Bei der Aufteilung des Zanders-Geländes geht es in diesem frühen Stadium der Planung um die umstrittene Kernfrage, wie viele Wohnungen und wie viele Arbeitsplätze angestrebt werden sollen. Im Hintergrund hat die Stadt gerechnet und mit den Fraktionen verhandelt. Jetzt stellt sie eine „Vorzugsvariante“ zur Abstimmung, in der sich die Gewichte deutlich zugunsten der Arbeitsplätze verschieben.
36 Hektar ist das Industrieareal der ehemaligen Papierfabrik Zanders bekanntlich groß; eine gewaltige Fläche, die viele Erwartungen und Ansprüche weckt. Bei den vielen Anfragen könne er das Gelände locker dreimal vergeben, wiederholt Bürgermeister Frank Stein gerne. Tatsächlich ist aber nur die Hälfte für Wohnen, Arbeiten, Bildung und Soziales verfügbar.
18 Hektar bleiben übrig, wenn man die Flächen für Erschließung, Energiegewinnung, grüne Bereiche und Gewässer abzieht, stellt die Stadtverwaltung in einer neuen Beschlussvorlage für den Zanders-Ausschuss klar (Dokumentation s.u.). Nur diese 50 Prozent könnten entwickelt bzw. bebaut werden.
Vor diesem Hintergrund hatten Grüne und SPD für möglichst viel Wohnraum gestritten, CDU und FDP drängten dagegen auf möglichst viel Platz für Arbeitsplätze.

Bei der Ausschusssitzung im Dezember hatte das Projektteam Zanders eine erste Berechnung vorgelegt, die noch 2000 Wohnungen (für 4000 Personen) und 800 Arbeitsplätze vorsahen. Doch dann drehte sich der Wind sehr schnell.
Fünf Varianten hat das Projektteam zwischenzeitlich berechnet und in zwei „interfraktionellen Arbeitskreisen“ mit den Ratsfraktionen in nichtöffentlicher Sitzung diskutiert. Das Ergebnis wird nun in der Ausschusssitzung am 7. März vorgelegt und abgestimmt.
In ihrer Beschlussvorlage nennt die Stadtverwaltung nun Zielgrößen, die weit vom Ausgangsszenario abweichen: Die neue „Vorzugsvariante“ sieht 1750 Wohnungen für rund 3500 Einwohner:innen und insgesamt 2350 Arbeitsplätze vor.
„Politisch konsensfähig“
Die Stadt spricht an anderer Stelle von der Notwendigkeit, einen „politisch konsensfähigen Nutzungsmix“ zu finden. Zudem würdige der aktuelle Vorschlag die „politischen Diskussionen der letzten Wochen und Monate“.
Daraus lässt sich schließen, dass es für die Vorzugsvariante eine breite politische Mehrheit gibt. Alle Fraktionen hatten im Vorfeld betont, dass sie die großen Richtungsentscheidungen zum Zanders-Areals nur im Konsens treffen wollen – damit sie bei einer Projektlaufzeit von 25 Jahren auch über die nächste Wahl hinaus Bestand haben.
Wundersame Vermehrung
SPD und Grüne müssten demnach bei den Bewohner:innen (- 500) gegenüber dem Ausgangsszenario leichte Abstriche machen, während sich die Zahl der Arbeitsplätze fast verdreifacht.
Diese wundersam anmutende Vermehrung geht auf mehrere Faktoren zurück, die in den Prämissen stecken:
- Die insgesamt zur Verfügung stehende Bruttogeschossfläche wurde seit Dezember von 369.000 auf 400.000 m2 aufgerundet. Auf dem gesamten Gelände soll im Schnitt in einer Höhe von rechnerisch 2,24 Geschossen gebaut werden – benötigt wird damit eine Grundfläche von 180.000 m2.
(Da Abstände einzuhalten sind werden Grundstück zu höchstens 60 oder 70 Prozent bebaut, daher wird die Bebauung am Ende in der Regel vier Geschosse hoch sein.) - Bei der Wohnfläche geht man von 40 m2 pro Person aus, bei den Arbeitsplätzen hängt die Fläche von der Tätigkeit ab, ist aber im Durchschnitt niedriger.
- Wenn weniger Wohnungen geplant werden sinkt auch der Flächenbedarf für Kitas und Schulen.
- Der Stellplatzschlüssel je Wohnung wurde von 1,0 auf 0,75 gesenkt; womit deutlich weniger Parkflächen eingeplant werden müssen. Dabei geht die Stadt hier konservativ vor, laut Landesbauordnung könnte der Schlüssel auf 0,5 oder gar 0,3 gesenkt werden.
Bei der Verteilung der Flächen ist auch bei der Vorzugsvariante der Stadt mit 46 Prozent der größte Teil für Wohnungen vorgesehen. In der Ausgangsvariante waren es noch 56 Prozent.
Auf Arbeiten entfallen jetzt 25 (statt 10) Prozent, auf die Stellplätze sowie die soziale Infrastruktur jeweils 17 (19) Prozent. Auch hier gehen die Zugewinne also deutlich an die Gewerbeflächen.
Viel mehr Fläche für Parkplätze als für Schulen und Kitas
Aus den Wohnflächen leitet sich der rechnerische Bedarf für die soziale Infrastruktur ab: in der Vorzugsvariante sind 2247 m2 für Kitas und 18.000 m2 für die beiden Grundschulen vorgesehen. In allen Szenarien wurden 29.200 m2 für den geplanten Berufsschul-Campus reserviert.
Der Flächenbedarf für die Parkplätze wird mit 68.201 m2 angegeben, deutlich mehr als für die Schulen und Kitas zusammen.
Die genannten Zahlen für Wohnungen und Arbeitsplätze sind nicht in Stein gemeißelt, der Vorschlag sieht ausdrücklich eine Schwankungsbreite von zehn Prozent vor. Die Einwohnerzahl könnte also am Ende zwischen 3300 und 3800 liegen, die Zahl der Arbeitsplätze (immer inklusive sozialer Infrastruktur) zwischen 1950 und 2750.
Auf der Basis dieser Festlegungen soll nun eine Vision entstehen, wie das Stadtquartier Zanders in 20 oder 25 Jahren aussehen soll, hofft das Projektteam Zanders. Diese Vision sei dann die Leitlinie für alle weiteren Überlegungen; auch wenn schon jetzt klar sei, dass auch die Vision immer wieder überprüft werden müssen.
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Welche Nutzen kommt wohin
Das gesamte Areal soll blockweise entwickelt werden, laut Projektteam müsse bei jedem einzelnen Block neu entscheiden werden, welche Nutzungen dort vorgesehen werden. Damit wird es gemischte Blocks geben, aber ebenso lokale Nutzungsschwerpunkte. Auch dazu hat das Projektteam einen ersten Aufschlag erstellt.
Die Wohnflächen sollen demnach vor allem im Süden und Westen liegen, aufgelockert durch „verträgliche Gewerbeeinheiten“. Entweder innerhalb der einzelnen Gebäude (z.B. als Coworking-Spaces im Wohnhaus) oder in den Erdgeschossen.

