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Unsere neuen Buchtipps handeln von ungewohnten Perspektiven, von einem Mädchen, das über Nacht rote Haare bekommt und von der archaischen Welt studentischer Elite-Clubs.
Henning Sußebach: Deutschland ab vom Wege.
Rowohlt 2017, € 19,95
„Mir stand eine Expedition in eine naheliegende Ferne jenseits der Seitenstreifen bevor,
auf einem unentdeckten Kontinent gleich nebenan.“
Reisejournalismus – zunächst denkt man bei diesem Stichwort wahrscheinlich an Berichte über unwirtliche Touren in fernen Ländern. Doch es gibt auch Bücher, die eher unspektakulär erscheinende Reiserouten beschreiben. Mal sind sie unterhaltsam, mal witzig, mal kontemplativ. Nun hat Henning Sußebach, ein Redakteur der Zeit, einen Reisebericht geschrieben über eine außergewöhnliche Wanderung durch Deutschland.
Von der Ostseeküste ging es querfeldein bis zur Zugspitze. „Querfeldein“ ist hier wörtlich gemeint, denn das Besondere an dieser Wanderung ist die Vorgabe, nicht auf asphaltierten und versiegelten Flächen zu gehen. Der moderne Mensch bewegt sich fast ausschließlich auf dieser Fläche, die aber nur 6,2 Prozent der Gesamtfläche Deutschlands ausmacht, so Sußebach. Der übergroße andere Teil, nicht betoniert, nicht versiegelt, nicht asphaltiert, wird zur Fortbewegung kaum einmal betreten und ist daher terra incognita.
Sußebach gelingt eine lesenswerte Reportage, die scheinbar unauffällige Winkel ganz nah beleuchtet und in ausgesprochen poetischer Weise mit dem geschulten Blick eines aufmerksamen Beobachters präsentiert. Lesenswert und aufschlussreich ist dieses Buch vor allem durch den Perspektivwechsel, den der Autor unternimmt.
Denn indem er sich zu Fuß abseits der gewohnten Pfade bewegt, sieht er Dinge, die wir als technisierte Passanten nicht wahrnehmen. Straßen werden konsequent gequert, ihnen wird nicht gefolgt.
Dies führt bereits am zweiten Tag zu Problemen, als Landesstraßen und Schnellzugstrecken auftauchen. Probleme, die Wildtiere deutlich zu spüren bekommen: Bei einigen Arten liegt die „Sterblichkeit durch Straßenverkehr“ bei 50 Prozent, nicht zu sprechen von der „Verkammerung der Landschaft“, die die Reviere so stark einengt, dass es Inzucht bei Rehen gibt.
„Ich war nie zuvor in diesem Dorf gewesen, wenn doch, musste ich mit den ortsüblichen fünfzig Stundenkilometern hindurchgefahren sein und in weniger als einer Sekunde ein Haus passiert haben, das dünn und flach wie eine Attrappe blieb, in dem sich jetzt aber die Zeit dehnte, zu einem Abend und einer Nacht, darin zwei Menschen, die Minute für Minute mehr Facetten bekamen.“
Notwendige Rastpunkte und Übernachtungsgelegenheiten tauchen genauso ungeplant am Horizont auf wie fremde Menschen, die dem Wanderer Unterkunft und Einblick in ihr Privates gewähren. Dabei kommt auch das Politische nicht zu kurz. Klassische Modernisierungsverlierer vom Land sprechen über ihre Nöte, die von Entscheidungen aus der Stadt resultieren, dort aber kaum wahrgenommen werden.
Ergebnis dieser Wanderung ab vom Wege ist ein wunderbares Buch, das den Leser einlädt, Selbstverständliches zu hinterfragen und sich neuen Denkwegen zu öffnen.
Valija Zinck: Penelop und der funkenrote Zauber.
Fischer KJB 2017, € 12,99
Penelop ist ein fröhliches Mädchen mit grauen Haaren, die immer ein wenig nach Rauch riechen. Sie lebt mit ihrer Mutter und der Katze Cucuu in einem kleinen Haus mit der Farbe von Drachenhaut. Den Vater hat sie früh verloren. Oft weiß Penelop schon bevor sie gerufen wird, was sie tun soll oder was der andere zu ihr sagen wird. Für sie ist das völlig normal.
