Margalit Moses war selbst in Geiselhaft und führte die Delegation aus Bergisch Gladbach durch den verwüsteten Kibbuz

Sehr schnell nach dem Terror-Angriff der Hamas auf Israel hatte sich in Bergisch Gladbach ein Solidaritätsverein gegründet, der vor allem dem schwer getroffenen Kibbuz Nir Oz zur Seite stehen will. Jetzt waren die Vorstandsmitglieder Petra Hemming und Roman Salyutov zum ersten Mal vor Ort und berichten hier von ihren Gesprächen und Eindrücken.

Wir veröffentlichen einen Beitrag des Solidaritätspartnerschaft Bergisch Gladbach – Nir Oz e. V.

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Der in kürzester Zeit und aus der Not heraus neugegründete Verein Solidaritätspartnerschaft Bergisch Gladbach – Nir Oz e. V. hat bereits nicht nur über 20.000 EUR durch seine Benefizveranstaltungen für die Menschen aus dem schwerst betroffenen Kibbuz Nir Oz gesammelt, sondern auch eine erste Reise nach Israel organisiert – mit dem Zweck, Überlebende kennenzulernen, Benefizaktionen zu organisieren, Unterstützer und Mitstreiter vor Ort zu treffen und auch erneut die unerschütterliche Solidarität mit Israel zum Ausdruck zu bringen.

Am 11. März flogen die Initiatoren und Vorstandsmitglieder Dr. Roman Salyutov und Petra Hemming nach Israel und setzen an drei Tagen – abzüglich der An- und Abreistage – ein intensives, eng getaktetes Programm um.    

Die israelische Fluggesellschaft EL AL bedient aus dem Bundesgebiet ununterbrochen die Linien von Frankfurt, München und Berlin nach Tel Aviv und befördert dabei kostenlos Gepäck, dessen Inhalt für humanitäre Zwecke in Israel bestimmt ist, was Hemming und Salyutov in Anspruch genommen haben.

In der NRW-Repräsentanz

Der erste Termin galt dem NRW Büro in Tel Aviv. Das Büro wurde 2020 eröffnet und ist die erste Repräsentanz eines Bundeslandes in Israel. Der Leiter ist Dr. Gil Yaron, ein enger Freund von Petra Hemming, die ihn seit seinen jungen Jahren kennt. Die Väter der beiden organisierten gemeinsam viele Projekte innerhalb der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf und standen am Anfang der Städtepartnerschaft Düsseldorf – Haifa.

Die Besprechung bei Gil Yaron, unter Mitwirkung seiner Mitarbeiterin Susanne Düwel, umfasste ein spezielles Projekt, das für die Menschen aus Nir Oz in Israel umgesetzt und aus den vom Land NRW dafür zur Verfügung gestellten Mitteln bezuschusst werden soll. Es geht um einen besonderen Garten auf einem gerade im Bau befindlichen Campus in der Stadt Kiryat Gat, wo die Überlebenden derzeit untergebracht sind, in dem sie ihr ländlich geprägtes Leben in Nir Oz nachgehen und in dieser Zeit, solange der Kibbuz nicht wiederaufgebaut ist, landwirtschaftlich aktiv werden können – und wo sie vor allem Gemüse anbauen können.

Dabei wird sich die Beteiligung des Nir Oz Vereins nicht nur auf die finanzielle Hilfe beschränken, sondern auch anderen Beistand im Sinne von Manpower und Equipment einschließen. Diese Initiative wird außerdem vom Landrat des Rheinisch-Bergischen Kreises Stephan Santelmann, der dabei auch tatkräftige Unterstützung zugesagt hat, sehr begrüßt.  Der zu errichtende Garten soll den Namen „Gan Yedidut“ – Garten der Freundschaft – tragen.

Die Deutsche Botschaft ist dabei

Am Nachmittag nahm sich der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Israel, Steffen Seibert, Zeit für Hemming und Salyutov. Sie stellten ihm nicht nur dieses konkrete Garten-Projekt dar, sondern beschrieben im Detail die Agenda des Vereins und konkrete Hilfsmaßnahmen, die in kurz – bis langfristiger Perspektive umgesetzt werden sollen. Dass daraus eine neue regionale und  breitgefächerte Partnerschaft – in diesem Fall zwischen Rhein-Berg und der Region Eschkol, zu der der Kibbuz Nir Oz gehört – entstehen wird, schien ihn besonders zu beeindrucken.