Der zentralen Bereich, der sogenannte „Office-Bereich“ hin zum Stadtzentrum, soll vor allem für Gewerbe genutzt werden. Der Bildungscampus mit den Berufskollegs und offenbar auch einem Ausbildungszentrum der Kreishandwerkerschaft sowie einem Wohnheim schließt im zentralen und nordwestlichen Bereich an.
Das Gebiet um die Halle der ehemaligen Papiermaschine PM3 im Nordosten eigne sich ohnehin eher für Gewerbe oder Bildung als für Wohnungen.
Und schließlich müssen die zwei Grundschulen und mehrere Kitas auf den zur Verfügung stehenden 18 Hektar untergebracht werden.

Wie es weitergeht
Nach der Verabschiedung der Vorzugsvariante will das Projektteam endlich die Diskussion über abstrakte Zahlen und Nutzungsverhältnisse beenden und anfangen, erste städtebauliche Konzept zu erstellen.
Auch hier soll Block für Block vorgegangen werden. Zunächst wird in einer Potenzialanalyse geprüft, ob die vorhandenen Gebäude erhalten bleiben, oder ob nur ihr Material für den Bau neuer Einheiten genutzt wird. Die Ergebnisse werden in das bereits vorhandenes digitale Modell des ganzen Areals eingespeist werden und mit dem vom Architekturbüro Karres en Brands erstellten „Traummodell“ abgeglichen werden.
Der Weg vom grauen Zanders-Areal zur grünen Zandersstadt
Ein Jahr nach dem Ende der Papierfabrik Zanders bestätigt sich, wie groß und vielschichtig die Aufgabe ist, das komplette Industrieareal in einen modernen Stadtteil zu verwandeln. Aber auch, welche Vielfalt an Optionen möglich ist. Bei der ersten öffentlichen Sitzung des neuen Zanders-Ausschuss haben die Planer ihre Strategie dargelegt und einen bunten Strauß an Projektideen angedeutet.
Für einzelne Teilräume sollen parallel erste grobe Testentwürfe erstellt und in einem groben städtebaulichen Entwurf eingegliedert werden. Dann kann man auch klären, wie sich die künftigen Gebäude im Gelände verteilen, welche Bautypen, welche Höhen und welche Baudichten verträglich sind. Am, das betont die Beschlussvorlage noch mal, stehe das Ziel der Entwicklung „eines urbanen Stadtquartiers von hoher Lebens- und Aufenthaltsqualität“.
Dokumentation
Die ganze Tagesordnung für die Sitzung des Zanders-Ausschusses am 7.3.2023
Die Beschlussvorschlag im Wortlaut:
ein kommentar zu dem Text:
Dabei geht die Stadt hier konservativ vor, laut Landesbauordnung könnte der Schlüssel auf 0,5 oder gar 0,3 gesenkt werden.
es würde eine wirklich neue Richtung in Berg. gladbach eingeschlagen, würde man das Areal als möglichst Autofreie Fläche planen.
bei konservativem Schlüssel muß man wohl davon ausgehen, das vor jedem Haus 1-1,5 Autos stehen. Bei 2 personen pro haushalt.
Es ist wohl auch politischer Konsens, das auch die neue Fläche dem Image der Stadt Rechnung tragen soll, dass das Auto ein gerngesehener öffentlicher Gegenstand ist.
Und vielleicht habe ich mich auch grob verschätzt und das Gegenteil ist der Fall…