DRK-Einsatzleiter Steffen Schmidt (links) inspiziert die Betten für die Flüchtlinge in der Halle im Bergisch Gladbacher Ortsteil Sand

Ein historisches Bild: DRK-Einsatzleiter Steffen Schmidt inspiziert am 24.7.2015 die hastig aufgestellten Betten in der Turnhalle in Sand

Die Bezirksregierung wird die Notunterkünfte in den Sporthallen in Sand und in der Feldstraße in Heidkamp zum 30. Juni zurückgeben. Gleichzeitig kommen vorerst keine weiteren Flüchtlinge nach Bergisch Gladbach, was der Stadt die Chance auf eine Neuordnung der Unterkünfte gibt: Die Turnhalle in Sand und womöglich auch die Sporthalle der KGS Refrath sollen wieder den Schulen und Vereinen zur Verfügung gestellt werden. Für die Dreifachturnhalle des Berufkollegs in der Feldstraße gibt es allerdings andere Pläne.

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Seit Jahresbeginn hat es in der Flüchtlingssituation in NRW einige Änderungen gegeben. Erstens hatte das Land festgestellt, dass neun Großstädte viel weniger Flüchtlinge aufgenommen hatte, als ihnen aufgrund ihrer Einwohnerzahl eigentlich zusteht und – daraufhin die Zuweisung in Kommunen eingestellt, die ihr Soll erfüllt hatten. Gleichzeitig erhöhte das Land die Kapazitäten der eigenen Unterkünfte drastisch.

Zahl der Flüchtlinge stagniert bei 1600 – derzeit

Das hat für Bergisch Gladbach zwei Folgen. Zum einen weist das Land seit Ende Januar keine neuen Flüchtlinge mehr zu, die Gesamtzahl stagniert bei 1600 Personen, bei einigen Abgängen und einigen Zugängen aufgrund von Familienzusammenführungen. Dieses Moratorium hält wenigstens bis Ende März an, womöglich aber auch bis Ende April.

Zum anderen löst das Land nach und nach die Notunterkünfte in den Kommunen auf. Das hatte Düsseldorf bereits im Dezember angekündigt und in den Städten angefragt, ob sie ihre Turnhallen lieber gleich oder erst später zurückgeben wollen.

Große Unterkünfte in Bergisch Gladbach. Zudem wurden rund 80 Wohnungen gemietet.

Große Unterkünfte in Bergisch Gladbach. Zudem wurden rund 80 Wohnungen gemietet.

Erstaufnahmen sind ein gutes Geschäft

Bergisch Gladbach hatte sich für den letzten möglichen Termin entschieden, für den 30.6.2016. Der Hintergrund: die Notunterkünfte sind für die Städte verglichen mit den Regelzuweisungen ein gutes Geschäft: weil die Kosten komplett vom Land übernommen und die Plätze auf die allgemeine Zuweisungsquote angerechnet werden.

Dieser Wunschtermin wurde jetzt bestätigt, was Bürgermeister Lutz Urbach, Fachbereichsleiterin Beate Schlich, zuständig für Soziales, und Sport- und Schul-Fachbereichsleiter Dettlef Rockenberg in einer Pressemitteilung ausdrücklich begrüßen – und den Vereinen sowie Schulen Hoffnung machen.

„Wir haben insbesondere von den Sportvereinen das deutliche Signal erhalten, dass die Turnhallen wieder zur Verfügung stehen sollen“, sagt Rockenberg. Vereine wie der DJK-SSV Ommerborn-Sand klagen seit längerem über den Rückgang von Mitgliederzahlen, viele Sportler mussten Wege in andere Hallen und ungünstige Trainingszeiten in Kaufnehmen. Jetzt sieht die Stadt zum ersten Mal die Chance, den Schulen und Vereinen entgegen zu gehen.

Turnhallen in Sand und Refrath sollen frei werden – Feldstraße nicht

Konkret will die Verwaltung die Turnhalle in Sand nach den Sommerferien wieder freigeben. Allerdings wird nach der Räumung der Halle zunächst geprüft, ob der (derzeit abgedeckte) Boden gelitten hat und andere Reparaturen notwendig sein. Die ohnehin vorgesehene Grundsanierung der Halle in Sand kommt erst 2017, wenn die dafür vorgesehenen Gelder frei werden.

Auch die kleine Turnhalle der KGS Refrath in der Schwerfelstraße will die Verwaltung im Prinzip möglichst rasch wieder für den Schul- und Vereinssport freigeben. Dafür gibt es aber noch keinen konkreten Termin; zunächst soll abgewartet werden, wie sich die Flüchtlingszahlen in den nächsten Monaten entwickeln. Eine Freigabe vor den Sommerferien ist daher unwahrscheinlich.

Die Sporthalle des Berufkollegs an der Feldstraße in Bergisch Gladbach soll bis zu 250 Flüchtlinge aufnehmen

Die Sporthalle des Berufkollegs an der Feldstraße

Die große Dreifachturnhalle in der Feldstraße, die von der Berufsschule und von Vereinen genutzt worden war, will die Verwaltung dagegen weiterhin als Flüchtlingsunterkunft nutzen. Zum 30.6. wird sich hier nur die Bezeichnung ändern: aus der Notunterkunft im Auftrag des Landes wird eine Regelunterkunft der Stadt.

