Die Bewältigung der Pandemie zeigt, wie wichtig es ist, sich globalen Problemen lokal entgegenzustellen. Und dass es möglich ist, schnell ungeheure Kräfte zu mobilisieren. Beides ist auch im Kampf gegen den Klimawandel nötig, sagt der Naturschützer Mark vom Hofe. Denn 2020 werde nicht nur durch Corona geprägt, sondern (schon wieder) durch eine Trockenheit. Ein Essay.

Seit nunmehr gut zwei Monaten beherrscht Corona die Schlagzeilen. Mit der Pandemie, die uns alle noch lange in Atem halten wird, gewinnen Zahlen immer mehr an Bedeutung. Unglaubliche Summen werden locker gemacht von der Bundes- und der Landesregierung, um allen, die wegen Corona auf Einnahmen verzichten müssen, einen Ausgleich zu schaffen: Ob durch direkte Zuschüsse oder kostengünstige Darlehen – Geld scheint unendlich zur Verfügung zu stehen. 

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Was Klima-, Umwelt- und Naturschützer äußerst nachdenklich stimmt! Nicht dass sie die Berechtigung der Hilfen in Gänze anzweifeln möchten (obwohl Prämien für den Kauf von Diesel-SUVs beispielsweise oder Milliarden für die Lufthansa dem Klimaschutz diametral entgegenstehen).

Mark vom Hofe

Ungeheure Summen, sehr schnell mobilisiert

Nein – es geht erst einmal um die Schnelligkeit, mit der binnen kürzester Zeit diese ungeheuren Summen bereit gestellt werden, verglichen mit dem Lamentieren und Verzögern jeglicher Beschlüsse und Investitionen, was Maßnahmen gegen den Klimawandel in den letzten Jahren angeht.

Wäre da nicht ein schwedisches Mädchen gewesen, das auch in Bergisch Gladbach letztes Jahr um die 3000 Menschen motiviert hat, für den Klimaschutz auf die Straße zu gehen, würde etwa ein so simples Thema wie wieder eine Baumschutzsatzung einzuführen, weiterhin ein Thema in weiter Ferne sein.

Ein Umdenken schien in den Köpfen angekommen zu sein, wenn auch außer Lippenbekenntnissen aus nahezu allen politischen Ecken an Konkretem relativ wenig auszumachen ist. 

Corona und Trockenheit: von Menschenhand verursacht

Dann kam Corona und mit ihm das trockene Frühjahr 2020 – eine Koinzidenz zweier katastrophaler Ereignisse, beide vermutlich von Menschenhand nicht unbedingt gemacht, aber langfristig verursacht.

Denn wenn sich nicht über viele Jahre das Klima weltweit so verändert hätte, weil alle Warnungen in den Wind geschlagen wurden, würde das Frühjahr 2020 wohl eher so zu erleben sein, wie es die Generationen unmittelbar vor uns erlebt haben: Zum Beispiel mit einem April, der macht, was er will und uns jedes Jahr mit mal Sonne, Wind, Regen, Schauern bediente.

Hinweis der Redaktion: In einer Serie von Essays befassen wir uns mit der Frage, welche Herausforderungen die Corona-Krise an die Stadtgesellschaft stellt, und wie es weiter gehen soll. Mittel und langfristig. Die bisherigen Beiträge von Christian Buchen, Klaus Hansen, Frank Stein und Martin Wiegelmann finden Sie auch ganz unten. Vorschläge für weitere Texte nehmen wir gerne an.

Das Vordringen in den letzten Zipfel der Welt, ihn urbar zu machen und Gewinne daraus zu erzielen, ohne die Auswirkungen etwa auf den Regenwald auch nur ansatzweise zu überlegen, sich dann aber zu wundern, wenn die aufgegebenen Urwälder auf einmal ihnen innewohnende Geheimnisse wie unbekannte Viren über dort lebende Tiere preisgeben, gegen die die Menschheit kein Mittel hat – das alles zusammen genommen, zeitigt nach einer gewissen Zeit seine Auswirkungen. 

Vor der eigenen Haustür umsichtig handeln

Schon sind sie wieder zu hören, die Stimmen, die sagen, dass mit lokalem Handeln, und sei es nur in NRW, der weltweite Klimawandel nicht aufzuhalten ist.

Wohl wahr – aber trotzdem ist es gerade mit lokalem Handeln möglich gewesen, das Corona-Virus im Vergleich mit anderen Staaten und Regionen stärker einzudämmen und die Zahl der Infizierten und erst der Toten erheblich zu verringern. 

