Corona zeigt, wie wichtig es ist, bei großen Entscheidungen eine Vielfalt von Meinungen einzubinden und die Bürger mitzunehmen. Wenn das in einem neuen Anlauf für eine echte Bürgerbeteiligung berücksichtigt wird, könnte es für Bergisch Gladbach eine Aufbruchstimmung erzeugen

Martin Wiegelmann

Jeder hat in den letzten Wochen der Corona-Krise im Lockdown seine individuellen Erfahrungen und Beobachtungen gemacht. Mir ist besonders eine Sache in der Politik aufgefallen: Ich habe den Eindruck, dass sich die regierenden Politiker, egal ob auf Bundes- oder Landesebene, rund um das Thema Corona schwertun, einsame Entscheidungen zu treffen. Wahrscheinlich, weil es an Erfahrungen im Umgang mit einer Krise von dieser Größe fehlt.

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Erstmals nahm ich bewusst wahr, dass die Politik Expertenräte eingerichtet hat (denen eben nicht nur Virologen und Epidemiologen angehören, sondern auch z.B. Ethiker, Sozialwissenschaftler, Wirtschafts­experten) und dass deren diverse Meinungen dann auch in den öffentlichen Diskurs gelangten. Ich bin davon überzeugt, dass gerade dies die Akzeptanz der Lockdown-Maßnahmen in breiten Teilen der Bevölkerung unterstützt hat.

Hinweis der Redaktion: In einer Serie von Essays befassen wir uns mit der Frage, welche Herausforderungen die Corona-Krise an die Stadtgesellschaft stellt, und wie es weiter gehen soll. Mittel und langfristig. Nach Christian Buchen, Bürgermeisterkandidat der CDU unserem Autor Klaus Hansen und Frank Stein, Kandidat für Grüne, FDP und SPD, schreibt der Bensberger Bürger Martin Wiegelmann den vierten Beitrag. Weitere Texte nehmen wir gerne an.

Dass das Handeln der Regierenden so viel Zuspruch gefunden hat, liegt eben an dieser gelebten Diversität, der Vielfalt der Meinungen, der Betrachtung aus unterschiedlichen Perspektiven, mit unterschiedlichen Erfahrungen, aus der sich dann für die Politik eine Handlungsoption entwickelt hat. Mir ist keine Krise in der Vergangenheit bewusst, in welcher dem Bürger soviel erklärt und Hintergrundwissen vermittelt wurde.

Bergisch Gladbach hat viele kreative Köpfe

Was aber hat dies alles mit einer Kommune wie Bergisch Gladbach zu tun?

Zunächst bin ich davon überzeugt, dass wir aus allen Krisensituationen immer auch etwas Positives für unsere Zukunft ziehen können.

Des Weiteren zeigen die Beobachtungen, dass auch auf kommunaler Ebene und damit auch in unserer Stadt in der Post-Corona-Zeit die Vielfalt der Meinungen im Verhältnis der Bürger zu den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung gelebt werden muss. Gleichzeitig müssen die Entscheidungen transparent und nachvollziehbar sein. 

Und damit sind wir beim Thema Bürgerbeteiligung. Wir haben in der Stadt viele kreative Köpfe, deren Potenzial man anzapfen sollte und deren womöglich abweichende Standpunkte man nicht von vornherein verdammen sollte.

In der Bürgerbeteiligung ist eine Kehrtwende notwendig

Es wird bei der Bürgerbeteiligung kein Umdenken stattfinden, solange bei den Bürgern der Eindruck vorherrscht „Meine Meinung interessiert doch niemanden, die da oben machen doch eh, was sie wollen“. Solange dieses Gefühl vorherrscht, wird eine angebotene Bürgerbeteiligung als Placebo verstanden.

Nun geht es darum, den Bürger aus dieser erlernten Hilfslosigkeit herauszuführen, indem er dazu motiviert wird, sich zu beteiligen und mit seinen Ideen und Fähigkeiten einzubringen.

