
Petra Oelschlägel, Direktorin des Kunstmuseums Villa Zanders in Bergisch Gladbach. Foto: Martin Rölen
Die Villa Zanders blickt auf 25 Jahre als Kunstmuseum zurück, eine Zeit voller Krisen und Debatten. Welche Rolle das Haus heute in Bergisch Gladbachs Stadtgesellschaft spielt, erläuterte Direktorin Petra Oelschlägel bei ihrem Vortrag zum Jubiläumsfestakt. Gleichzeitig begründet sie, warum gerade diese Stadt dieses Museum braucht – und skizziert eine Vision für den weiteren Ausbau.
Wir dokumentieren Auszüge der Rede von Petra Oelschlägel:
Ich begrüße Sie alle ganz herzlich und möchte diese Gelegenheit nutzen, um meine Freude darüber auszudrücken, dass Sie heute alle hier sind, um das 25-jährige Jubiläum gemeinsam zu feiern.
Es gab Jahre, in denen, wir sehr um den Fortbestand rangen, viele Persönlichkeiten – ich nenne stellvertretend Fritz Roth, Corts Corts, Dr. Günter Henne, Gerd Krämer, Georg Dittrich und Dr. Uli Müller-Frank – haben sich damals extrem und tagtäglich eingesetzt und mein hoch geschätzter Vorgänger und Gründungsdirektor Dr. Wolfgang Vomm hatte über lange Zeit eine extrem schwierige Situation auszuhalten und zu meistern.
Ich danke für dieses Engagement und für den Kraftakt – auch der Politik – alles braucht seine Zeit – und heute sind wir sicher froh und ein bisschen stolz, dieses junge Jubiläum feierlich zu begehen: als Einhalten auf einem Weg, dieses wunderschöne Haus dort zu positionieren, wo es aufgrund seiner Einzigartigkeit und als Museum in der Stadt Bergisch Gladbach hingehört.
Am 28. März 2017 hielt ich im Rahmen der „Gespräche im Roten Salon“ den Vortrag: „Warum braucht Bergisch Gladbach ein Kunstmuseum?“ Natürlich weil Kunst etwas Tolles und Bereicherndes ist.
Das Museum als gebauter Generationenvertrag
Museen sind ein gebauter Generationenvertrag. Sie sind das sammelnde, speichernde und verarbeitende Gedächtnis des kulturellen Erbes unserer Gesellschaft. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der gesellschaftlichen, insbesondere kulturellen Standortbestimmung und Strukturentwicklung. Sie sind lehrende und lernende Institution, welche immer wieder der aktuellen Positionierung bedürfen.
Zukunft braucht Herkunft.
Das Depot, in dem die Kunstwerke lagern, ist der Kraftraum des Museums. Bei uns ist das im Mittelpunkt die maßgeblich mit Mitteln der Kultur-und Umweltstiftung der Kreissparkasse Köln geförderte Sammlung von Kunstwerken aus Papier – insgesamt etwa 400 Exponate. Dazu gehört aber ebenso die Malerei des 19. Jhdt., die Dauerleihgaben aus der Paul Luchtenberg-Stiftung und die Stiftung Walter Lindgens.
Das Kunstmuseum Villa Zanders ist das einzige Kunstmuseum im Rheinisch-Bergischen Kreis. Etwa 10,6 Prozent aller Museen in Deutschland sind Kunstmuseen.
Kulturelles Gedächtnis unserer Stadt
Das Kunstmuseum versteht sich – wie auch andere Museen in der Stadt –als kultureller Wissensspeicher und kulturelles Gedächtnis dieser Stadt. Gemeinsam mit der Alten Dombach/Industriemuseum des Landschaftsverbandes basieren wir auf der Tradition als Papiermacherstadt.
Als man dieses Museum 1992 eröffnete ist die Politik quasi eine Selbstverpflichtung eingegangen: Museen basieren grundsätzlich auf der Vorstellung von Kontinuität. Sammeln überdauert Geschmacksvorstellungen – das Museum bezieht seine Existenzberechtigung sogar aus der Einsicht eines steten Geschmackswandels. Wie gesagt: es ist ein Generationenvertrag.
Mehr Informationen: Website – Facebook – Jubiläumsprogramm
1993 – kurz nach der Eröffnung – kam es bundesweit zu einer Akzentverschiebung, Museen gerieten in die Krise. Es gab Land auf Land ab eine riesige Diskrepanz zwischen gesellschaftlichem Auftrag und zur Verfügung stehender Mittel.
In unserer Stadt bedeutete das eine zunehmende Bedeutung des Freundeskreises, der sich durch Fusion mit dem Schloss Bensberg e.V. zum Galerie+Schloss e.V. entwickelte – und half, das Museum zum Kulturzentrum mit den Sparten Musik, Gespräche, Reisen usw. auszubauen.
