Die Energiewende spüren wir alle im Portemonaie. Aber wenn man verstehen will, warum das so ist und wer dafür verantwortlich ist, wird es schnell kompliziert – und auch ein wenig ideologisch. Das zeigte sich beim dritten Bundestagsstammtisch des Bürgerportals am Mittwoch im Gasthaus Schwäke ziemlich rasch: kaum hat Maik Außendorf, Direktkandidat der Grünen, mit acht bunten Schaubildern  verdeutlicht, dass der Ausbau von Sonnen- und Windkraft schnell weitergehen muss, da widerspricht ihm der FDP-Kandidat Peter Ludemann energisch: „Die Energiewende ist aus dem Ruder gelaufen.“

Maik Außendorf

Maik Außendorf, Georg Watzlawek

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In der Debatte wird klar: wenn sie eine Weile miteinander reden, stimmen beide Kandidaten bei den grundsätzlichen Zielen weit überein. Nur auf welchem Weg man dorthin gelangen könnte – darüber wird mitunter lautstark gestritten. Der Reihe nach.

Maik Außendorf ist alles andere als ein grüner Träumer,  er ist sachkundiger Bürger der Grünen in Bergisch Gladbachs Stadtrat, Mathematiker und IT-Unternehmer. Er gesteht:

Die Welt zu retten finde ich schon in Ordung, aber als Unternehmer sehe ich auch die Finanzen: CO2 Vermeidung ist günstiger als Klimafolgeschäden zu beseitigen.“

Stammtisch Aussendorf Ludemann Ludemann hoch

Peter Ludemann

Peter Ludemann war lange bei der staatlichen Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) beschäftigt, die er noch heute berät, und sitzt für die FDP im Kreistag. Auch er will, dass der Schadstoffausstoß weiter sinkt. Aber er sieht die Energiewende als komplexes Projekt, bei dem Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Maßnahmen bestehen, die zeitlich koordiniert werden müssen. Daher plädiere er für eine

Denkpause von ein, zwei Jahren“.

Zunächst also die Gemeinsamkeiten. Der Grüne und der Liberale wollen den Ausstieg aus der Atomenergie, die Zurückdrängung von Kohlekraftwerken, den Schutz des Klimas – und das ganze so, dass es für den Verbraucher bezahlbar bleibt und der Wirtschaft im internationalen Wettbewerb nicht schadet.

Allerdings: Außendorf legt die Betonung auf den ersten Teil der Gleichung, Ludemann auf den zweiten. Aber die Vereinfachung, dass hier ein grüner Klimaretter gegen einen liberalen Industriepolitiker kämpft, weist der FDP-Mann hart zurück:

Den Strompreis zahlt jeder von uns, auch der Hartz-IV-Empfänger. Und wenn es um die Wirtschaft geht, dann geht es vor allem um die Arbeitsplätze. Es gibt keinen Gegensatz zwischen Umwelt und Wirtschaft, die Wirtschaft sind wir alle.”

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Nur bedingt einig sind sich die Kandidaten, dass der Strompreis in Deutschland zu hoch ist. Außendorf zeigt mit einer seiner Grafiken, dass ein durchschnittlicher Privathaushalt „nur“ 2,5 Prozent seines Warenkorbes für Strom ausgibt – auf die umstrittene Umlage nach dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) entfallen davon nur 0,3 Prozentpunkte.

Anders ausgedrückt: Wir geben immer noch sechsmal soviel Geld für Freizeit, Unterhaltung, Kultur, Telekommunikation aus, als für den Strom. Und auch die Verteuerung der gesamten Energiekosten in den letzten Jahren gehe auf den Ölpreis, aber nicht die Energiewende zurück.

Dem hält Ludemann entgegen, dass man bei den Stromkosten noch lange nicht am Ende sei, demnächst müsse der kostspielige Ausbau der  Netze finanziert werden. Er warnt:

Wenn es uns nicht gelingt, die Stromkosten für ALLE zu begrenzen, dann ist die Schmerzgrenze schnell erreicht, dann wird die Energiewende scheitern!”

Was Ludemann nicht anspricht, was Außendorfs Grafiken auslassen: die EEG-Umlage je Kilowattstunde Strom ist seit 2009 von 1,3 auf 5,3 Cent gestiegen. Ein – politisch spannender – Grund sind dafür die Ausnahmen bei der EEG-Umlage: Damit energieintensive Branchen wie die Aluminiumindustrie nicht zu sehr leiden, müssen sie weniger zahlen.

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Das taucht in Außendorfs Grafik als „Entlastung privilegierter Verbraucher“ auf – und macht ein Viertel der gesamten Kosten für die Förderung erneuerbarer Energie aus. Allerdings: zu den Nutznießern gehören nicht nur Industriebetriebe, die im internationalen Wettbewerb stehen. Sondern auch Aldi, Burgerking, Sparkassen und Volksbanken.

Die Tatsache, dass diese Ausnahmegenehmigungen (in der Verantwortung des FDP-geführten Bundeswirtschaftsministeriums) sehr großzügig verteilt werden, führt Außendorf zu dem Verdacht, “dass hier offenbar jemand das EEG bewusst diskreditieren will.”