Dies gelingt aber nicht mit der immer wieder auftauchenden Aufforderung bei Äußerung von Kritik durch Bürger, doch bitte selbst in die Politik zu gehen, man mache es sich einfach zu leicht, von außen aus dem gemütlichen Sessel heraus die Kritik zu äußern. Stattdessen solle man doch kandidieren und sich so direkt einbringen.

Prompt wird dann auch der Vergleich zu den 80 Mio. Fußballexperten bei Spielen der Fußballnationalmannschaft gezogen. Ich finde solche Aussagen sogar destruktiv, weil sie eine weitere Entfremdung von Politik und Bürgern fördern.

Wie steht der nächste Bürgermeister zur Bürgerbeteiligung?

Schaut man sich die jüngsten Äußerungen der zwei Bewerber um das Amt des Bürgermeisters an, so fehlt es leider an Aussagen, wie diese die Bürger mehr in die Entwicklung unserer Stadt einbeziehen möchten.

So führt Frank Stein (Grüne, FDP, SPD) in seinem Beitrag im Bürgerportal aus: „Gute Politik wird die Krise überwinden. Wer wie „das Kaninchen auf die Schlange“ starrt, wird an der Corona-Krise scheitern. Was Not tut, ist der Mut und der Wille aller Beteiligten, alte Denk-und Verhaltensmuster zu überwinden.“

Wie das geschehen soll, sagt er indes (noch) nicht. Solange dies nicht geschieht, bleibt es bei einer Worthülse.

Und Christian Buchen (CDU) äußert sich ebenfalls im Bürgerportal: „Mut zur Veränderung. Da ist Mut zu Innovation und Veränderung bei den Menschen wie auch bei den Unternehmen. In meinem Heimatstadtteil Herkenrath hat sich ein Familienunternehmen vom Anlagenbauer zum Produktionsbetrieb entwickelt und die erste deutsche Produktionsstraße für Schutzkittel in Betrieb genommen. Und das alles in nur 10 Tagen. Wahnsinn! Seitdem werden täglich 30.000 Schutzkittel produziert – 100% Made-in-Germany. Diese positive Energie und diese Aufbruchsstimmung wünsche ich mir auch in Zukunft, um gemeinsam Probleme anzupacken und zu lösen!“

Auch dieser letzte Satz kommt leider nur nebulös rüber, auch dieser dürfte schnell als Worthülse enttarnt werden.

Martin Wiegelmann am Politischen Stammtisch des Bürgerportals …

Bereits vor einiger Zeit hatte ich mir gewisse Hoffnungen gemacht, das Thema Bürger­beteiligung käme als ernsthaftes Anliegen auf die Agenda.

Da hatte nämlich der CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Michael Metten in einer Diskussionsrunde des Bürgerportals mit Politikern und Bürgern ausgeführt, man wolle sich mit neuen Formen der Bürgerbeteiligung beschäftigen.

… im Dialog mit Michael Metten

Leider ist bis heute bei diesem Thema nichts Erkennbares passiert, sieht man einmal davon ab, dass Christian Buchen im Rahmen des Wahlkampfes das digitale Format „Christian Buchen im Gespräch“ eröffnet hat, bei dem es auch um Stadtteile (Refrath bzw. Paffrath und Hand) geht.

Sähe man hierin einen gewissen Umdenkungsprozess, so hätte dies doch auch in den jüngsten Verlautbarungen Niederschlag gefunden. Ob er dieses Thema tatsächlich noch auf seine Fahnen schreiben wird? 

Stadtteil- und quartiersbezogene Formate

Immerhin, im November 2019 ging es im SPD-Forum Paffrath in einer Diskussion mit über 30 Bürgern auch um das Thema Bürgerbeteiligung. Berichtet wurde von der SPD-internen Diskussion über die Erarbeitung von Leitlinien für die Verfahren der Bürgerbeteiligung, weil es in anderen Nachbarkommunen wie Köln, Wuppertal, Bonn und Solingen so etwas bereits gäbe.