Verständnis für Kunst erleichtern – in allen Altersstufen
Es ist Ziel unseres Museums, den Besuchern – egal ob jung oder älter – das Verständnis für die Kunst unserer Zeit zu erleichtern, die Bedeutung künstlerischer Äußerungen im ästhetischen, sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhang zu vermitteln, die Freude an Kunst und Kreativität zu fördern. Das Museum ist ein Lernort der historischen Demut, bei uns speziell eine Symbiose aus historischer Architektur und zeitgenössischer Kunst.
Im Zentrum steht ein qualitätvolles Ausstellungsprogramm, denn unsere Sammlung „Kunst aus Papier“ kann aus konservatorischen Gründen nicht permanent gezeigt werden.
Das Haus bekennt sich zu einem umfassenden Bildungsauftrag mit dem Ziel, sowohl jüngsten und jungen Besuchern den Einstieg in die moderne und zeitgenössische Kunst zu vermitteln, als auch für alle anderen Besucher die Auseinandersetzung mit der Kunst zu einem produktiven Erlebnis zu gestalten.
Dazu haben wir uns auf eine zielgruppenorientierte Vermittlungsarbeit konzentriert (Mit Baby ins Museum, KiTa-Atelier, Schüler-Atelier, REAKTIV – Das Kunstlabor für Jugendliche, öffentl. Führungen. Kunstgenuss bis hin zu dementia+art) .
Wir arbeiten an einer Verbesserung der kulturellen Teilhabe für jedermann und erarbeiten neue Formate zur Inklusion – zum Glück ist das Gebäude bereits seit 1992 barrierefrei.
Serviceeinrichtung und ruhiger Erlebnisort – keine Event-Location
Wir verstehen unser Museum als Serviceeinrichtung und ruhigen Erlebnisort (nicht zu verwechseln mit einer Event-Location). Gerade die Artothek in der Trägerschaft des Galerie+Schloss e.V. lebt diesen Servicegedanken und generiert enorme Einnahmen für das Kunst- und Kulturprogramm.
Alle MitarbeiterInnen und hier tätigen EhrenamtlerInnen sind aktiv in den Prozess der wachsenden Besucherorientierung eingebunden. Wir wollen den Besuchern ein offenes und freundliches Ambiente bieten, in dem die Auseinandersetzung mit Kunst zu einem angenehmen und anregenden Erlebnis wird.
Unterstützung durch Verein, Ehrenamt und Sponsoren
Sichtbare Unterstützung erhalten wir über den Galerie+Schloss e.V., der uns fest in der Bevölkerung verankert: ca. 60 – 70 ehrenamtlich Aktive, ca. 600 Mitglieder, zahlreiche Persönlichkeiten und Unternehmen aus der Region fördern uns: Die Banken oder die Belkaw, Dornbach GmbH, Pütz-Roth oder die Praxis am Berg, Optenhögel GmbH oder der Rotary Club, um nur einige zu nennen.
Aber es sind auch Stiftungen, Vereine und andere Institutionen wie z.B. die Kath. Familienbildungsstätte oder einzelne Persönlichkeiten, mit denen wir in der Vernetzung Ziele erreichen können, die alleine unerreichbar wären.
Vielen Dank dafür: für Zeit, Geld, Zuspruch, Kritik, Lob und Bestätigung, dass diese Institution in dieser Stadt gebraucht wird.
WARUM wird diese Institution in dieser Stadt gebraucht?
- Kunst ermöglicht neue Reflexionen auf das Leben. Das ist heute wichtiger noch als früher, da die Kirchen eine verbindliche Rolle einnahmen.
- Museen haben einen Bildungsauftrag – das hatten sie bereits in der frz. Revolution und noch einmal mehr in Deutschland bei der Demokratieerziehung der 50er.
- Demokratieerziehung findet angesichts von Kunstwerken statt. Museen regen zur Beschäftigung mit Menschheitsbegriffen an: Neid, Gier, Schönheit, Pathos usw. werden vor Kunstwerken verhandelt.
- Zum Bildungsauftrag gehört auch das „lebenslange Lernen“ sowie die Zufriedenheit beim selber-Tun. (Hier erfolgen wichtige Impulse für Schule, Handwerk und Studium).
- Es gehört auch dazu, Dinge in Worte zu fassen: eigenes Sehen, Erleben, Fühlen in Worte fassen – als Gegensatz zur digitalen Kommunikation (dies gilt für Jung und Alt gleichermaßen.) Das Digitale fördert sogar einen Hunger auf das Analoge.
- Das Museum kann ein Ort der Kommunikation von Alt und Jung sein – dies ist besonders angesichts des demographischen Wandels von Bedeutung.
- Kunst kann helfen, eine sich immer wieder verändernde Welt zu begreifen.
- Künstler bieten mit ihren Werken eine Aufweitung unseres Horizontes und unseres gesamten Daseinsraumes.
- Eine Stadt braucht Orte der Reflexion und Selbstreflexion!