Vor Ort, vor der eigenen Haustür verantwortungsvoll und umsichtig zu handeln, ganz im Kleinen, heißt, weltweite Entwicklungen zumindest mit dem eigenen Bewusstsein und dem eigenen Tun und Bestreben einzudämmen, sich dagegen zu stellen. 

Von Corona können deshalb die Regierenden im Bund, Land und in den Kommunen lernen: Menschen machen mit, wenn ihnen Sinn und Zweck klar sind.

Beschränkungen tun dem Klima gut

So traurig es ist: Aber das Frühjahr 2020 bietet Chancen, sich des Themas Klimawandel mit der gleichen Entschiedenheit zu widmen wie die weitere Ausbreitung des Corona-Virus zu verhindern.

Aufgrund der Ausgangsbeschränkungen und des sonnigen Wetters hat es die Menschen ab Mitte März hinaus in die Natur regelrecht „getrieben“: Aus Spaziergängen wurden Wanderungen durch das Bergische Land, aus Wochenendtrips ins nahe Holland Fahrradtouren an den Rhein.

Das Klima hat dies  dankend angenommen: Kaum noch Flugzeuge am Himmel, viel weniger Autos auch in den Spitzenzeiten unterwegs, weil auf einmal das vielfach in den Unternehmen und den Führungsetagen geschmähte Home Office plötzlich zur Bürotätigkeit der Zukunft wurde, keine Staus mehr, mehr Fahrradverkehr. 

Was undenkbar schien, ging auf einmal – natürlich nicht auf Dauer.

Der Forum-Park

Neu denken – konkret in Bergisch Gladbach

Aber gerade diese Erkenntnisse mit direkten Auswirkungen auf die Klimabilanz sind Chance und Auftrag zugleich, in diese Richtung zukünftige Planungen zu entwickeln: Sich trennen vom Gewohnten, sich abwenden von den bisherigen Vorstellungen, dass nur mit Wachstum die Zukunft zu gestalten ist.

Neu denken ist die Maxime, und das heißt konkret für die Beschäftigung mit dem Klimawandel allein in Bergisch Gladbach:

Wir brauchen Grünzonen und regionale Grünzüge, um flächendeckend in der Stadt und ihren Stadtteilen die Temperaturen zu senken, Frischluftschneisen ausweisen, Kaltluftentstehungsgebiete im bewaldeten Süden und Osten der Stadt fördern, ausdehnen, erweitern.

Wir müssen jegliches vorhandene Grün in der Stadt bewahren, nicht reduzieren, sondern ausweiten.

Dazu zählen Parks und Grünanlagen, die ihren Namen auch verdienen und nicht nur ein großer Kirmes-Parkplatz sind wie der Forum-Park mit unsinnigen Wasserspielen, die mit Natur und Ökologie nichts zu tun haben.

Dazu zählen auch die Friedhöfe, deren zukünftige freie Gräber mit Bäumen, Blumenwiesen, Hecken beibehalten werden müssen.

Dazu zählen die Gewässer in der Stadt, die breitere Uferrandstreifen benötigen, um niedrigere Temperaturen zu erzeugen.

Dazu zählen in den Siedlungen artenreiche Gärten mit Blühpflanzen, um Insekten und Vögeln Lebensraum zu bieten – jegliches Grün ist lebendiger als ein Schottergarten vor dem Haus.

Und noch eins dazu: Hecken bieten auch Sichtschutz, es müssen nicht Drahtzäune mit undurchsichtigem Plastik dahinter sein. Alle diese Maßnahmen lassen sich in Bebauungsplänen verankern oder bei der Baugenehmigung aufgeführt werden. 

Wir brauchen strukturreiche Wälder mit vorwiegend Laubhölzern, die tiefer wurzeln als die Nadelhölzer und deshalb auch an die noch Wasser führenden tieferen Bodenschichten gelangen.

Nach Auskunft des Landesbetriebs Wald und Holz NRW hat die Fichte unterhalb von 400 Metern Meereshöhe keine Überlebenschance – das heißt, Bergisch Gladbach mit dem Lerbacher Wald und dem Königsforst wird über kurz oder lang fichtenfrei sein. Und auch von den ausgepflanzten Weihnachtsbäumen im heimischen Garten werden wir uns alsbald verabschieden müssen. 

Foto: Klaus Hansen

Wir müssen die zukünftige Energie aus erneuerbaren Quellen gewinnen. Das größte Potential angesichts des Klimawandels und den damit verbundenen trockenen heißen Sommern bietet die Photovoltaik. Statt auf Erdgas und manchmal noch Heizöl zu setzen, sollte allen Baugenehmigungen, die zukünftig erteilt werden, eine Verpflichtung beiliegen, Sonnenenergie zu nutzen.

