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Vor dem Marktkauf soll das Stadthaus auf dem Kopfgrundstück gebaut werden; aber auch auf dem Areal parallel zu den Gleisen links, bis auf die Höhe des Theas

Lutz Urbach hat lange und gründlich rechnen lassen, jetzt liegt ein klares Ergebnis auf dem Tisch: Der Neubau eines richtig großen Stadthauses am S-Bahnhof ist deutlich günstiger als die Sanierung der alten Verwaltungsbauten am Markt – und bietet Bergisch Gladbach „eine einmalige historische Chance”, sagte der Bürgermeister am Dienstag in einem Pressegespräch.

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Der Kreis hat als Aufsichtsbehörde Zustimmung signalisiert, die Planung ist eng mit der Landesregierung abgesprochen, selbst der Bund der Steuerzahler ist involviert, der Stadtrat von Anfang über eine Lenkungsgruppe eingebunden; damit steht einer grundsätzlichen Neuordnung der städtischen Gebäude in der Innenstadt kaum noch etwas entgegen:

Am Bahnhof soll im großen Stil neu gebaut werden, die maroden Stadthäuser am Markt sowie an der Gohrsmühle und die Stadtbücherei am Forum werden abgerissen – und machen Platz für neue Projekte in der Innenstadt.

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Gestaltungspotenzial: Die maroden Stadthäuser an der Gohrsmühle und Konrad-Adenauer-Platz (Bildmitte) weichen. Foto: BergischSchön

Auf rund 27 Millionen Euro hatten Experten den Neubau an der Johann-Wilhelm-Lindlar Straße / Jakobstraße schon vor einem Jahr taxiert, der moderne Arbeitsplätze für 400 Stadtbedienstete bietet. Alle andere Varianten – von Sanierung der Altbauten über einen Teilneubau bis hin zum Umzug auf das Zandersgelände – seien um mindestens 13 Millionen Euro teurer gewesen, sagte Ko-Dezernent Bernd Martmann, der bei dem Projekt die Feder führt.

Das Ergebnis hatte die Stadt bereits im April 2015 verkündet, nach vielen weiteren Beratungen und Berechnungen soll der Stadtrat das Projekt jetzt auf’s Gleis setzen. Details zu den Varianten und Berechnungen enthält der Abschlussbericht der VDB Beratungsgesellschaft für Behörden auf den Seiten 8ff (Dokumentation siehe unten).

Deutlich mehr als 27 Millionen für das Gesamtprojekt

Tatsächlich wird auch der Neubau deutlich mehr als 27 Millionen Euro verschlingen, denn bislang wurde für den Vergleich der Varianten nur berechnet, was Büroräume für 400 Personen in den verschiedensten Varianten kosten würden.

Hinzu kommen die Ausgaben für die Gewerberäume, die ebenfalls untergebracht werden sollen, sowie für die benötigten Parkplätze. Allein die Räume der Stadtbücherei werden rund fünf Millionen Euro kosten, schätzt Martmann. Eine Gesamtsumme kann und will derzeit niemand nennen.

Lesen Sie mehr: Alle Beiträge zum Stadthaus seit 2013

Die konkrete Planung beginnt erst nach der Zustimmung des Stadtrates; dazu gehören dann auch eine Verkehrsuntersuchung, Auswirkungen auf das Laurentiusviertel, die Aufstellung eines Bebauungsplans, die Planung für den Neubau und seine Ausschreibung sowie Konzepte für die Nutzung der frei werdenden Grundstücke.

Allerdings ist der Stadtrat schon lange in Form einer Lenkungsgruppe einbezogen und wurde vorab informiert; formal berät der Haupt- und Finanzausschuss die Pläne am 8. Dezember, der Stadtrat am 13. Dezember. An einer Zustimmung zur Richtungsentscheidung „Neubau am S-Bahnhof” besteht daher kaum ein Zweifel.

Immerhin sprechen für das Projekt eine ganze Reihe von Gründen, die das abgegriffene Schlagwort „historische Chance” in diesem Fall tatsächlich zu rechtfertigen scheinen.

Besondere Wirtschaftlichkeit

Die Stadthäuser am Markt und auch die Stadtbücherei stammen aus den 60er Jahren, sind in einem sehr schlechten Zustand, verbrauchen Unmengen von Energie. Selbst nach einer teuren Sanierung erfüllen sie nicht die Ansprüche, die man an Büroarbeitsplätze der Zukunft stellen würde.

Alleine die Sanierung der Stadtbücherei würde 3,5 Millionen kosten; zudem gibt es hier ein Grundwasserproblem, für das die Stadt bislang keine Lösung gefunden hat.