Er bedankte sich bei den Vorstandsmitgliedern des Nir Oz Vereins und betonte, dass er sich viel mehr solche weitreichenden Initiativen wünsche. Zum Austausch von entsprechenden Informationen wurde ein Kanal über Mitarbeiter der Botschaft vereinbart.

Mit Musik gegen den Terror

Am Abend fand in Ganey Tikva das Benefizkonzert für die Bewohner des Kibbuz Nir Oz statt, die in einer aus 25 Personen bestehenden Gruppe eigens mit einem Reisebus nach Ganey Tikva kamen.

Die musikalischen Verbindungen nach Ganey Tikva stellte Roman Salyutov noch 2018, als er mit Petra Hemming dort das Debüt seines deutsch-israelischen Yachad Chamaber Orchestra mit organisierte, her und tritt seitdem dort fast jedes Jahr mit seinen Musikerfreunden auf. 

Für dieses Konzert lud er den Geiger Ori Wissner Levy aus Tel Aviv, den Kantor Yonathan Levy Adler aus Jerusalem wie auch die junge Geigerin aus Nir Oz Dekel Goren ein, die infolge des Angriffs der palästinensischen Terroristen am 7. Oktober Waise wurde – ihre Eltern sind beide von den Hamas-Terroristen ermordet worden. Das Konzert war eine sehr willkommene Abwechslung vom Alltag der Überlebenden.

Nach dem Konzert, das von mehreren hunderten Menschen besucht wurde, wurde das sichtlich bewegte Publikum um Spenden für Nir Oz gebeten.

Besuch von Nir Oz

Die Menschen aus Nir Oz (108 Familien) sind derzeit in Carmei Gat, dem nördlichen Stadtteil der Stadt Kiryat Gat in einem Neubau-Komplex untergebracht. Dort werden sie vermutlich mindestens 2 Jahre bleiben, bis die Aufräume- und Aufbauarbeiten in ihrem Kibbuz nach dem Terroranschlag vom 7. Oktober 2023 abgeschlossen sind.

Margalit Moses, die selbst 45 Tage in der Hand der Hamas-Terroristen in Gaza gefangen war, zeigte Petra Hemming und Roman Salyutov die Bleibe der Kibbuz-Bewohner sowie das Gelände, auf dem der neue Campus entstehen wird, zu dem auch der erwähnte Garten der Freundschaft , den der Nir Oz Verein für die Menschen aus Nir Oz mit verwirklichen will, gehören wird.

Von Kiryat Gat führte der Weg weiter unmittelbar nach Nir Oz, in Begleitung von Margalit Moses, die übrigens sehr gut Deutsch spricht, wie auch den Mitarbeiterinnen des NRW-Büros in Tel Aviv Susanne Düwel und Anna Taube. Der Kibbuz ist noch militärisches Sperrgebiet, bewacht von den Soldaten der Israelischen Armee.

Margalit Moses erzählte auf der Autofahrt sehr offen von ihren Erlebnissen in der Gefangenschaft in den Tunneln der Hamas. Während des Rundgangs war unentwegt Artilleriefeuer zu hören – der Gaza-Streifen liegt ja nur weniger hundert Meter entfernt. „Wenn vorher keine Sirene zu hören ist, sind wir das. Kein Grund zur Sorge“.

Die Terroristen der Hamas zerstörten und verbrannten viele Häuser vollständig und machten sie unbewohnbar gemacht. Das Haus von Margalit Moses wurde nicht in Brand gesetzt, aber völlig verwüstet, bevor sie entführt wurde.

Es sieht momentan wie eine Geisterstadt aus, aber einzelne Familien kommen langsam zurück, um tagsüber die Ruinen ihrer Häuser aufzuräumen. Die Zeit scheint an diesem Ort wie stehengeblieben, trotz des aufziehenden Frühlings mit seinem bunten Farben und Naturstimmen.

Regionalverwaltung Eschkol

Der Termin mit der Leitung der Region Eschkol fand im Sicherheitsbereich in der Verwaltung statt. Dorthin mussten sich die Mirtarbeiter nach dem 7. Oktober 2023 zurückziehen. Der Landrat Gadi Yarkoni selbst war zu einer kurzfristig angesetzten Sitzung beim Premierminister Benjamin Netanjahu  in Jerusalem, sodass die Delegation um Hemming und Salyutov vom Sicherheitschef der Region, Ilan Isiksson empfangen wurde. In einer Powerpoint Präsentation erläuterte er Einzelheiten zur Vorgehensweise der palästinensischen Terroristen am 7.10.2023 und den verheerenden Angriff auf die Kibbuzim der Region.