Bei den größeren Wohneinheiten, die seit einigen Jahren wieder vermehrt mit Flachdach und umlaufendem Dachgeschoss errichtet werden, bietet sich dies, gepaart mit Fassadenbegrünung, zwingend an. Das gilt auch für gewerbliche Hallen und Garagen.

Vorreiter hierbei sollten die Behörden sein – auf wie vielen Flachdächern ließe sich Entsprechendes unterbringen? Die zahlreichen Turnhallen, Feuerwehrgerätehäuser und etwa die IGP sind Beispiele, wo sich eine rasche Überprüfung lohnen würde. Die Investitionen würden sich perspektivisch gesehen mehr als lohnen, das Klima würde es danken. 

Die zur Verfügung stehende Fläche ist endlich. Umso wichtiger ist, Fläche einzusparen – was in Bergisch Gladbach an freien Flächen zur Verfügung steht, die ausschließlich als Parkraum genutzt werden, müsste schnellstens erhoben und Pläne entwickelt werden, was über den Parkplätzen an Baukörpern entstehen könnte: Wohnungen, Büroräume, Arztpraxen etc.

Auch das ist Klimaschutz – denn jede nicht baulich genutzte versiegelte Fläche schafft Grün, speichert Wasser, senkt die Temperatur, bietet Lebensraum. 

Im öffentlichen Raum müssen Bäume  gepflanzt und Bestehende geschützt werden. Bäumen spenden Schatten, speichern Wasser, sorgen für Sauerstoff, beleben Straßen und Plätze. Und sollten so gewählt werden, dass ihr Wert und ihre Funktion auch erkennbar sind und sich nicht als Alibigrün darstellt wie in der Fußgängerzone von Bergisch Gladbach. Deren Schatten ist mehr als begrenzt …

Gebraucht werden Geld und Entscheidungen

Diese Punkte aus dem beliebig erweiterbaren Katalog umzusetzen, erfordert Geld, vielleicht durch Förderprogramme und Zuschüsse, aber auch politische Entscheidungen, die den Menschen etwas abverlangen – wie beim Autofahren den Gurt anzulegen, den Parkschein zu ziehen, den Mund- und Nasenschutz anzulegen oder sich die Hände zu waschen. 

Im Vergleich mit den Milliarden, die gegenwärtig zur Bewältigung der Auswirkungen von Corona ausgegeben werden, sind das aber „peanuts“ – und sie sind zum Weiterbestand dieser Menschheit mindestens genauso wichtig.

Gegen den Klimawandel gibt es keinen Impfstoff

Gegen Corona gibt es vielleicht 2021 einen Impfstoff, gegen den Klimawandel müssen wir uns selbst helfen. Er aber hat den „Vorteil“, dass wir ihn sehen, ihn spüren, ihn mit allen Sinnen wahrnehmen.

Deshalb: Packen wir es an! Lokal, in Bergisch Gladbach und Umgebung. Auch das kleinste Handeln hilft mit, den Klimawandel zu verlangsamen! 

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war lange Zeit Redakteur beim WDR und ist Vorsitzender des (Rheinisch)-Bergischen Naturschutzvereins (RBN). Zudem ist er Vorsitzender des Naturschutzbeirats beim Rheinisch-Bergischen Kreis.

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2 Kommentare

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  1. Jede Weisheit hat etwas Wahres, Wahrscheinliches und evtl. auch Unwahres. Aber sicherlich trifft eines zu, ohne ein bedarfsgerechtes Wachstum gehört manches in das Reich der Träume. Schon gehört, Mercedes will 20000 Mitarbeiter freistellen. Viele werden folgen. Manche, welche heute glauben man könnte Wolken schieben und aus unserem Land eine grüne Oase machen sind selbst durch unsere Industriewirtschaft zu einem bürgerlichen Wohlstand gekommen. Wenn sie nun heute beabsichtigen alles was sie nach vorne brachte zurück zu bauen, dann erweisen sie den nachfolgenden Generationen keinen Dienst. Wie immer im Leben ist das Mittel meist sinnvoll.

  2. Von der Stadt Bergisch Gladbach sind in der Vergangenheit eine Reihe umweltzerstörender Fehler gemacht worden, die nicht wieder gutzumachen sind. Z. B.der Abwasserkanal am Amselweg, der eine Wasserader abgeschnitten hat, die die tieferliegenden Grundstücke mit Wasser versorgt hat.( durch den Sturm Kyrill sind viele , durch den Wassermangel geschwächte ,Bäume umgefallen)Außerdem wurden die Besitzer tiefergelegener Grundstücke, trotz gut funktionierender , privater Kläranlagen , gezwungen , Ihr Abwasser mit Elektropumpen in den höhergelegenen Kanal zu pumpen . Welch ein Irrsinn!