Frank Stein unterstrich hierbei die Notwendigkeit einer klaren und präzisen gemeinsamen Zielsetzung beim Bürgerbeteiligungsprozess. Auffällig positiv war seine Aufforderung, über stadtteil- und quartiersbezogene Formate stärker nachzudenken, d. h. transparente stadtteilbezogene Strukturen zu schaffen, ohne großen Bürokratismus zu verursachen.

Aber auch hiervon ist in seinen jüngsten Beiträgen nichts mehr zu hören. Und auch im Programm des Bündnisses aus SPD, Grünen und FDP für die kommende Kommunalwahl ist die Bürgerbeteiligung nur eine kleine, unpräzise und damit nicht wirklich ernst zu nehmende Randnotiz. Ist das Thema damit schon beerdigt worden, bevor es richtig angegangen wird?

Der Austausch bekommt eine neuen Bedeutung

Für die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung ergibt sich die schon als einmalig anzusehende Chance, den Kommunikationsprozess mit den Bürgern in der Post-Corona-Zeit neu zu beleben. Denn der Belebungsprozess fiele vor dem Hintergrund einer Neubewertung des zwischenmenschlichen Austauschs auf fruchtbaren Boden, so meine feste Überzeugung.

Im Lockdown ist bewusst geworden, wie wichtig der zwischenmenschliche Austausch ist, sei es in der Familie, mit Freunden, Nachbarn, Arbeitskollegen. Gewiss, digitales Treffen konnte dieses Defizit in Teilen etwas abmildern, aber ich denke, Ihnen ist genauso wie mir schnell klar geworden, dass die Begegnung und der Austausch „face to face“ und dieses natürlich ohne räumliche Distanzierung oder Schutzmaske eigentlich durch nichts ersetzt werden kann.

Der Lockdown wird auch in unserer Stadt Auswirkungen zeigen, ihr Bild wird sich verändern. Hieraus resultieren gewaltige Herausforderungen. Wir haben die Chance, kreative Ideen von Bürgern um ein Vielfaches stärker in den Prozess einfließen zu lassen als es bisher der Fall war.

Entscheidend ist allein, dass die Bürger den Eindruck haben, sie können einen wahrnehmbaren (selbst wenn auch nur sehr kleinen) Beitrag zur Entwicklung unserer Stadt leisten.

„Wachgeküsst“ werden müssen sie aber von Politik und Verwaltung, dann spätestens sind aber auch die Bürger gefordert, sich einzubringen. 

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Jurist, aufgewachsen im Ruhrgebiet, wohnt seit 1989 im Rheinland und seit 1996 mit seiner Familie in Bergisch Gladbach.

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10 Kommentare

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  1. Bürgerbeteiligungen sind nicht zuletzt auch Interessenvertretungen. Es wäre da unnatürlich, wenn sie frei wären von eigennützigen Vorstellungen. Diese können aber, wie in unserer Stadt zum Beispiel stark differieren. Da sind die vom Verkehr stark betroffenen Stadtteile für den Zubringer über die Trasse während die Bewohner des Umfeldes des Bahndamms aus verständlichen Gründen dagegen sind. Das ist nur ein Beispiel. Es gibt noch viele andere. Das dies für die Entwicklung einer Stadt auch hinderlich sein kann, ist nicht von der Hand zuweisen. Ohne Führung läuft nichts. Eine Gesellschaft ohne Führung endet im Chaos. Dies setzt allerdings voraus, dass die Führung geeignet ist notwendige und gesteckte Ziele zum Wohle aller Bürger zu erreichen. Versagen gibt in allen Bereichen sogar im Weißen Haus.

