Petra Oelschlägel, Direktorin des Kunstmuseums Villa Zanders in Bergisch Gladbach. Foto: Susanne Schröder
Petra Oelschlägel, Direktorin des Kunstmuseums Villa Zanders in Bergisch Gladbach. Foto: Susanne Schröder

Das Kunstmuseum Villa Zanders hat die Pandemie mit digitalen Angeboten überbrückt – aber Kunst will gesehen, gehört, ausgestellt und auch gekauft werden. Daher gilt es jetzt, Solidargemeinschaften und Gemeinschaften Gleichinteressierter zusammenzuführen – und den Dialog zu stärken. Dafür bietet Bergisch Gladbach gute Bedingungen. Ein Essay.

Die Schließung des Museums von einem Tag auf den anderen war eine nie ausgemalte Situation, die uns wie alle Museumskolleg*innen und alle Menschen unvorbereitet getroffen hat. Es war noch nicht einmal klar, ob wir am nächsten Tag wiederkommen konnten, oder ob eine Ausgangssperre verhängt werden würde.

Für mich persönlich war klar, dass ich auf jeden Fall so kontinuierlich wie möglich bei der Sammlung und den uns anvertrauten Leihgaben sein wollte. Es war in der Tat die ungeahnte Möglichkeit, „ungestört“ zu arbeiten, ohne Ablenkung durch Besuche, Führungen, Telefonate.

Die Vorteile eines kleineren Hauses

Klar geworden ist mir besonders im Diskurs mit den anderen Museumsleiter*innen in NRW, die im Austausch miteinander stehen, dass für uns als kleineres Haus viele Widrigkeiten unproblematisch sind bzw. wir manche Probleme erst gar nicht haben.

Da unser Haus nur über geringe Finanzmittel verfügt und wir uns fast ausschließlich auf mitteleuropäische Kunst mit dem Schwerpunkt der Kunst aus Papier konzentriert haben, sind wir nicht in den großen internationalen Ausstellungszirkus eingebunden, der in den vergangenen Jahren auf Globalisierung und die Präsentation der Kunst anderer Kulturen gesetzt hat.

Während diese internationalen Kooperationen auf unbestimmte Zeit lahmgelegt waren, besannen sich etliche Museen wieder auf ihre Sammlungsbestände. 

Petra Oelschlägel, Direktorin des Kunstmuseums Villa Zanders
Petra Oelschlägel erläutert die Arbeit “Alibi Collection” von Rolf Hinterecker

Eine einzigartige Sammlung „Kunst aus Papier“

Wir hatten ohnehin glücklicherweise geplant, ab Sommer 2020 für ein Jahr unsere Sammlung „Kunst aus Papier“ zu präsentieren. Die für Mai geplante Ausstellung der Bildhauerin Hede Bühl ist auf Dezember 2020 geschoben, während wir uns entschieden haben, auch in der 1. Etage die Sammlung auszubreiten. 

Die Sammlung „Kunst aus Papier“ ist einzigartig und man kann sie mit Stolz und Freude in den Mittelpunkt rücken. Viele Arbeiten sind noch nie gezeigt worden, Leihgaben aus der Stiftung Kunst in Landesbesitz Nordrhein-Westfalen kommen erstmals an die Öffentlichkeit.

Mary Bauermeister, Kotztüten, 2002, Tinte auf Papier, Büroklammern, Nylon, Spiegel, Plexiglas, Holz 6-teilig; © VG BILD-KUNST Bonn, 2020

Angebote vor Ort werden wichtiger

Corona hat noch einmal deutlich gemacht, was wir in Bergisch Gladbach haben: Vertraute Strukturen, ein überschaubares Gebiet und ein sehr interessiertes Publikum.

Corona hat aber auch die Wahrnehmung vieler geändert – besonders da der Radius sich drastisch verkleinert hat. Wenn man vorsichtig ist, mit Bussen und Bahnen zu fahren, wenn man eher in der eigenen Stadt und auf dem Wochenmarkt als in der Großstadt einkaufen mag, wenn man nicht in die Schule gehen kann, wenn man keine Urlaubsreisen ins Ausland plant – dann sind alle Angebote vor Ort wichtig.

Hinweis der Redaktion: In einer Serie von Essays befassen wir uns mit der Frage, welche Herausforderungen die Corona-Krise an die Stadtgesellschaft stellt, und wie es weiter gehen soll. Mittel und langfristig. Die bisherigen Beiträge von  finden Sie auch ganz unten. Vorschläge für weitere Texte nehmen wir gerne an.