Wo stehen wir, wo wollen wir hin?
Ich habe das Gefühl, wir sind mitten in der Stadt, sind in der Stadt angekommen –auch optisch, durch die neuen Verkehrsführungen des Strunde-Projektes und des kreisverkehrs Schnabelsmühle: „Man sieht uns“. Man beachtet uns. Vielen Dank dafür.
Wir verstehen uns als Museum in der Stadt Bergisch Gladbach und für die Bürger dieser Stadt, aber gleichzeitig auch für alle Interessierten von nah und fern. Wir erleben von Besuchern – durch Anfragen und im Gästebuch – dass es viele unter ihnen gibt, die gezielt von außerhalb kommen – wegen des Kulturangebotes in diesem Haus – und sie suchen anschließend die Gastronomie und anderes auf (so kann unser Haus positiv zum Stadtmarketing beitragen).
Genau diese Position möchten wir weiterhin stärken, uns mit Institutionen und Vereinen vernetzen und ein profiliertes Programm anbieten, das ruhig einmal heterogen oder umstritten sein darf, aber für Qualität steht.
Denn Neugier auf Kunst und Kultur ist die Basis, Offenheit und Toleranz nähren sich aus dieser Neugier. Eine Bereicherung ist das Ergebnis.
Um diese Position zu etablieren benötigt man ZEIT, Geduld, Beharrlichkeit, Ihre Unterstützung, Ihren Zuspruch, Ihre Kritik und zuweilen auch Ihr Geld.
Die Vision: Gemeinsam die Villa Zanders weiter entwickeln
Gemeinsam mit den Verantwortlichen aus Verwaltung und Politik möchte ich dieses Haus weiterentwickeln: mit zeitgemäßen Konzepten (die es bereits gibt), mit ansprechender Werbung und Öffentlichkeitsarbeit, die Dank Frau Müller und einigen ehrenamtlich Tätigen sowie dem Grafiker Heiko Thurm bereits sehr gut aufgestellt ist, aber ausgebaut werden sollte, mit verstärkter Präsenz im Stadtraum.
Aber auch mit dem, was heutzutage zu einem Museum gehört: Café und Museumsshop usw. Der Galerie+Schloss e.V. als Freundeskreis des Hauses unterstützt diese Visionen gerne, wenn in Politik und Verwaltung ein Konsens, ein klarer Wunsch besteht. Derartige Ziele und Anstrengungen sollte man und wollen wir nur gemeinsam angehen.
Die zunehmende Akzeptanz, die Verankerung in KiTa, Schule und Ausbildung, die Vernetzung im Seniorenbereich und bei der Inklusion wollen wir ebenfalls weiter stärken – zum Wohl des eigenständigen Standortes Bergisch Gladbach – und im Wissen um unsere Netzwerke der Rheinschiene und der Region Bergisches Land.
Wir möchten der Stadt danken: dass es uns immer noch gibt, dass wir unter Beweis stellen können, was Kunst und was eine solche öffentliche Institution – zumal in einem derart schönen Gebäude – für die Gesellschaft leisten kann.
Ein persönlicher Dank
Und ich möchte persönlich all denen danken, die dieses Angebot gemeinsam mit mir hier stemmen und umsetzen:
Dem Team des Hauses vom Techniker über Reinigung, Aufsicht und Verwaltung
Dem Galerie+Schloss e.V. mit Vorstand, Geschäftsstelle, Artothek, Ehrenamtlern.
Dem Fachbereich 4 und 8 – Herrn Rockenberg und Herrn Martmann – die uns unterstützen, aber auch anderen Abteilungen der Verwaltung, die uns helfen, dass Abläufe reibungslos ablaufen können.
Aber auch den vielen ehemals hier Tätigen: Frau Mewes und Frau Michels – langjährige Verwaltungskräfte -, Herr Kirch u.a.
Sowie zahlreichen Sammlern, Künstlern und Museumsfreunden, die uns einzelne Werke zum Ausbau der Sammlung als Schenkung überließen. Ohne einen respektablen Ankaufsetat kann man eine Sammlung entwickeln, und werden wir unserem Auftrag, das Haus in die Zukunft zu tragen, nicht gerecht.
Was ich mir wünsche
Ich wünsche mir: Ruhige Fahrwasser, Kontinuität und Wertschätzung, Einbindung ins Stadtmarketing, eine bessere Sichtbarkeit in der Stadt – und gelegentlich den Besuch von Ihnen allen.
Wenn Sie es nicht schon sind: werden Sie Mitglied im Galerie+Schloss e.V., spenden Sie vielleicht einen freien Nachmittag pro Monat als Aufsicht im Ehrenamt, schließen Sie sich unseren vielfältigen Programmen an oder empfehlen Sie uns anderen.
Zukunft braucht Herkunft. Und hier gibt es zumeist beides – gepaart mit vielfältigen Anregungen.
Vielen Dank.
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