  2. Sehr geehrter, lieber Herr Wiegelmann,
    so ganz weit liegen wir dort nicht auseinander, weil die Bürgerbeteiligung zwar formal stattgefunden hat, allerdings sich im Ergebnis eher nicht wiedergespiegelt hat und das nach meiner Wahrnehmung sowohl beim FNP, der Initiative zum InHK Bensberg – da gab es sogar Verkündungstermine – und ähnlich bei der Feuerwache Süd. Der Frust bei den engagierten Bürgern war bei allen drei Themen am Ende der „Bürgerbeteiligung“ recht groß.
    Die Begrifflichkeit „erlernte Hilflosigkeit“ allerdings, die würde ich gerne ersetzen durch „anerzogenes Desinteresse“ oder „erlittene Hilflosigkeit“ vielleicht.
    Meine Wahrnehmung ist die, dass nicht ausgesprochene und gelöste Konflikte solche sind, die eben nicht weg sind, sondern sich im weiteren Verlauf nur Verstärkung suchen. Das heißt, der Frust der Bürger endlädt sich an anderer Stelle von…yni….bis zum Wahlverzicht.
    Deshalb nochmals Dank an Sie für die Mobilisierung, es ist im Hinblick auf den Wahltermin noch nicht zu spät und Stadtteileben ware schon sehr gut, weil viele Bürger näher dran sind in ihrem Veedel, es reicht bei den Zukunftsfragestellungen aber nicht aus, nicht nur beim FNP nicht, gerade hier in unserer Stadt, wo so viel grundsätzliches Aufzuarbeiten ist.

    Ja, offenbar braucht es einen transparenten Beteiligungsprozess für die Bürger, wo aus Betroffenen Beteiligte gemacht warden und zwar am Ergebnis Beteiligte. Da wächst Interesse und neues Engagement.

    Der Bürger als Verlierer? v. 22. Januar 2020

  3. Sehr geehrter, lieber Herr Eschbach,
    ich gebe Ihnen Recht, dass zahlreiche Bürger beim Erstellungsprozess des FNP, der Initiative zum InHK Bensberg sowie zuletzt auch im Zusammenhang mit der Feuerwache Süd Engagement gezeigt haben, wenngleich auch mit deutlich unterschiedlicher Intensität. Ich habe hingegen nicht den Eindruck, dass zumindest beim Gros dieser engagierten Bürger das Gefühl entstanden ist, mit Ihrem Vorbringen tatsächlich ernst genommen worden zu sein. Hier und da habe ich sogar erheblichen Frust wahrgenommen. Gerade beim FNP stellt sich die Frage, wie der nach dem Baugesetzbuch vorgesehene Bürgerbeteiligungsprozess besser gestaltet werden kann bzw. sogar muss, um eine größere Akzeptanz zu erlangen. Dies hat – wie schon unten geantwortet – aber zumindest unmittelbar nichts mit der Bürgerbeteiligung auf Stadtteilebene zu tun.

    Unabhängig davon bin ich der Ansicht, dass bei vielen kleineren Gestaltungsthemen viel mehr Bürger bewegt werden könnten, insoweit also doch von einer bisher noch vorherrschenden „erlernten Hilfslosigkeit“ gesprochen werden kann. Die von Ihnen als fehlend herausgestellte Initialzündung zur Freisetzung der latent vorhandenen Bereitschaft zu mehr Engagement könnten die Versammlungen interessierter Bürger auf Stadtteilebene sein.

    Ihr Argument mit den Babyboomern ist auch meiner Ansicht nach vollkommen zutreffend und es wäre kaum vermittelbar, wenn die in Politik und Verwaltung Verantwortlichen sich in den kommenden Jahren nicht darum bemühen würden, das hier vorhandene Potenzial an Erfahrung und Wissen zum Wohle der Stadt zu nutzen.

  4. Sehr geehrter Herr Röhr,
    vielen Dank für Ihre Kommentierung. Die Bürgerbeteiligung im Rahmen der von Ihnen erwähnten Neuaufstellung des Flächennutzungsplans ist ja eine solche, die bereits von Gesetzes wegen vorgesehen ist und hat daher nicht unmittelbar etwas mit meinem Vorschlag zu tun. Aber selbstverständlich gebe ich Ihnen recht, dass auch diese so zu gestalten ist, dass sie nicht zu einem bloßen Placebo verkommt.

    Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass solche Großvorhaben in Zukunft befruchtet werden können durch Diskussionen und Ideen, die auf Stadtteilebene, also im Kleinen, stattfinden bzw. entwickelt werden.
    Wie schon unten in einer Antwort ausgeführt, gehe ich davon aus, dass mit einer solchen neuen Beteiligungsform zunächst bei kleineren Gestaltungen erste Erfahrungen gesammelt wird, bevor „härtere Nüsse geknackt werden“.

  5. Sehr geehrter Herr Schubek,
    vielen Dank für Ihre Kommentierung.
    Ich freue mich, dass das Thema noch aktuell ist und bin sehr gespannt auf das Zwischenergebnis dieses systematischen internen Diskussionsprozesses. Mir ist allerdings nicht klar, in welchem „Konkurrenzverhältnis“ die Vorstellungen zur Verbesserung der Bürgerbeteiligung dann zu dem gemeinsamen veröffentlichten Wahlprogramm von SPD, Grünen und FDP stehen, wo doch im Letztgenannten die Bürgerbeteiligung nur eine Randnotiz ist.

  6. Sehr geehrter Herr Havermann,
    vielen Dank für Ihre Kommentierung. Es stimmt, dass ich mich in meinem Beitrag nicht näher zum Wie der Umsetzung der Bürgerbeteiligung geäußert habe, sieht man einmal von meiner als auffällig positiv bewerteten Aufforderung des Frank Stein in der Veranstaltung in Paffrath ab, über stadtteil- und quartiersbezogene Formate stärker nachzudenken. Diese Äußerung entspricht jedoch bereits meiner in der Vergangenheit mehrmals vorgetragenen Idee, in Anlehnung an die Bezirksvertretungen in den kreisfreien Städten (vgl. §§ 36 ff Gemeindeordnung NRW) auf Stadtteilebene Bürgerversammlungen zu organisieren, in der dann gerade die für den Stadtteil relevanten Vorhaben und neue Ideen vertieft werden können. Durch eine Satzung könnte m.E. solchen Versammlungen das Recht eingeräumt werden, bestimmte Vorhaben zu initiieren bzw. zu bestehenden Vorhaben Vorschläge in die Gremien einzubringen. Das sollte natürlich möglichst ohne zu großen Bürokratismus gelebt werden. Trotzdem muss natürlich gewährleistet sein, dass solche Einrichtungen nicht zu einer letztlich von den Entscheidungsträgern nicht beachteten Plauderrunde werden.

    Ich bin der Meinung, dass solche Bürgerversammlungen wachsen müssen. Man darf also die Latte nicht zu hoch legen. D.h. anfangs wird man sich mit Gestaltungen im Stadtteil befassen, die vor allem Ideen von Bürgern erfordern, nicht aber unbedingt nach echten Experten verlangen. So wird dem engagierten Bürger das Gefühl vermittelt, dass er mit seinen Ideen ernst genommen wird und er wird in der Folge mehr und mehr bereit sein, sich auch bei komplizierteren Themen und dann ggf. auch mit speziell vorhandenem Wissen einzubringen. Die von Ihnen genannten Arbeitsgemeinschaften sind daher in meinen Augen zumindest vorerst unrealistisch. Der von Ihnen beschriebene Bürgerrat kommt meinen Vorstellungen – dann aber nur auf Stadtteilebene – schon recht nahe. Denn einen großen Bürgerrat für die ganze Stadt halte ich auch in der praktischen Umsetzung als eher unrealistisch.