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Plattenbau aus en 60ern: Eine Sanierung der Stadtbücherei kostet mehr als 3,5 Millionen Euro; das Grundwasserproblem wäre damit immer noch nicht gelöst

Da die Stadt Bergisch Gladbach überschuldet ist muss sie das Projekt außerhalb des sogenannten Kreditdeckels finanzieren. Was sie an Krediten aufnehmen darf, hat sie ohnehin schon für die Schulsanierung ausgeschöpft. Damit das Sonderprojekt Stadthaus genehmigt wird, muss die Verwaltung eine besondere Wirtschaftlichkeit nachweisen.

Diese Hausaufgaben hat sie nun erfüllt, die Berechnungen wurden von der Beratungsgesellschaft für Behörden mbH (VBD) in Köln durchgeführt, die mit solchen Projekten Erfahrung hat.

Damit hat die Stadt die Chance, langfristige Investitionskredite zu extrem niedrigen Zinssätzen aufzunehmen, da sie selbst als Investor auftritt. Er habe Angebot mit Zinsen mit einer eins vor dem Komma in Aussicht, sagte Stadtkämmerer Jürgen Mumdey.

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Das Grundstück am S-Bahnhof gehört seit acht Jahren der Stadt, der Parkplatz wurde provisorisch eingerichtet.

Chancen für den Städtebau

Mit dem 4400 Quadratmeter großen Grundstück am S-Bahnhof, dass die Stadt schon vor acht Jahren für 1,5 Millionen Euro von der Deutschen Bahn gekauft hatte, bekommt Bergisch Gladbach die Chance, dieses Eingangstor zur Innenstadt städtebaulich zu prägen und gleichzeitig die Verbindung zwischen Fußgängerzone und das noch nicht entwickelte Areal jenseits der Jakobstraße (Köttgen- und Cox-Gelände) zu verbinden. Hier ist nach wie vor eine Mischform von Gewerbe und Wohnen geplant.

Das neue Stadthaus selbst wird den Parkplatz am Ende der S-Bahngleise (Kopfgrundstück) einnehmen, sich aber in L-Form auch auf dem Streifen zwischen Schienen und Jakobstraße hinziehen – etwas bis auf die Höhe des Theas-Theaters. Auch dieses rund 35 Meter breite Grundstück gehört der Stadt; bis zum Firmengelände von G+H. Die restliche Fläche könnte anschließend vermarktet und ebenfalls eine Mischung von Wohnen und Gewerbe aufnehmen.

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Blick in die Gegenrichtung: Entlang der Gleise soll sich der Seitenflügel des Stadthauses bis zum Theas (links) ziehen. Und es bleibt noch Platz für weitere Projekte

Im Erdgeschoss des Stadthauses könnte neben dem Bürgerbüro ein Fahrgastcenter untergebracht werden, zudem soll dort eine (Außen-)Gastronomie Platz finden, die auch als Kantine dienen soll.

Durch die Aufwertung der S-Bahn-Linie durch ein zweites Gleis und die geplante Taktverdichtung, so Stadtbaurat Harald Flügge, werde das ganze Gebiet noch attraktiver und biete damit sehr viel Gestaltungspotenzial. Mit einem qualitativ hochwertigen eigenen Bauprojekt könnte die Stadt den Standard setzen und das gesamte Bahnhofsviertel aufwerten.

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Marodes Objekt in guter Lage: Nach dem Abriss des Stadthauses Konrad-Adenauer-Platz (Mitte) könnte hier ein Kino gebaut werden, mit Wohnungen in den oberen Etagen

Das gleiche gilt für die frei werdenden Grundstücke in der Innenstadt. Nach dem Abriss des Stadthauses könnte dort unter anderem ein Kino gebaut werden. Helmut Brunotte, Betreiber des Cineplex-Kinos in Bensberg, habe Interesse bekundet; ebenso wie weitere Investoren, bestätigt die Stadtverwaltung. In den oberen Etagen, direkt gegenüber der Villa Zanders (und des neuen Kreisverkehrs Schnabelsmühle) könne er sich auch Wohnungen vorstellen, sagt Stadtbaurat Flügge.

Das Stadthaus „Hauptstraße 192″ an der Ecke zum Konrad-Adenauer-Platz ist ohnehin nur angemietet; hier ist die VR Bank (die gerade die Volksbank Rhein-Wupper geschluckt hat) seit einem Jahr Eigentümerin und jetzt selbst am Zug.

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Das Bürohaus an der Ecke zur Hauptstraße ist angemietet und gehört inzwischen der VR Bank

Für das Gelände der Stadtbücherei, direkt neben dem gerade neu gestalteten Forumpark, gebe es noch keine Pläne.

Arbeitnehmerfreundliche Arbeitsplätze

Nicht zuletzt für die Stadtbediensteten selbst erhofft sich Bürgermeister Urbach eine deutliche Verbesserung. Sie müssten schon seit Jahren in zum Teil unzumutbaren und beengten Verhältnissen arbeiten. Bis auf das Rathaus in Bensberg verfügt die Stadtverwaltung nur über Gebäude, die eigentlich für andere Zwecke konzipiert worden wurden.  So waren die beiden Stadthäuser 1967 bzw. 1981 von der Kreisverwaltung und dem Land NRW gekauft worden.