Eine Unterstellung, die Ludemann empört. Aber er räumt ein, dass diese Ausnahmen nicht im Sinne des Erfinders seien und untersucht werden müssten. Die Höhe der EEG-Umlage gehe aber vor allem darauf zurück, dass den Investoren nicht nur die Renditen über 20 Jahre garantiert wurden, sondern ihnen auch noch der Vertrieb abgenommen werde – „das ist Planwirtschaft!“

Außendorf hält dagegen: Dass die Verbraucher mehr für den Strom bezahlen müssten, der Strompreis an der Strombörse jedoch verfalle, zeige, dass der Markt versage – und mehr Staat gefragt sei.

Treibt uns der Übereifer auf einen Sonderweg?

Die Debatte wird lebhafter, Teilnehmer des Stammtischs wollen wissen, warum eigentlich Deutschland bei der erneuerbaren Energie einen derart extremen Sonderweg gehe müsse. Egal, wieviel CO2 Deutschland vermeide, auf das Weltklima habe das doch gar keinen Einfluss.

Außendorfs Antwort: so extrem sei der Weg auch wieder nicht – aber Deutschland könne dabei mit gutem Beispiel voran gehen, seine technologische Marktführerschaft festigen und vielleicht sogar Klimasünder wie China oder die USA beeindrucken.

Ludemann dagegen warnt davor, dass Deutschland von Übereifer getrieben gravierende Fehler machen könnte und dann tatsächlich ein Beispiel abgeben würde. Aber ein schlechtes.

Lokale Beispiele

Wie unrealistisch die Ziele sein könnten, habe sich auch im Rheinisch-Bergischen Kreis gezeigt. Der ersten Resolution im Kreistag habe er nicht zugestimmt, weil die 100 Prozent erneuerbare Energie postuliert hatte, ohne einen Zeitpunkt zu nennen, berichtet Ludemann. Auch das Klimaschutzkonzept des Kreises habe er abgelehnt, weil es voll auf Solar- und Windenergie gesetzt habe. “Aber soviel Sonne gibt es im Bergischen doch gar nicht, wenn man dafür Geld übrig hat, sollte man es besser in Italien in die Photovoltaik investieren.” Erst dann habe der Kreistag die Energieeffizienz in den Vordergrund gerückt – und erst da hat Ludemann zugestimmt.

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Außendorf hat ein anderes lokales Beispiel, wie Chancen der Energiewende verspielt werden können. Die Stadt Bergisch Gladbach hatte lange gezögert, Solaranlagen auf ihre Dächer zu legen – und ausgerechnet als sie soweit war, habe der damalige Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) die Einspeisepreise gekappt. „Damit war das Projekt tot, Neuanlagen waren nicht mehr rentabel”, erläutert der Grüne. Das Beispiel zeige aber auch, dass man eben Subventionen brauche, um neue Technologien in Schwung zu bringen.

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Alles in allem sieht es zur vorgerückten Stunde am Stammtisch dann doch nicht nach einer Annäherung aus. Weder der Grüne noch der Liberale können sich vorstellen, dass ihre beiden Parteien in der Energiepolitik zusammenarbeiten könnten.

So kommen Grün und Gelb nicht zusammen

Dazu, provoziert Außendorf, sei die Energiepolitik der FDP zu sehr von den Interessen der großen Energiekonzerne bestimmt: diese hätten die Energiewende verschlafen und fürchteten nun um ihr Geschäft, die FDP handele in ihrem Sinne und trete auf die Bremse. Auf einen empörten Zwischenruf aus dem Publikum gesteht er immerhin ein:

Ok, die Liberalen sind dafür nicht allein verantwortlich – es ist die schwarz-gelbe Bundesregierung.“

Teilnehmer des Stammtisches

(Skeptische) Teilnehmer des Stammtisches

Die Grünen, so Außendorf, wollten das EEG zwar reformieren und die Förderung stärker an den Kosten orientieren; erst wenn die Technologie marktfähig seine, könne man sie Subventionen abbauen. Zudem müsse man dafür sorgen, dass die Kohlekraftwerke die von ihnen verursachten volkswirtschaftlichen Kosten selbst trügen, anstatt sich mit billigen Zertifikaten freikaufen zu könne.

Das Schlusswort hat Ludemann, dem die Energiewende seit Fukushima zu schnell, zu chaotisch ablaufe. Aber es sei nicht im Interesse allein der Energiekonzerne, sondern der Gesellschaft und am Ende auch des Klimaschutzes, eine Bestandsaufnahme zu machen, Ziele zu definieren, Fehler zu korrigieren und erst dann weiterzumachen. Denn was derzeit in der Energiepolitik abgehe, das sei

eine Planwirtschaft, wie wir sie seit der Sowjetunion nicht mehr erlebt haben.“


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Journalist, Volkswirt und Gründer des Bürgerportals. Mail: gwatzlawek@in-gl.de.

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