  7. Herzlichen Dank lieber Herr Wiegelmann für das neuerliche Aufgreifen dieses so wichtigen Themas mit Post Corona Blick. Wahrscheinlich werden wir auch zur Kommunalwahl noch den Fokus mehr auf dem Corona Virus haben als auf den Wahlkampfthemen mit der Bürgerbeteiligung. Umso wichtiger ist es, den Prozess der Bürgerbeteiligung an die richtige Stelle in den „Wahlkampf“ zu rücken, auch weil die Bedingungen für den Wahlkampf nicht wirklich erprobte sind und das Virus und hoffentlich der für alle erfolgreiche Umgang damit nicht alles überdecken sollte.
    Sie schreiben in Ihrem Beitrag: „Nun geht es darum, den Bürger aus dieser erlernten Hilfslosigkeit herauszuführen, indem er dazu motiviert wird, sich zu beteiligen und mit seinen Ideen und Fähigkeiten einzubringen“.
    Dem möchte ich vehement wiedersprechen und zwar aus den gemachten Erfahrungen dreier großer Themen bürgerlichen Engagements in jüngster Zeit. Es waren dies der Erstellungsprozess des FNP, die Initiative zum InHK Bensberg und letztlich zur Feuerwache Süd.
    Der Bürger hat keine erlernte Hilflosigkeit gezeigt, die gibt es auch nicht, sondern eine natürliche Betroffenheit und das Bedürfnis, sich für seine Interessen und die der Gruppe zu engagieren und sich mit seinen Ideen und Fähigkeiten einzubringen und das in einem gruppendynamischen Prozess. Es gibt bei den Bürgern eine latent vorhandene Bereitschaft zum Engagement. Es fehlt die Initialzündung bei deckungsgleichen Zielen.
    Man stelle sich nur einmal das Erfolgspotential vor, wenn von Beginn an alle Beteiligten in einem moderierten Prozess am gleichen Strick in die gleiche Richtung gezogen hätten, was für eine Vervielfachung der Kraft und vor allem ein jeweils sehr viel breiter getragenes Ergebnis.
    An anderer Stelle schreiben Sie: „Denn der Belebungsprozess fiele vor dem Hintergrund einer Neubewertung des zwischenmenschlichen Austauschs auf fruchtbaren Boden, so meine feste Überzeugung“.
    Das möchte ich ausdrücklich unterstreichen. Und es gibt neben den gerade gemachten öffentlichen Erfahrungen von interdisziplinären Arbeitsgruppen weitere gute Gründe diesen Prozess jetzt vorwärts zu treiben. Die Babyboomer als gut ausgebildete Menschen, an lebenslanges Lernen gewohnt, die kommen leistungsfähig in den Ruhestand. Viele wollen nicht in eine Partei, alle sind aber bereit, ihr Wissen zu teilen. Dieser Wissenstransfer könnte für die Gestaltung der Zukunft über den Prozess der Bürgerbeteiligung organisiert werden. Ein Gewinn für uns alle.
    Ein Hinweis sei noch auf einen Beitrag von mir erlaubt hier im Bürgerportal:
    Der Bürger als Verlierer? v. 22. Januar 2020
    Offenbar braucht es einen transparenten Beteiligungsprozess für die Bürger, wo aus Betroffenen Beteiligte gemacht werden, am Ergebnis Beteiligte.

  8. Danke für den Beitrag. Für uns ist Bürgerbeteiligung ein Kernanliegen. Viele der Mitglieder unserer Freien Wählergemeinschaft FWG mussten im Zusammenhang mit dem Flächennutzungsplan den Eindruck gewinnen, dass in Bergisch Gladbach Bürgerbeteiligung eher als Last empfunden wird.
    Es geht uns darum, eine Mitwirkung an Stadtprojekten und Vorhaben dauerhaft von Anfang bis Ende sicherzustellen. Es geht uns darum, dass engagierten Bürgerinnen und Bürgern bessere Möglichkeiten eingeräumt werden, ihre Vorstellungen gegenüber den politischen Gremien zu artikulieren. Es geht uns darum, Bürger direkt in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Dazu gibt es in anderen Städten bereits erfolgreiche Modelle und Regelwerke.
    Eine Pseudobeteiligung in Form von Kreisel-Namensfindungen oder ausschließlich zur Sicherstellung regionaler Förderprojekte ist uns zu wenig. Selbstverständlich ist uns dabei klar, dass die gewählten politischen Gremien das letzte Wort haben. Diese Tatsache darf aber nicht als Totschlagargument gegen eine erweiterte Bürgerbeteiligung dienen.
    http://www.fwg-bergischgladbach.de

  9. Unsere Demokratie braucht mehr den je den engagierten Bürger. Und es muss auch außerhalb des Parteien-Spektrums die Möglichkeit geben, sich wirksam zu engagieren. Diese Erkenntnis ist zumindest in der SPD seit geraumer Zeit angekommen und es werden beispielsweise die Überlegungen von Prof. Gerald Hüther in seinem Buch zur Kommunalen Intelligenz aufgegriffen.