Der Neubau eröffnet nun die Chancen, moderne und zukunftssichere Arbeitsplätze zu schaffen. Unter anderem sind Besprechungsräume und Kommunikationszonen vorgesehen. Die für die Stadtverwaltung zur Verfügung stehende Fläche soll jedoch nur moderat von aktuell 7250 auf 7633 Quadratmeter wachsen.

Lutz Urbach

Lutz Urbach arbeitet in einem großzügigen Büro im historischen Rathaus, würde aber gerne noch vor Ende seiner Amtszeit ins ein neues Stadthaus ziehen

Urbach freut sich auf den Umzug 2020

Hier sollen künftig alle städtischen Bedienstete aus den Stadthäusern Gohrsmühle und Konrad-Adenauer-Platz, dem Bürohaus Hauptstraße 192 arbeiten; außerdem das Bürgermeisterbüro.

Unabhängig davon verfügt die Stadt über das Rathaus Bensberg sowie das gerade bezogene Gustav-Lübbe-Haus in Heidkamp.

Bürgermeister Urbach freut sich schon jetzt, mit seiner Mannschaft in das neue Stadthaus einziehen zu können. Seine Amtszeit läuft zwar 2020 aus – aber das will er noch schaffen. Das sei auch realistisch, sagt Projektleiter Martmann: jetzt werde man noch eine ganze Weile für die Vorbereitung brauchen, aber 2018 sollte der erste Spatenstich erfolgen; nach 24 Monaten Bauzeit müsste das Stadthaus dann 2020 bezugsfertig sein.

Dokumentation: Berechnung der Wirtschaftlichkeit

Dokumentation: Beschlussvorlage

CDU pocht bei Stadthaus auf Kostendisziplin

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Journalist, Volkswirt und Gründer des Bürgerportals. Mail: gwatzlawek@in-gl.de.

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4 Kommentare

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  1. Aus meiner Sicht mehrere Chancen.
    1. Wir können uns aus meiner Sicht von hässlichen Bausünden zu befreien.
    2. Je nach Konzept für die Bebauung der freigewordenen Flächen auch wieder Leben nach Geschäftsschluss in die Stadt bringen.
    3. Am Standort der Stadtbibliothek muss etwas entstehen, was dass Laurentiusviertel wiederbelebt.
    Und bitte, nicht wieder eine Bebauung kopieren die es in x beliebigen Städten gibt.
    Es sollte etwas sein, was Bergisch Gladbach von anderen Städte hervorhebt.

  2. Beispiel Stadtbücherei:
    Die Kosten für eine neue Stadtbücherei sollen laut diesem Bericht mindestens 5 Millionen betragen. Die Sanierung würde angeblich 3,5 Millionen kosten, was eine Einsparung von 1,5 Millionen bedeuten würde. Also Sanierung billiger als Neubau! Eine einfache Rechnung, die der Euphorie des angepeilten Neubaus Hohn spricht. Vor allem aber liegt bisher noch keine Untersuchung über die Benachteiligung des Laurentiusviertels vor, wenn entscheidende Teile der Stadt weiter nach Westen verlagert werden. Siehe auch meinen Artikel „Eine Lanze für die Stadtbücherei“! Man sollte also wirklich genau überlegen, ob durch riesige Neubauten nicht nur personelle Denkmäler gesetzt werden.

  3. Das Neue Stadthaus ist Chance und Verpflichtung in die Zukunft zu weisen, auch energetisch!

    Liebe Mitbürger, was will Bergisch Gladbach sein? Mit dem Stadthaus bringen wir als Stadt zum Ausdruck, wie wir uns verstehen. Als Teil einer Metropolregion, die weiterhin wächst, muss dieses Gebäude in die Zukunft weisen. Dazu gehört insbesondere, dass es in Bau und Betrieb den ökologischen Standards des 21. Jahrhunderts entspricht und das kann angesichts des Klimawandels nur eines bedeuten: Ökologische Passivhausbauweise ! In Bayern scheint der Standard im Verwaltungsbau seit 2011 Standard zu sein und wir sollten es uns nicht nehmen lassen diesen unverzichtbaren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, aus vielerlei Gründen (https://www.stmi.bayern.de/assets/stmi/buw/bauthemen/iic1_gebaeude_und_energie_buerogebaeudeleitfaden_20130312.pdf). Klug geplante Passivhäuser sind unwesentlich teurer und amortisieren sich in übersichtlichen Zeiträumen. Es ist auch Teil der Landespolitik als Energieland Nr.1 eine solche Entwicklung zu unterstützen. In den veröffentlichten Berichten ist das Thema aber nicht sichtbar adressiert. Bevor also bald alles schon beschlossen ist, gehört dies umgehend ins Pflichtenheft der Planung!