer Schienenverbindung hat sich zwar zerschlagen. Jetzt aber wird in Stadt und Kreis intensiv an elektrisch betriebenen, später autonom fahrenden Shuttle-Bussen gearbeitet.

Dabei ist Stefan Miltenyi nicht nur ein gewichtiger Impulsgeber, er will offenbar auch bei der Entwicklung dieser Technologie eine Rolle spielen. Der Branchendienst electrive.net berichtet, dass er Ende 2022 seinen Anteil an der insolventen Aachener Moove GmbH aufgestockt und die Firma als Cubonic GmbH neu an den Start gebracht hat.

Das Unternehmen will autonome Elektro-Shuttles für den Fracht- und Personenverkehr entwickeln. „Wir benötigen Innovation für zukünftige ressourcenschonende und attraktive Mobilitäts- und Transportsysteme“, wird Stefan Miltenyi zitiert.

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Journalist, Volkswirt und Gründer des Bürgerportals. Mail: gwatzlawek@in-gl.de.

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3 Kommentare

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  1. Ich bin sehr stolz auf meine Tochter und meinem Schwiegersohn, die im nächsten Monat das 20. Firmenunternehmen bei Miltenyi Biotec feiern können !!
    Als Mediziner konnten wir zu manchen Entwicklungen fachlich miteinander diskutieren!
    Wir gratulieren ganz herzlich zu diesem
    ungeheuerlichen Erfolg .

  2. Vielen Dank für diesen interessanten Artikel und die bisherige Leistung des Herrn Miltenyi – zum Wohle der Gesellschaft. Üblicherweise kommen solche Erfolgsgeschichten aus dem Siliconvalley in den USA. Und nun „Weltformat“ im Bergischen. Es wäre erfreulich wenn wir noch ähnliche Erfolgsgeschichten künftig lesen dürften

    Bei dieser Gelegenheit eine Empfehlung an unsere Studentinnen und Studenten: Studiert „MINT“ – und die Welt und alle Türen stehen Ihnen offen …… auch zur Verbesserung unserer Welt und zum Wohle der Menschheit. Die Qualität unserer Gymnasien ist dafür das beste Sprungbrett.

    1. Ist die Qualität im Bereich MINT wirklich so hoch? Man bekommt eher den Eindruck, dass die Begabten in die Industrie gehen und Lehramtsstudenten eher im soziologischen/sprachlichen Bereich Ihr Steckenpferd haben.

      Die technologiefeindliche Politik ist aktuell kein weiterer guter Nährboden für ein Erstarken der MINT-Bereiche.

      Drücken wir die Daumen, dass M. hier bleibt. Biontec wandert ja bereits aus.