Und dazu gehört natürlich auch die Kultur. Ganz besonders da das Digitale permanent im Mittelpunkt des öffentlichen Diskurses steht, bekommt das Analoge, das Authentische, die Auseinandersetzung mit einzigartigen Kunstwerken eine ganz andere Bedeutung!

Der „Hunger nach dem Original“

Es besteht geradezu ein „Hunger nach dem Original“. Bereits am ersten Tag nach der Wiederöffnung des Kunstmuseums kamen Besucher – obwohl nur das Erdgeschoss geöffnet war.

Wir konnten die in der Halbzeit geschlossene Ausstellung des Gladbacher Künstlers Igor Ganikowskij verlängern. Besucher verbrachten viel Zeit im Erdgeschoss – auch um sich der vertrauten Gemälde des 19. Jahrhunderts zu versichern.

Sensibel mit Corona umgehen

Was dem Museum nach der Schließung bis in die erste Juliwoche fehlte, war die Vermittlung in Form von menschlichen Begegnungen. Jetzt sind Formate wie Führungen, Sonntags-Atelier, Dialog mit dem Original etc. wieder möglich, in kleinen Gruppen und mit Voranmeldung.

Dieses Procedere nimmt ein Stück Spontaneität, doch werden wir uns in allen Bereichen daran gewöhnen, genauso wie an Gurtpflicht, das Nichtrauchgebot in der Gastronomie oder den Mund-Nasenschutz. Wir werden die jeweils aktuellen Corona-Warnschutzverordnungen im Blick halten und die Möglichkeiten anpassen: Gruppengröße, Abstand …

Corona hat die Menschen sensibilisiert – für Abstand und Hygiene, d.h. für soziale Gegebenheiten. Aber auch für die Schätze vor Ort: Die Naherholungsgebiete in und um Bergisch Gladbach, die heimischen Wochenmärkte mit lokalen Anbietern, die lokale Kunst und Kultur.

Das Kunstmuseum Villa Zanders. Foto: Thomas Merkenich

Künstler*innen in prekärer Lage

Angesichts von geschlossenen Theatern und leeren Konzertsälen wird vielen Menschen, bei denen Kunst und Kultur sonst nicht im Mittelpunkt stehen, dieser Bereich bewusst. Erstmals wird es zum gesellschaftlich diskutierten Thema, in welch z.T. prekären Strukturen Künstler*innen leben und arbeiten.

Und Kunst will gesehen, muss gehört und will ausgestellt und auch gekauft werden. Dieser Kreislauf ist jäh unterbrochen und es gilt jetzt, Solidargemeinschaften und Gemeinschaften Gleichinteressierter zusammenzuführen.

Erst die unterschiedlichen sozialen Gruppen zusammen ergeben eine lebenswerte Gesellschaft. Wir benötigen Künstler, Kreative, Querdenker (genauso wie ITler, Ärzte und Naturwissenschaftler) um nicht auf der Stelle zu treten und uns immer neue Fragen zu stellen oder auf tradierte Fragen neue Antworten zu finden.

Korrektiv, Motivator und Vorreiter

Gerade in einer Stadt von der Größe Bergisch Gladbachs – und mit diesem spannungsvollen Umland aus Metropole und ländlichem Gebiet – finden sich ideale Lebens- und Wachstumsmöglichkeiten für einen wirksamen Dialog: In Schulen und Kitas, auf dem Wochenmarkt und in der VHS, in Sportvereinen und nicht zuletzt im ADK oder Museum.

Kultur hat eine wichtige Bedeutung für eine Stadtgesellschaft. Nicht nur als Korrektiv, als Motivator und Vorreiter – sondern ganz stark auch als Sand im Getriebe, als Bremse oder Störfaktor. Kultur stellt zuweilen unbequeme Fragen und fordert Antworten und Positionen ein.

Das ist oft unbequem und polarisiert – hilft aber auch, Position zu beziehen und letztlich Klarheit zu gewinnen. Kunst will und kann nicht allen gefallen. Insofern polarisiert sie. Sie schafft es aber auch, sich Gehör zu verschaffen, wenn es darum geht, dass Freiheiten untergraben oder Grenzen überschritten werden. 

Kunst und Kultur haben die große Chance, den Finger in die Wunde zu legen, Augen zu öffnen und die Gedanken zu beflügeln. Insofern sind sie unabdingbar für eine Gesellschaft, die sich weiterentwickeln will – zum Wohl ihrer Menschen.

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