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Lucia Berlin: Was ich sonst noch verpasst habe
Arche Literatur Verlag 2016, € 22,99
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„Ich übertreibe oft und verwechsle Fiktion und Realität, aber, ganz ehrlich, ich lüge nie.”
Lucia Berlin wurde 1936 in Alaska geboren. Ihre Familie zog oft um, weil der Vater als Bergbauingenieur häufig wechselnde Einsatzorte hatte. Als er im Zweiten Weltkrieg eingezogen wurde, lebte Lucia Berlin mit Mutter und Schwester bei ihren Großeltern in El Paso. Dort begann ein Leidensweg für die heranwachsenden Mädchen, der geprägt war von der Alkoholsucht der erwachsenen Familienmitglieder, von sexuellem Missbrauch des Großvaters, von emotionaler und körperlicher Misshandlung durch die aggressive Mutter.
Lucia Berlins stark autobiographisch gefärbte Kurzgeschichten entstanden in den 60er, 70er und 80er Jahren. Sie handeln von der Kindheit in El Paso, vom Arbeitsalltag in einem Krankenhaus, von der eigenen Alkoholsucht, vom Versuch, die innere Ablösung von der negativen Mutterfigur zu bewältigen, von der Krankheit der Schwester, schließlich vom Altern. Eine stets gegenwärtige Konstante in diesen Geschichten ist Gewalt.
Generell scheinen alle beschriebenen Themen und Lebensumfelder auf eigenen Lebensabschnitten der Autorin zu beruhen. So sagte sie einmal in einem Interview, dass ihr das Schreiben über vergangene harte Zeiten eine Distanz zu den Dingen schaffe und die Geschehnisse auf diese Weise erträglich mache.
2004 starb Lucia Berlin. Ihr literarisches Schaffen war relativ unbekannt geblieben, was sich 2015 änderte: Ihre Kurzgeschichten wurden in den USA erneut publiziert und euphorisch gefeiert. 2016 folgte die deutsche Übersetzung.
Die Sprache ist impulsiv und einzigartig. Sie ist literarisch, ohne künstlich überfrachtet zu wirken. Ihre Themen sind heftig, oft überraschend. Ihre Darstellung geht sehr nahe. Es wird nicht ausführlich beschrieben, es werden keine Stimmungen und Nuancen eingefangen, sondern einzelne Szenen wie mit einem Spotlight in aller Schärfe ausgeleuchtet.
Meistens tritt eine Ich-Erzählerin auf, und deren Haltung beeindruckt nachhaltig. Mal verzweifelt und traurig, mal abgeklärt und ironisch-distanziert, bleibt sie letztendlich immer Herrin über die Dinge, die schief laufen mit ihr und ihrem Leben. Denn sie benennt sie.
Sally weint leise. „Pobrecita. Pobrecita“, sagt sie. Wenn es mir nur gelungen wäre, mit ihr zu reden. Wenn ich ihr nur hätte sagen können, wie sehr ich sie geliebt habe.“
Was mich betrifft … ich habe kein Erbarmen.
Weil die Geschichten miteinander verknüpft sind und oft sowohl Situationen als auch Personen aufgreifen, die bereits zuvor erwähnt wurden, ist dieses Buch ausgesprochen zugänglich und dürfte auch den Leserinnen und Lesern gefallen, die normalerweise nicht unbedingt zu Kurzgeschichten greifen.
Die Sortierung des deutschen Verlags tut ihr Übriges, um den Zugang zu erleichtern. Anders als die amerikanische Originalausgabe sind die Stories in der deutschen Übersetzung nicht chronologisch nach Erscheinungsreihenfolge, sondern thematisch sortiert.
Laut Lektorat des Arche Verlags soll die deutsche Ausgabe eine schöne Leseausgabe sein, in der Lucia Berlins Schreiben und Erzählen im Vordergrund steht, was nicht zuletzt durch die wirklich großartige, sehr originalgetreue, starke Übersetzung von Antje Rávic Strubel absolut gelungen ist.
Eine der besten Neuerscheinungen in diesem Jahr und eine ganz klare Leseempfehlung!
Viel Spaß beim Lesen, Ihre Birgit Jongebloed
Die Buchhandlung Funk existiert seit vielen Jahrzehnten in Bensberg und ist seitdem Bestandteil des kulturellen Lebens von Bergisch Gladbach. Mehr als zehn Jahre waren Pia Patt und Birgit Jongebloed bereits in der Buchhandlung Funk beschäftigt, als sie im Oktober 2015 das Geschäft von Almut Al-Yaqout übernahmen.
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