    Bemerkenswert finde ich, dass Martin Wiegelmann hier sehr zutreffend auf die konstruktiven Erfahrungen aus der Corona-Krise hinweist. Die Zeit ist reif für strukturierte und verbindliche Beteiligungsformate in den wichtigen Themen unserer Stadt.

    Deswegen ist das Thema Bürgerbeteiligung im SPD-Forum Paffrath Ende letzten Jahres auch kein Zufall gewesen, sondern Zwischenergebnis eines systematischen internen Diskussionsprozesses. Das Ergebnis des Prozesses wird in Kürze im Wahlprogramm der SPD für die Kommunalwahl zu lesen sein.

  10. Oh, welch hehre Vorschläge und Gedanken. Sie sind wahrlich angebracht, wenn sich in BGL etwas verändern soll. Leider ist dies alles abhängig von der Politik, vor allem aber von der Verwaltung und vom Bürgermeister, deren Chef. In den letzten beiden Wahlperioden gab es eine starke Macht: Bürgermeister, 1. Beigeordneter, Verwaltung und CDU, der die SPD unter die Arme griff. Alle anderen Parteien zusammen hatten zuletzt weniger Stimmen im Rat als die GroKo. Und was hatte die Bevölkerung davon? Einen FNP-E, dessen „Bürgerbeteiligung“ tatsächlich eine Informationsveranstaltung war mit Frontalvorträgen, wobei die Vortragenden „Unterstützung“(?) vom Beigeordneten zu akzeptieren hatten.

    Und nun die Vorschläge von Herrn Wiegelmann.

    Wenn die Hoffnung bestätigt würde, dass sich die politischen Verhältnisse nach der Wahl ändern, bestehen Chancen. Im anderen Fall sehe ich schwarz. Das zu den Grundsätzen. Herr Wiegelmann wirft – zu recht – den beiden Kandidaten vor, Vernünftiges vorzuschlagen aber zu vergessen, wie sie das umsetzen wollen. Diesen Vorwurf kann ich Herrn Wiegelmann ebenfalls nicht ersparen. Das seiner Meinung nach große Potential in der Bevölkerung soll herangezogen werden und helfen, Probleme zu lösen. Zunächst würde ich gerne wissen, wie man zu welchem Thema die richtigen Leute findet? Hat man sie tatsächlich gefunden, müsste es zu Arbeistgemeinschaften kommen, denn meinetwegen 50 Meinungen zu einem Thema jeweils persönlich vorgebracht, und das bei m.E. mindestens 20 der Bevölkerung wichtigen Objekten, bringt ein größeres Chaos, als Verwaltung und GroKo es je schaffte. Wer sucht die kompetenten Bürgerinnen und Bürger aus, wer stellt Gremien und Arbeitsgruppen zusammen, wer wertet aus und informiert Rat und Bevölkerung? Eine solche Vorgehensweise nennt man zwar basisdemokratisch, wirft uns aber auf Dauer weit zurück, weil alles zu lange dauert.

    Vielleicht lässt sich der zukünftige Rat ja auf den Vorschlag ein, der schon zu Zeiten der Diskussionen über den FNP von den Bpürgerinitiativen kam: An der Seite des gewählten Rats eine Art Bürgerrat, der den Freizeitpolitikern helfen kann, indem er Probleme definiert, sie analysiert und Vorschläge zur Lösung vorstellt. Im Rat kann dann aufgrund der Vorarbeiten demokratisch entschieden werden.