Für diese Entscheidung gibt es zwei Gründe. Selbst wenn sich die Zuweisungszahlen nur moderat entwickeln fehlen der Stadt eigene Unterbringungsmöglichkeiten. Zudem hat sie (auf Landeskosten) die Halle aufwendig mit festen Trennwänden zu einer Flüchtlingsunterkunft mit einem relativ guten Standard ausgebaut. Auf jeden Fall deutlich besser als die Verhältnisse in den Leichtbauhallen in Katterbach.

Stadt rechnet mit 1000 weiteren Flüchtlingen – und mehr

Nach wie vor geht die Stadt davon aus, dass in diesem Jahr insgesamt 1000 oder mehr Flüchtlinge neu nach Bergisch Gladbach kommen. Eine Prognose, die nach wie vor plausibel ist. Selbst wenn das Land erst im Mai die Zuweisungen wieder aufnimmt und pro Woche „nur” 30 Menschen nach Bergisch Gladbach schickt, summiert sich das auf 1050.

Eine Rechnung mit sehr vielen Unbekannten; denn niemand kann voraussagen, wie sich die deutsche und die europäische Flüchtlingspolitik entwickelt, wie die Menschen auf der Flucht reagieren und ob die Rückführung von Personen ohne Bleibeperspektive auf den Westbalkan oder nach Nordafrika in Gang kommt.

Zwar bringt die Stadt derzeit 1614 Flüchtlinge in Turnhallen, Leichtbauhallen, ehemaligen Hotels, Containern und immer mehr angemieteten Wohnungen unter und hat sogar noch eine Kapazitätsreserve: 180 freie Plätze hat Bürgermeister Urbach gerade im Rahmen seiner angekündigten Kraftprobe an die Bezirksregierung gemeldet; rund 100 davon in den Hallen in Katterbach.

In Paffrath sind die Fundamente für die L-Anlagen fertig, die Module stehen bereit

In Paffrath sind die Fundamente für die L-Anlagen fertig, die Module stehen bereit

Neue große und sehr große Unterkünfte: Heidkamp, Paffrath, Lückerath

Zudem baut die Stadt neue Unterkünfte Schritt für Schritt auf:

  • Am 1. April wird ein Neubau an der Bensberger Straße in Heidkamp mit 18 Wohnungen ganz mit Flüchtlingen belegt.
  • Im April soll die Containeranlage hinter der IGP mit bis zu 200 Plätzen komplett fertig gestellt sein, die Bauarbeiten liegen im Zeitplan. Den eigentlich schon für Februar geplanten Bezugstermin hatte die Stadt aufgeschoben, um den Flüchtlingen und dem Betreiber DRK den Baustellen-Dreck zu ersparen.
  • Das Containerdorf an der Bensberger Straße in Lückerath (300 statt zunächst geplant 500 Plätze) soll trotz zusätzlicher Sicherheitsvorkehrungen (wegen Bodenkontamination) fristgerecht fertiggestellt werden. Die ersten Module sind demnach im Juli bezugsfertig, die gesamte Anlage aufgrund der Liefertermine der Container aber erst im November. Wenn möglich will die Stadt auch hier erst nach Fertigstellung die ersten Menschen einquartieren.

In diesen relativ hochwertigen Wohnraum mit Rückzugs- und Kochmöglichkeiten bringt die Stadt vor allem Familien und Frauen mit Kindern unter. Was allerdings den Nachteil hat, dass in Katterbach, aber auch im Haus Pohle, vor allem alleinstehende Männer zurückbleiben. Ein Dilemma, das die Verwaltung noch nicht lösen konnte.

Gleichzeitig sucht die eigens eingerichtete Task Force weiter dringend nach privatem Wohnraum und auch nach weiteren Grundstücken für zusätzliche Camps. Auch wenn keiner genaue Zahlen hat muss die Stadt davon ausgehen, dass schon im Spätsommer die neuen Einrichtungen voll belegt sind.

Daher geht die Stadt kein Risiko ein und wird sowohl die Leichtbauhallen in Katterbach als auch die Turnhalle in der Feldstraße vorerst weiter für Flüchtlinge vorhalten.

„Uns allen ist der 24. Juli 2015 noch in Erinnerung”

Klar ist aber auch, dass mit der Rückgabe der Turnhalle in Sand eine besonders bewegende Etappe in der Stadtgeschichte beendet wird. Vor diesem Hintergrund bedankt sich Fachbereichsleiterin Beate Schlich vor allem für die starke Unterstützung durch das Deutsche Rote Kreuz.

Lutz Urbach und Ingeborg Schmidt informieren über die Flüchtlingssituation in Bergisch Gladbach Sand, Kirche St. Severin

Urbach und Ingeborg Schmidt (DRK) bei der 1. Bürgerversammlung in Sand

Bürgermeister Lutz Urbach schließt sich an:

„Uns allen ist der 24. Juli 2015 noch in Erinnerung, als wir mit 32 Stunden Vorlauf diese Unterkunft geschaffen haben.

Keinem war bewusst, dass es der Beginn einer noch intensiveren Zuflucht nach Deutschland war. Aber das Wohl der Menschen, die zu uns kamen, war uns sehr wichtig. Daher haben alle Akteure optimale Arbeit geleistet.“

Journalist, Volkswirt und Gründer des Bürgerportals. Mail: gwatzlawek@in-gl.de.

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