Die Repräsentanten des Nir Oz Vereins überreichten ihm einen Brief vom Landrat Stephan Santelmann an seinen Amtskollegen Gadi Yarkoni und stellten ihm das Projekt des Campus-Gartens vor.

Ilan Isiksson bedankte sich im Namen der Verwaltung der Region Eschkol für die Unterstützung und die Idee zu einer langfristigen Partnerschaft mit der Region. Er betonte dabei, dass eines der Ziele der Terroristen gewesen sei, so viel Schrecken und Zerstörung zu hinterlassen, dass die Leute nie mehr hierkommen würden. Und somit stelle unsere Zusammenarbeit beim Aufbau der zerstörten Ortschaften schon einen Sieg dar. Auf diesem Wege versicherten ihm Petra Hemming und Roman Salyutov ihre unerschüttliche Solidarität und Unterstützung.

Die Mitgliederzahl des Solidaritätspartnerschaft Bergisch Gladbach – Nir Oz e. V. wächst buchstäblich von Tag zu Tag, es schließen sich Leute aus dem ganzen Bundesgebiet an, Benefizveranstaltungen – vor allem Konzerte – werden in verschiedenen Städten organisiert, und viele wollen sich auch nicht nur durch Spenden, sondern auch persönlich vor Ort einbringen. All das wird vom Verein koordiniert und optimiert.

Schon im Mai fliegt Salyutov wieder nach Israel und wird sich vor Ort in Nir Oz engagieren – ob im landwirtschaftlichen Bereich oder bei den Aufräumearbeiten, wo auch immer er gebraucht wird. Da dürfte man schon jetzt auf neue Erkenntnisse gespannt sein.

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2 Kommentare

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  1. @Christian-Andreas.
    Vielen Dank für Ihre Frage!
    Das Thema der Verantwortung der Regierung – und nicht nur des Premierministers selbst – haben wir in einigen Gesprächen angeschnitten. Und nicht nur in Gesprächen mit den Menschen aus Nir Oz, sondern auch mit anderen – Freunden oder Familienmitgliedern. Ich habe zum Beispiel in Israel Verwandte aus ganz unterschiedlichen Spektren der Gesellschaft – von säkular bis streng orthodox, und die Meisten davon haben traditionell für die Likud-Partei gestimmt und zu Benjamin Netanjahu gestanden.
    Tatsächlich scheint diese Frage jetzt nicht prioritär zu sein, denn es ist erstmal Krieg, der zu Ende geführt werden muss – bis zur kompletten Vernichtung der Hamas in Gaza, und darüber sind sich alle, mit denen wir gesprochen haben, einig. In der Zeit danach wird es – muss es – eine detaillierte Auseinandersetzung damit geben, warum es am 7. Oktober so ergangen ist, worüber sich alle auch einig sind. Aber keiner hält es für eine wirklich gute Idee, dem Ministerpräsidenten jetzt im Krieg durch permanente Vorwürfe in den Rücken zu fallen, weil dies gerade kontraproduktiv ist. Keiner außer ihm kann derzeit diesen wahnsinng schwierigen außenpolitischen Spagat zwischen verschiedenen internationalen Mitspielern halten und die sicherheitspolitischen Interessen Israels verteidigen – und diesbezüglich auch dem US-Präsidenten mal Nein sagen. Es kommt die Zeit danach, und da wird sich mit der Frage nach der Verantwortung beschäftigt, wie es nach dem Yom Kippur Krieg 1973 war. Aber solange der Krieg ist, ist die Geschlossenheit der Gesellschaft mitentscheidend. Dies wäre also Summa Summarum aus unseren Gesprächen mit verschiedenen Menschen während unserer Reise.

  2. Benjamin Netanjahu ist laut Medienberichten als politische Person in Israel umstritten, da hier die Regierungen dort sehr stark an Fragen der Sicherheit gemessen würden und diese am 7.10.2023 ganz offenkundig nicht gewährleistet war.
    Konnte die Delegation hiervon etwas wahrnehmen?