Eines Morgens wacht Penelop auf und ihr Haar ist funkenrot und wild gelockt. Sie fühlt sich glücklich, lebendiger und irgendwie anders. Der Geruch nach Feuer ist verschwunden.
„Vor allem in der Körpermitte war auf einmal so eine Kraft,
die ihr durch die Wirbelsäule loderte.“
Penelop verlässt wie immer das Haus und steigt auf ihr Fahrrad, als plötzlich die Straße mit ihr zu sprechen beginnt. Die Straße ist sehr verwundert, dass das Mädchen erst einmal gar nicht versteht, wer mit ihr spricht. Penelop erkennt, dass mit den roten Haaren auch andere Fähigkeiten in ihr wachsen. Von ihrer Mutter erfährt sie, dass sie die roten Haare von ihrem Vater geerbt hat, dass dieser noch lebt und auch besondere Fähigkeiten hat. Eines Tages war er einfach verschwunden. Jeden Monat schickt er einen Brief mit Geld, ansonsten gibt es keinen Kontakt zu ihm.
Nun überschlagen sich die Ereignisse und Penelop beschießt, ihren Vater zu suchen und herauszufinden, warum er damals verschwand.
Valija Zinck veröffentlicht mit „Penelop“ ihr zweites Kinderbuch im Fischer Verlag. Die Geschichte um das Mädchen mit den roten Haaren ist turbulent, fantasievoll und wirklich spannend. Ein tolles Buch für Mädchen ab 10 Jahren.
Takis Würger: Der Club
Kein & Aber 2017, € 22,00
„Ich hatte noch nie darüber gesprochen, wie einsam ich mich fühlte.“
Auch in diesem düsteren Debütroman geht es, wie in unserem ersten Buchtipp, um eine abseitige Gegenwelt. Hier ist es ein abgeschlossenes System, das nach eigenen archaischen Regeln lebt. Wir folgen dem jungen Hans, Waise, talentierter Boxer, an ein College in Cambridge. Dort soll er auf Bitten seiner distanzierten Tante, die an der Universität lehrt, ein mysteriöses Verbrechen aufklären.
Die Täter sind offenbar unter den Mitgliedern des Pitt Club zu finden, eines elitären und geheimnisvollen Zusammenschlusses von männlichen Studenten. Deren Vertrauen soll er gewinnen, indem er sich wie sie an Boxwettkämpfen der Universität beteiligt. Genaueres über die Vorwürfe, die seine Tante erhebt, erfahren zunächst weder Leser noch Protagonist.
„Ich hatte nicht gewusst, wie unterschiedlich Schwarz sein kann. Farewell sagte, dass eigentlich alles grau sei. Schwarz gebe es nicht, das sei keine richtige Farbe, nur eine Illusion.“
Es entspinnt sich eine berührende Geschichte von Freundschaft und Verrat, von Einsamkeit und dem Wunsch nach Zugehörigkeit, von Moral und Schuld, vom Versuch, das Richtige zu tun und der Gefahr, falsche Mittel zu wählen.
In einer kühlen, sachlichen Sprache entfaltet sich eine berührende Sogwirkung, die den Leser gnadenlos mitreißt. Die Geschichte wird aus der Perspektive von verschiedenen Figuren erzählt, so dass sich nach und nach aus einzelnen Puzzlestücken ein Gesamtbild zusammensetzt.
„Es gibt Schwarz, dachte ich, es gibt die vollständige Abwesenheit von Licht.“
Wenn man das Buch zu Ende gelesen hat und kurz verschnaufen konnte, wird man sich sicher fragen, was an dieser Geschichte erfunden ist und was auf realen Ereignissen beruht. Takis Würger war nämlich selbst Boxer in Cambridge und Mitglied im Pitt Club. Verlag und Autor betonen, alles sei erfunden. Spannende Nachlese bietet ein Artikel des Autors im Uni Spiegel über seine Erlebnisse in Cambridge.
Viel Spaß beim Lesen, Ihre Birgit Jongebloed & Pia Patt
Die Buchhandlung Funk existiert seit vielen Jahrzehnten in Bensberg und ist seitdem Bestandteil des kulturellen Lebens von Bergisch Gladbach. Mehr als zehn Jahre waren Pia Patt und Birgit Jongebloed bereits in der Buchhandlung Funk beschäftigt, als sie im Oktober 2015 das Geschäft von Almut Al-Yaqout übernahmen.
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